Gladbeck. Neuerliche Krisen lassen die Gladbecker besorgt auf ihr Konto schielen. Was bedeutet das für die Reisebranche? Wir haben mit Experten gesprochen.
Die Reisebranche, auch in Gladbeck, hängt in einer merkwürdigen Schwebe. Gerade erst hat die Corona-Pandemie so weit an Schrecken und Zahlen verloren, dass auch Fernreisen wieder möglich sind, schon steigen die Inzidenzen wieder und schüren die Angst vor einem dritten Corona-Winter, isoliert in den heimischen vier Wänden. Gleichzeitig drücken Krieg und Energiekrise auf Stimmung und Geldbeutel, den Fernreisenden graut es vor chaotischen Stunden an Flughäfen. Alles in allem sicherlich nicht die idealen Rahmenbedingungen für Reiseveranstalter. Aber ist die Lage tatsächlich so ernst, wie sie scheint? Die WAZ-Lokalredaktion hat mit drei Reiseexperten in Gladbeck gesprochen – und teils überraschende Antworten bekommen.
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Wegen der chaotischen Zustände an den Flughäfen zu Hauptreisezeiten habe bei ihm jedenfalls noch niemand eine Reise storniert, sagt Ralf Böhm, Betreiber des Reisebüros Böhm an der Feldhauser Straße. „Das Flughafenchaos war auch nicht so wild, wie es nach außen hin kommuniziert wurde“, erklärt er, am Flugwillen seiner Kunden habe es jedenfalls nichts geändert.
Kreuzfahrten liegen in Gladbeck im Trend
Auch Inflation und Energiekrise spielten aktuell noch keine Rolle. „Die Leute wollen wieder reisen“, weiß Böhm, „es sind alle Varianten dabei, Fernreisen genau so wie der ,Urlaub vor der Haustüre’.“ Im Jahr 2022, so glaubt Böhm, werden diese neuerlichen Krisen in der Reisebranche noch keine Rolle spielen.
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Auch Lisa Gwisdalla vom Reisestudio Gladbeck am Willy-Brandt-Platz beurteilt die aktuelle Lage der Branche eher positiv. „Kreuzfahrten sind gerade wieder sehr im Trend, vor allem weil diese Reiseart besonders unter der Pandemie gelitten hat.“ Zu groß war die Angst der Reisewilligen, während Corona auf einem „verseuchten“ Schiff festzustecken, unfreiwillig zurückzukehren zur ursprünglichen Bedeutung des Begriffs Quarantäne, als seuchenverdächtige Schiffe um 1400 im Hafen Venedigs 40 Tage (quaranta giorni) warten mussten, bis die Möglichkeit einer Krankheit ausgeschlossen war. Tatsächlich, erklärt Gwisdalla, geisterte unter Kreuzfahrtfans der Begriff „Quarantäneschiff“ umher.
„Medien haben das Flughafenchaos aufgeblasen“
Flugreisende seien von den Chaostagen an Flughäfen ebenfalls nicht abgeschreckt worden, so die Expertin. „Die Menschen fliegen weiter. Das Chaos war auch gar nicht so schlimm, die Medien haben die Sache ziemlich aufgeblasen.“ Zugenommen hat jedenfalls der Anteil der Urlauber, die innerhalb der Heimat unterwegs sind. Scheinbar haben die Deutschen Gefallen an den schönen Seiten ihres Landes gefunden, die sie während der Hoch-Zeiten der Pandemie gezwungenermaßen erkunden mussten, wollten sie überhaupt in den Urlaub fahren.
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Eyup Alp, Geschäftsführer des Reisebüros „Yes 4 Jahreszeiten“ an der Grabenstraße, hat mit Blick auf die Energiekrise keine Langzeiturlauber entdeckt, die im Warmen überwintern wollen, um Energie zu sparen. Auch er hat bemerkt, dass sich Kreuzfahrten nach der Pandemiepause wieder großer Beliebtheit erfreuen, „in der Hinsicht ist es wieder etwas besser geworden.“ Trotzdem, ganz von Corona erholt habe sich die Branche noch nicht.
Reisen, bevor das Geld knapp wird?
„Ich hatte ein paar Kunden, die lieber doch nicht fliegen wollten, als sie die Bilder aus den Flughäfen gesehen haben“, erinnert sich Alp an eine andere Lage als im Reisebüro Böhm und im Reisestudio Gladbeck. „Die Preise sind ein bisschen besser geworden“, erklärt er, und glaubt nicht, dass Inflation und Energiekrise schon in dieser Saison eine Rolle spielen werden.
„Die Leute wollen jetzt noch verreisen, solange es noch geht“, so Eyup Alp, „bevor dann im nächsten Jahr alles noch teurer wird.