Gladbeck. Ohne den Einsatz ehrenamtlicher Helfer könnte die Tafel nicht überleben. Sie betreiben einen großen Aufwand hinter den Kulissen. Ein Besuch.
Ratsch – das Netz mit Orangen reißt auf, die Früchte kullern in eine bereitstehende Box und die Helferinnen und Helfer nehmen sie genau unter die Lupe: Sehen sie noch gut aus? Sind matschige oder gar schimmelige Exemplare darunter? In dem Fall greifen die Helfer beherzt zu und das ungenießbare Exemplar fliegt mit viel Schwung in eine grüne Mülltonne – zwei dieser Art stehen in der Mitte des Raumes.
Sieben Frauen und Männer – ehrenamtliche Helfer – sortieren die Lebensmittel der Tafel. Hier am Lager auf dem Hof des DRK kommen die Lebensmittel an, dann müssen sie sortiert, verpackt und in den Tafelwagen verladen werden. Eine anspruchsvolle Logistik. Etwa zwei bis drei Tonnen Ware würden hier pro Tag umgeschlagen, schätzt Wilhelm Walter, der Tafel-Leiter.
Dezentrale Ausgabe der Gladbecker Tafel verlangt aufwendige Logistik
Die Besonderheit: Anders als bei anderen Tafeln im Umkreis gibt es in Gladbeck seit einiger Zeit keine feste Ausgabestelle mehr. Stattdessen steuert die Tafel mit ihrem Wagen Ausgabestellen in den Stadtteilen an. Bedeutet aber auch eine große Logistik, denn die Waren müssen nicht nur sortiert werden, sie müssen anschließend noch einmal verpackt und im Wagen verstaut werden.
Schon früh war Wolfgang Dreiers unterwegs, hat mit einem Kollegen die Supermärkte und Discounter abgeklappert. An sechs Tagen in der Woche sind die Helfer auf Tour. Erst die kleine Runde, die umfasst den Bereich von Stadtmitte bis Brauck. Ist der Kühlwagen ausgeladen, geht es auf die große Runde durch die übrigen Stadtteile.
Alle Lebensmittel der Gladbecker Tafel werden in irgendeiner Form verwendet
Währenddessen nehmen die anderen Helfer ihre Arbeit auf. Wer ihnen zuschaut, dem schießt irgendwann unweigerlich ein Aschenputtel-Vergleich durch den Kopf. Sie wissen schon: Die Guten ins Töpfchen – die Schlechten – nun ja, in dem Fall in die Tonne. Allerdings: Selbst der Tonneninhalt wird noch sinnvoll verwendet. Ein Dienstleister holt ihn ab, er wird in einer Biogas-Anlage verwertet.
Das ist Tafel-Leiter Wilhelm Walter besonders wichtig. „Alle Lebensmittel, die hier landen, werden noch in irgendeiner Form verwendet.“ Während vor allem die nicht mehr essbaren Zitrusfrüchte ihr Ende in der Biogas-Anlage finden, so landen Gemüse und anderes Obst, teilweise aber auch Fleisch und Milchprodukte, die für Menschen nicht mehr geeignet sind, als Viehfutter auf einem Gladbecker Bauernhof. Einmal täglich wird auch der beliefert.
Vor allem Obst und Gemüse trifft täglich bei der Gladbecker Tafel ein
Tülay Süner gehört am Tag des WAZ-Besuchs erstmals zum Sortierteam. Sie prüft Mandarinen und Orangen. Kistenweise sammeln die Helfer die Südfrüchte derzeit bei den Supermärkten ein. Doch auf den Tischen im Container stapeln sich auch Blaubeeren, Äpfel, Bananen, ebenso Kakis, Drachenfrucht, Granatäpfel, Mangos und andere Exoten. „Wir sind hier quasi die Qualitätskontrolle“, beschreibt Tülay Süner ihre Aufgabe mit einem Lachen.
Einen Tisch weiter wird das Gemüse sortiert. Gurken, Blumenkohl, Salat, Radieschen, Kartoffeln oder Tomaten und Staudensellerie – die Auswahl erinnert an eine komplette Frischetheke im Supermarkt. Tatsächlich ist es vor allem Obst und Gemüse, das täglich bei der Tafel eintrifft und sortiert werden muss. Logisch, diese Waren verderben ja besonders schnell. Und so landen bei den Helfern teils 20 bis 30, manchmal sogar noch mehr Kisten, die kontrolliert, aus- und umgepackt werden müssen.
Manchmal müssen die Helferinnen und Helfer sich auch überwinden
Manchmal könne es eklig werden und man müsse sich überwinden, wenn ein Obst- oder Gemüseteil besonders matschig oder schimmelig ist, sagt eine Helferin Denn: Manche Supermärkte stellen der Tafel einfach die Kisten und Paletten im Ganzen zur Verfügung. Nicht jeder Markt hat die Kapazitäten, selbst schon zu sortieren. Allerdings sortiere man schon bei der Abholung vor, sagt Dreiers.
