Gladbeck. Unerträgliche Zustände am Hochhaus Steinstraße beklagen Anwohner schon lange. Nun ist ihre Geduld vorbei. Was sie von der Stadt Gladbeck fordern.
Sie sind absolut verzweifelt, wissen nicht mehr, wie lange sie das noch aushalten. Die Nachbarn des Problemhochhauses an der Steinstraße 72 haben mal wieder heftige Tage und Wochen hinter sich. Vor allem die vergangenen Wochenenden seien der blanke Horror gewesen, sagen sie – mit Lärm, schreienden Menschen, lauter Musik und aufheulenden Motoren drei Tage nonstop. Und dann ist es auch noch zu einem üblen Vorfall gekommen.
Am Sonntag vor zwei Wochen hatte es sich erledigt mit der Geduld bei Felix Kanzenbach. Er wohnt mit seiner Familie in der Siedlung Heimannshof. Als der Lärm vom nahen Spielplatz des Problemhochhauses zu später Stunde immer noch unerträglich war, suchte er das Gespräch mit den lärmenden Bewohnern, wollte um etwas mehr Ruhe bitten. Doch das Gespräch war nur kurz, dann knockte ein Faustschlag gegen den Kopf ihn aus. Natürlich hat Felix Kanzenbach Anzeige erstattet, auch wenn er sich nicht viel davon verspricht.
Die Anwohner des Gladbecker Problemhochhauses fühlen sich im Stich gelassen – von Polizei, KOD, Politik
Das ist das Problem der meisten Anwohner des Butendorfer Problemhochhauses. Sie fühlen sich im Stich gelassen – von der Polizei, vom KOD und von der Lokalpolitik – bis hin zur Bürgermeisterin. „Wir leben seit Jahren mit diesen Zuständen. Und es wird immer schlimmer“, sagt Jörg Kucharski. Bislang habe noch nichts Wirkung gezeigt, was die Stadt in Sachen Problemhochhaus unternommen hat. Kucharski ist sich sicher: „Hier muss mit viel mehr Härte vorgegangen werden!“. Eine Anwohnerin aus der Siedlung Heimannshof sagt: „Es ist schon so weit, dass wir Nachbarn das Gefühl haben, wir seien das Problem. So behandelt man uns jedenfalls bei der Stadt.“
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Was Anwohnersprecher Tobias Stolze nicht begreifen kann: „In anderen Städten – Essen, Gelsenkirchen –, werden solche Häuser geräumt. Da gibt es aktuelle Fälle. Geräumt auch, weil die Gebäude einfach nicht mehr bewohnbar sind!“ Dass das auch beim Hochhaus Steinstraße 72 der Fall ist, davon ist nicht nur Stolze fest überzeugt. „Hier laufen doch selbst tagsüber schon die Ratten rum.“
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Der Hausmeister, der für die Problemimmobilie zuständig ist, habe sich schon zwei Mann zur Hilfe geholt. „Zu dritt räumen die jetzt jeden Morgen den Müll und Unrat raus, der einfach in die Laubengänge geworfen wird.“ Allein sei das gar nicht mehr zu schaffen gewesen. Und bei dem Müll seien Sachen dabei, über die man gar nicht länger nachdenken wolle. „Auch gebrauchte Damenbinden!“
Überall am Hochhaus Steinstraße 72 stinkt es nach Kot und Urin
Und nach so einem „Partywochenende“, wie es die Butendorfer in den vergangenen heißen Sommermonaten regelmäßig ertragen durften, stapele sich der Unrat dann zusätzlich auch noch besonders hoch rund um das Hochhaus. „Was nicht im Laubengang landet, wird einfach aus dem Fenster geworfen.“ Um das Hochhaus herum stinke es einfach nur widerlich nach Kot und Urin. „Auf’s Klo in der Wohnung geht hier nämlich kaum jemand!“
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„Es sind nicht alle Menschen so, die in dem Hochhaus wohnen. Der Terror geht von einer leider großen Gruppe aus. Und das Verhalten färbt dann auf andere ab“, sagt Anwohner Dennis Farin. Viele Kinder aus dem Hochhaus könne man nur als komplett verwahrlost bezeichnen. „Die können einem leid tun.“ Alle Anwohner berichten von ganz kleinen Kindern, die mitten in der Nacht vollkommen unbeaufsichtigt herumlaufen würden. Zudem könne man das Verhalten einiger Jungen und Mädchen nur als extrem verhaltensauffällig bezeichnen. „Da stehen Kinder einfach vorm Hochhaus und schreien. Über Stunden. Nicht, weil sie sich laut unterhalten oder miteinander streiten. Die schreien einfach nur!“ Dennis Farin kann nicht nachvollziehen, warum das Jugendamt da „nicht schon längst eingeschritten ist“.
Wegziehen ist keine Alternative
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Gewalt, unerträglicher Lärm Tag und Nacht, Müll, Ungeziefer, sexuelle Belästigung, Bedrohungen, Angst: Das sind Tatsachen, sagen die Nachbarn des Problemhochhauses, mit denen sie seit Jahren umgehen müssen. Wegziehen ist aus verschiedenen Gründen keine Alternative. „Für unsere Häuser bekommt man doch schon lange nichts mehr. Hier will niemand hinziehen. Jetzt haben wir auch noch gehört, dass die Banken Häuser im Umfeld des Hochhauses gar nicht mehr finanzieren“, berichtet eine Anwohnerin.
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Um dokumentieren zu können, was sie fast täglich ertragen müssen, führen einige Nachbarn schon lange gemeinsam ein Lärmprotokoll. Handyvideos gibt es ebenfalls etliche. Erst vor kurzem haben die Butendorfer zudem auch noch ein Onlineformular erstellt. Da können nun alle Nachbarn, die wollen, ihre Anrufe beim KOD und bei der Polizei eintragen. Mit genauem Datum und Uhrzeit.
Mit dieser zusätzlichen Dokumentation reagieren die Anwohner auf die Aussage der Stadtverwaltung in der WAZ Gladbeck, in den ersten beiden Juni-Wochen sei der KOD lediglich zweimal zur Steinstraße 72 gerufen worden. Die Beschwerdelage sei also „überschaubar“. Die beiden Anwohnersprecher Uwe Bergmann und Tobias Stolze schüttelt immer noch die Wut, wenn sie an diese Aussagen denken: „Das war schlicht gelogen. Warum macht die Stadt so etwas mit uns?“