Gladbeck. In der Gladbecker Stadthalle gaben Aussteller Einblicke über Jobmöglichkeiten in der Pflege. Mit ernsten Hintergrund, da Fachkräfte fehlen.

Erst im Februar hat das Institut der Deutschen Wirtschaft seine neue, vom Arbeitsministerium geförderte Studie zum Fachkräftemangel in den Altenpflegeberufen in Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Mit der alarmierenden Aussage, dass sieben von zehn Stellen nicht besetzt werden können. „Auch in Gladbeck haben Senioreneinrichtungen Probleme, Fachkräfte zu finden“, sagt Karin Byrszel, Leiterin des Jobcenters in Gladbeck. Krankheitsfälle in der Corona-Pandemie bei Mitarbeitern und Betreuten sorgten für zusätzliche Belastung in Pflegeheimen. Um Fragen zu beantworten, eventuelle Ängst zu nehmen und für die Vorteile des Berufsfeldes zu werben, wurde jetzt die Infomesse Pflegeberufe in der Mathias-Jakobs-Stadthalle veranstaltet.

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Als Besucher eingeladen waren Klienten des Jobcenters, die arbeitssuchend sind, sowie die zehnten Klassen der weiterführenden Gladbecker Schulen. Mit letztlich Beteiligung von Schülerinnen und Schülern des Berufskollegs Gladbeck, der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule, der Erich-Fried-Schule, der Roßheideschule und der Werner-von-Siemens- sowie Anne-Frank-Realschule. Die internationale Förderklasse am Berufskolleg hatte auch Dolmetscher mitgebracht, da auch junge Ukrainerinnen den Unterricht besuchen, die erst wenige Deutschkenntnisse haben. „In unserer Heimat gibt es Seniorenheime nicht in dem Umfang wie in Deutschland, da die älteren Menschen zumeist von ihren Kindern zuhause mitversorgt werden“, berichteten Aischa (18) und Anastasia (15), die mit ihren Familien aus Charkiw geflohen sind. Beide interessieren sich für die Ausbildung in einem Pflegeberuf und freuten sich über die breite Informationsmöglichkeit auf der Messe.

„Ich bin sehr zufrieden, weil ich den Menschen helfen kann und etwas Sinnvolles mache“

Am Stand der Rebeq wurde über Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten informiert.
Am Stand der Rebeq wurde über Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten informiert. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Zufrieden über das rege Interesse der Schülerinnen und Schüler war auch Svenja Patz am Stand des Caritasverbandes Gladbeck. „Ganz viele haben sich über die Möglichkeiten, bei uns ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren, informiert“, so die Pflegedienstleiterin der stationären Einrichtungen. Die sei ein durchaus sinnvoller Einstieg nach dem Schulabschluss, um mehr Sicherheit für den weiteren beruflichen Weg zu erhalten. „Denn das FSJ bietet eine gute Möglichkeit, in verschiedene Berufsfelder hineinzuschnuppern.“

Vielleicht hätte Yilda-Nur dann auch schneller zu ihrem „Traumjob“ gefunden. Denn die 20-Jährige berichtet, dass sie über Umwege in die Pflegefachkraft-Ausbildung gestartet sei. Sie habe nach Schülerpraktika (Friseurin, Bürokauffrau) schließlich eine Ausbildung im Einzelhandel abgeschlossen, sei mit dem Job aber nicht glücklich gewesen. Über ihre Cousine, die als Altenpflegerin arbeitet, habe sie dann ein Praktikum gemacht, nach dem feststand, „Pflegefachkraft werden zu wollen“. Jetzt sei sie im ersten Ausbildungsjahr und ganz begeistert. „Ich fühle mich wohl mit meiner Arbeit und bin sehr zufrieden, weil ich den Menschen helfen kann und etwas Sinnvolles mache. Sie habe auch Angst gehabt, Wunden zu sehen, sich den Job schwerer und belastender vorgestellt, „ist er aber gar nicht, da wir ja auch die richtigen Techniken lernen, um rückenschonend zu arbeiten“.

Die Arbeitgeber stellen sich auch flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten ein

Pflegedienstleiterin Svenja Patz vom Caritasverband Gladbeck freut sich auf neue Kolleginnen und Kollegen.
Pflegedienstleiterin Svenja Patz vom Caritasverband Gladbeck freut sich auf neue Kolleginnen und Kollegen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Auch Azubi Luca Tilly schwärmt im dritten Lehrjahr im Eduard-Michelis-Haus weiterhin von seinem Job als angehende Pflegefachkraft. „Ich gehöre zum ersten Jahrgang in dem neuen, breiter aufgestellten Ausbildungsberuf, der uns vielfältigere berufliche Möglichkeiten bietet, da wir später in einem Krankenhaus, in einem Seniorenpflegeheim oder in der Kinderpflege arbeiten können.“

Einblicke in Berufsfelder und Qualifizierungen

Die Jobbörse wurde ausgerichtet von der Stadt Gladbeck und dem Jobcenter des Kreises Recklinghausen in Zusammenarbeit mit den Sozialverbänden als Betreibern von Pflegeeinrichtungen oder mobilen Pflegediensten. An 14 Ständen gaben die Ausstellenden ihnen Einblicke in die Vielfältigkeit der Berufsbilder in der Pflege sowie über Ausbildungs- und Quereinstiegsmöglichkeiten.

Unter den Ausstellern waren die Arbeiterwohlfahrt (Elisabet-Brune-Seniorenzentrum, Pflegedienst West, Rebeq-Bildungsmaßnahmen), das Diakonische Werk (Martha- und Vinzenzheim) und das von katholischen Ordensschwestern gegründete Eduard-Michelis-Haus, der Malteser Hilfsdienst sowie Anbieter von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen (Dekra Akademie, Institut für Berufliche Bildung IBB) oder Ausbildung (Lucy-Romberg-Pflegeschulverbund).

Finanziell attraktiv sei die Ausbildung auch bei schon 1100 Euro im ersten Lehrjahr. „Mit guten Aufstiegschancen“, so die stellvertretende Einrichtungsleiterin Andrea Küddde, etwa auch durch ein „anschließendes Studium der Pflegewissenschaften“.

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Svenja Patz listet am Caritasstand die Weiterbildungsmöglichkeiten für Pflegekräfte auf, um sich im Beruf stärker spezialisieren zu können „als Praxisanleiter, als Wundexperte oder für die palliative Versorgung sterbender Menschen, die in Gladbeck ja fehlt und aufgebaut werden soll“. Sie unterstreicht, dass sich moderne Arbeitgeber auch flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten einstellen. „In der ambulanten Pflege haben wir zum Beispiel so genannte Mutti-Touren, auch für alleinerziehende Väter. Von 8 bis 12 Uhr vormittags, damit der Job gut mit schulpflichtigen oder Kita-Kindern vereinbart werden kann.“ Auch für Wieder- oder Neueinsteiger in den Beruf biete der Pflegesektor einen Job mit Zukunft. Svenja Patz: „Eine Kollegin ist mit 49 Jahren in die Ausbildung gestartet und war mit 52 fertig. Sie sagt, dass sie sich wohl und gebraucht fühlt und jetzt eine hohe Befriedigung hat, etwas wirklich Sinnvolles zu tun.“