Im Bürocontainer sortieren die Helfer derweil abgepacktes Fleisch oder Molkereiprodukte und stapeln sie in Kisten für die Warenausgabe. Bei letzteren ist zwar in der Regel das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, verzehrbar sind die Produkte damit aber allemal noch. Diesmal haben die Tafel-Helfer kartonweise Marken-Joghurt gespendet bekommen – hauptsächlich in den Geschmacksrichtungen Kirsche und Erdbeere. Vorsichtiger sind die Helfer dagegen bei Fisch – gerade bei rohem. Das Sushi landet daher unterm Tisch in der Kiste fürs Viehfutter.
Tafelwagen ist ein Spezialfahrzeug mit besonders großer Zuladung
Derweil steht vor dem Bau auf dem DRK-Hof schon der Tafelwagen. Durchs Fenster hieven die Helfer die vollen, schweren Kisten nach draußen. Dort nimmt Wolfgang Dreiers sie an und räumt sie in den Wagen. Der sieht aus wie ein klassischer Verkaufswagen. Doch während die üblicherweise nur rund 300 Kilo zuladen dürften, darf der Tafelwagen eine Tonne zuladen, erklärt Wilhelm Walter den unsichtbaren aber umso wichtigeren Unterschied.
Und so müssen sich Dreiers und die Helfer nicht zurückhalten. Obst und Gemüse verschwindet in dem Stauraum unterhalb der Kühltheke. Bestimmt 16 volle Kisten werden dort verstaut. In der Theke selbst, gut sichtbar hinter Glas, landen die Molkereiprodukte – noch einmal zehn Kisten. Auf den Regalen im Wagen liegen schon – verpackt und portioniert – Brot und Brötchen. Bleibt noch der Kühlschrank. Hier schiebt Dreiers das Fleisch hinein. Praktisch, dass die Kühlung so groß ist, dass auch hier die grünen Klappkisten der Tafel als Ganzes hinein passen.
Gladbeckerinnen und Gladbecker nehmen die Tafel in der Stadt wahr
Weiterer Vorteil des Wagens: Die Tafel ist in der Stadt präsent, die Gladbeckerinnen und Gladbecker nehmen sie und vor allem auch die Kundinnen und Kunden, die auf diese Art der Hilfe angewiesen sind, wahr. Und so ergibt sich manch schöne Begegnung. Wilhelm Walter berichtet von dem Anwohner, der ihm spontan einen Schein für die Tafelarbeit in die Hand gedrückt hat. „Als ich dann nachgesehen habe, waren das 200 Euro.“
Die Räume, in denen gerade noch die Waren geprüft und verpackt wurden, werden derweil schon durchgefegt. Zusätzlich, so Wilhelm Walter, würden sie täglich gereinigt und desinfiziert, schließlich soll alles hygienisch sein. Morgen früh geht es hier wieder weiter, sechs Tage in der Woche.
Gladbecker Tafel ist immer mit Nachschubfahrzeug unterwegs
Jetzt ist der Tafelwagen voll, Wolfgang Dreiers zieht die Klappe an der Seite des Verkaufswagens zu. Hier ist alles bereit für die heutige Tour zum Zweckeler Markt. Damit aber auch wirklich alle Kunden versorgt werden können, beladen die Helfer einen zweiten Wagen. Der DRK-Kastenwagen dient als Nachschubfahrzeug. Ist am Verkaufsladen eine Kiste leer, wird hierher nachgelegt.
- Schülerprognose: Dringender Handlungsbedarf – drastische Raumnot an Gymnasien
- Atemwegserkrankungen: Kinderkliniken am Limit – Jugendliche kommen in Krankenhäuser
- Gebühren: Müllabfuhr in Gladbeck – so teuer wird es im nächsten Jahr
- Immobilie: Problemhaus Steinstraße – der Ärger reißt nicht ab
Auch die roten Weihnachtssterne finden hier ein Plätzchen. Denn manchmal landen auch solche Besonderheiten bei der Tafel. Jennifer Bartschat lädt die Pflanzen ein. Die Helferin weiß: Solche Dinge sind bei den Kunden der Tafel heiß begehrt. Solche Extras können sie sich in der Regel nämlich selbst nicht leisten.
Besonderheiten aus dem NRW-Zentrallager der Tafeln
Wilhelm Walter öffnet das Tor zu einer Fahrzeughalle. Dahinter tauchen Paletten voller Kartons auf. Auch das ist so eine Besonderheit, auf die sich die Tafelkunden vor Weihnachten noch freuen können. Aus dem Zentrallager der Tafeln in NRW haben die Gladbecker Helfer jede Menge Frühstückscerealien, Schokoriegel, Kaugummis aber auch Desinfektionsmittel abgeholt. Das wird in den Tagen vor Weihnachten dann verteilt.