Essen. Nach rund zehn Jahren Kampf gegen Schrottimmobilien zieht die Stadt Essen eine positive Bilanz: Große Problemlagen existierten nicht mehr.

Es ist keine zehn Jahre her, da verbreiteten Schrottimmobilien auch in Essen Angst und Schrecken. Heruntergewirtschaftete Mietshäuser drohten ganze Quartiere in den Abwärtsstrudel zu ziehen. Die Mieter, häufig Armutszuwanderer aus den neuen EU-Ländern in Südosteuropa, waren sowohl Störer als auch Opfer skrupelloser Miethaie. Während es anderswo im Ruhrgebiet, etwa im berüchtigten Duisburger „Horrorhaus“, bereits lichterloh brannte, entwickelte die Stadt Essen einen eigenen Instrumentenkasten. Ordnungsdezernent Christian Kromberg sieht die Stadt heute besser aufgestellt und zieht zufrieden Bilanz: „Essen ist inzwischen vor der Lage.“

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Als scharfes Schwert im Kampf gegen Schrottimmobilien hätten sich sogenannte Meldekontrollen erwiesen, die im Morgengrauen stattfanden und oft wie Razzien aufgezogen waren. Unter dem Schutz von Einsatzhundertschaften der Polizei prüften Kräfte des Einwohneramtes zeitweise im Wochentakt, ob die im Problemhaus gemeldeten Menschen auch tatsächlich anwesend waren. „So konnten wir häufig Sozialleistungsmissbrauch aufdecken“, sagt der Dezernent.

Ebenfalls aufgeboten waren bei solchen Aktionen Mitarbeiter des Jugendamtes, der Bauaufsicht, des Umweltamtes, der Feuerwehr. Im Behördenjargon: „das große Besteck“. Der große Vorteil Essens gegenüber Gelsenkirchen und Duisburg: Die Ruhrmetropole verfügt über einen weitaus intakteren Gebäudebestand.

„Wir gehen streng gegen jene vor, die sich nicht an Regeln halten“

Wenn bei Meldekontrollen gravierende baurechtliche Mängel (zum Beispiel abgestellter Strom, herausgerissene Fenster, Vermüllung, undichte Dächer) oder gar Fälle von Kindeswohlgefährdung aufgedeckt wurden, sei sofort durchgegriffen worden. „Wir mussten etliche Immobilien für unbewohnbar erklären und räumen lassen“, sagt Christian Kromberg. An der resoluten Vorgehensweise habe sich nichts geändert. „Wir gehen streng gegen diejenigen vor, die sich nicht an Regeln und Auflagen halten und der Umgebung Schaden zufügen.“

Ein weiteres Indiz für die Entschärfung des Problems: Eine Reihe von Gebäuden, die einst auf der Sorgenliste des Rathauses aufgeführt werden, tauchen darauf nicht mehr auf - und die Liste der Erfolgsmeldungen wird länger.

Vor allem Landesmittel aus dem Modellprojekt Problemimmobilien haben die Stadt in die Lage versetzt, desolate Immobilien aufzukaufen und abzureißen bzw. grundlegend zu modernisieren. Dies trifft beispielsweise auf die Gebäude an der Zinkstraße 2 und der Germaniastraße 40 zu.

Auch das Grundstück Essener Straße 99a war von der Stadt aufgekauft worden – mit der Absicht, es abzureißen. Bei einem weiteren Objekt an der Essener Straße steht die Stadt aktuell in Verhandlung.

Problemhäuser aufkaufen und abreißen: Fördermittel des Landes NRW helfen Essen

Auf dem Hinterhof der Schrottimmobilien Zinkstraße 18 und 20 türmen sich im Februar 2018 Berge von Sperrmüll und Unrat. Inzwischen hat die Stadt den Großteil der 48 Eigentumswohnungen Zinkstraße 10 bis 20 aufgekauft. Die Lage habe sich spürbar verbessert.
Auf dem Hinterhof der Schrottimmobilien Zinkstraße 18 und 20 türmen sich im Februar 2018 Berge von Sperrmüll und Unrat. Inzwischen hat die Stadt den Großteil der 48 Eigentumswohnungen Zinkstraße 10 bis 20 aufgekauft. Die Lage habe sich spürbar verbessert. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Ebenfalls aufgekauft wurde ein Objekt auf der Schalker Straße. Eine Nachnutzung sei noch in Klärung. In der Grieperstraße 36 sei Teileigentum erworben worden.

Einen besonders erbitterten Kampf führte die Stadt an der Gladbecker Straße 305 bis 309. Die nach Razzien und etlichen Ordnungsverfügungen bereits geräumten Häuser sollten unter den Hammer kommen. Die Stadt sah sich bereits am Ziel und wollte kaufen und abreißen. Doch in letzter Sekunde lenkte der Hauseigentümer mithilfe eines Investors ein und ließ das Objekt aus eigener Kraft von Grund auf modernisieren.

Auch an der Radhoffstraße und in der Straße Schonnebeckhöfe seien private Investoren gefunden worden. Sie hätten die Immobilien aufgekauft und renovieren lassen. „Nicht immer muss die Stadt aufkaufen, auch andere Eigentumswechsel haben eine hohe Nachhaltigkeit“, so Kromberg. Das Objekt in der Wolbeckstraße sei zurzeit unauffällig. Eine Renovierung ist augenscheinlich durch die Eigentümer vorgesehen, jedoch noch nicht begonnen worden. Das Ordnungsamt überprüft die Situation regelmäßig. Bei Objekten in der Rahmstraße gebe es derzeit keine Verkaufsabsichten durch die Eigentümer.

Großbaustelle Zinkstraße: Großteil der 48 Eigentumswohnungen ist aufgekauft

Als Großbaustelle galt lange Zeit der Häuserkomplex Zinkstraße 10-20. Die Erfolgsmeldung hier: Für den Großteil der 48 Eigentumswohnungen der Wohnungseigentümergemeinschaft seien Ankäufe getätigt worden. Der Ordnungsdezernent hält am ehrgeizigen Ziel fest, den Komplex zu 100 Prozent zu übernehmen.

Erst vor einigen Tagen habe der Ausschuss für Stadtentwicklung, -planung und Bauen den Ankauf weiterer Wohnungen beschlossen. Probleme wie Störungen in der Nachbarschaft, das Müllaufkommen, die fehlende Versorgung und Hygieneprobleme seien schon weitestgehend abgestellt worden.

„Große Problemlagen sind nicht mehr existent“, resümiert Kromberg. Durch die Vernetzung in verschiedenen Aktionsbündnissen wie Altenessen, Zollverein, Oststadt und Altendorf profitiert die Verwaltung von einer Art Frühwarnsystem. Die Stadt kann inzwischen frühzeitig reagieren und deeskalieren, indem beispielsweise zuerst Sozialarbeiter in eine Problemimmobilie entsendet werden.

Ein Beispiel dafür, wie unberechenbar sich Problemimmobilien entwickeln können, ist das Haus Katernberger Straße 2. Weil es einen massiven Rattenbefall und eine akute Gesundheitsgefährdung gegeben habe, sei das Gebäude letztes Jahr geräumt worden. Die Mängel, so Kromberg, seien daraufhin behoben worden – auch mithilfe einer „Entwesung“ durch Schädlingsbekämpfer. Gerettet ist das inzwischen bewohnte Haus jedoch längst noch nicht. Innerhalb kürzester Zeit habe sich die Lage wieder massiv verschlechtert. Kromberg: „Wir bleiben dran, es gibt einen Ortstermin.“