Gladbeck. Seit vielen Jahren sind die Kinos in Gladbeck geschlossen. Ein Blick in die Geschichte zeigt den Wandel der Filmpaläste. Sogar Stars waren hier.

Astoria und Apollo, Metropol und Schauburg – Namen, die Kino-Fans wie Musik in den Ohren klingen, Augen zum Leuchten bringen. Aber ach: All die Lichtspieltheater in Gladbeck, in Boom-Zeiten waren es sechs an der Zahl, sind längst Geschichte! Seit Jahrzehnten sind diese Filmtheater in der Stadt von der Bildfläche verschwunden. Mit der Revitalisierung des Rex-Kinos in der Innenstadt taucht diese untergegangene Welt wieder auf und kehrt zurück zu ihren Wurzeln.

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Der Ursprung der Gladbecker Kino-Branche lässt sich zurückverfolgen bis zum Jahr 1905. Die Autoren Volker Wallmüller und René Weihrauch schreiben in einem Aufsatz: „Apollo hieß das erste Filmtheater der Stadt. Es wurde (...) in einem Saal über der Gaststätte Fortmann eingerichtet. Sieben Jahre später zog es um in die Hochstraße.“

In Gladbeck war ein Filmpalast mit einer Kapazität für 1000 Gäste geplant

61 Jahre sollten hier Film-Fans in der ersten Reihe sitzen, um Stars ihrer Zeit auf der Leinwand zu sehen. Ein Foto dokumentiert das Richtfest für den Erweiterungsbau im Jahre 1952 – Kino stand also damals hoch im Kurs in der Bevölkerung. Wallmüller und Weihrauch zitieren eine Beschreibung der Apollo-Inneneinrichtung aus den 1960er Jahren: „Eine damals hochmoderne Einrichtung ließ den Zuschauer die schwarz-weißen, stummen Flimmerbilder in Luxus und Bequemlichkeit erleben.“

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Aber drehen wir die Zeit ein wenig zurück. Eine Hauptrolle in der Gladbecker Kino-Handlung übernimmt Anton Balter. Er ist es, der am 19. Januar 1919 die Schauburg im Kaisersaal an der Kirchstraße ins Geschehen bringt. Fast 600 Plätze bietet diese Filmbühne – die größte in der Stadt. Unter Balters Regie stehen anno 1928 alle drei Gladbecker Kinos: Apollo, Schauburg, Industrie-Lichtspiele am Markt. Letztere gaben allerdings nur ein kurzes Intermezzo auf der städtischen Cinema-Bühne. Aber weitere Spielstätten, darunter das Capitol im Festsaal der Gaststätte Stens, das Metropol im ehemaligen Stadttheater an der Elfriedenstraße und das Astoria (heutige Voßstraße), sollten im Laufe der Zeit folgen.

„Mit Schreiben vom 21. September 1940 hat der Präsident der Reichsfilmkammer in Berlin die Genehmigung zur Errichtung eines neuen Filmtheaters in Gladbeck, Rentforter Straße 3-5, erteilt“, lesen wir in einem Artikel. Für die „aufstrebende Stadt“ sei die „Errichtung eines vorbildlichen Filmtheaterzweckbaues notwendiges Bedürfnis“. Die genauen Maße des Gebäudes sind akribisch aufgeführt, ebenso die Empfehlung, Erfahrungen aus dem benachbarten Buer und Bottrop zu nutzen.

Plakate in Schaukästen taten kund, welche Filme liefen – zum Beispiel im Gladbecker Kino Astoria.
Plakate in Schaukästen taten kund, welche Filme liefen – zum Beispiel im Gladbecker Kino Astoria. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Die Lichter für einen Filmpalast, der mit einer Kapazität von 1000 Gästen geplant war, gingen niemals an. Schuld daran war die Weltwirtschaftskrise. Bombardements im Zweiten Weltkrieg führten dazu, dass Filmrollen in den Büchsen blieben. Das Apollo und die Schauburg, der Wiederaufbau war Thema im Kulturausschuss, wurden bei Angriffen getroffen.

In einer städtischen Bauakte, datiert auf den 20. Mai 1942, findet sich der Hinweis: „Im Haus der Jugend in Gladbeck soll behelfsmäßig ein Lichtspieltheater eingerichtet werden. Der Saal wurde bisher schon hin und wieder für Filmvorführungen genutzt.“ Instandsetzung okay, bauliche Veränderung: nein. Der Kinoinhaber Benno Schröder war es, der an der Elfriedenstraße 7, eben im Haus der Jugend, eine Baugenehmigung für den Einbau eines Lichtspieltheaters beantragte.

Abenteuerfilme standen hoch in der Gunst der Kino-Fans in Gladbeck. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Abenteuerfilme standen hoch in der Gunst der Kino-Fans in Gladbeck. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

An anderer Stelle der städtischen Unterlagen ist für den 17. August 1945, geschrieben mit der Schreibmaschine auf mittlerweile vergilbtem Papier, zu lesen: „Es erscheint Herr Surmann jun. und bittet, dass die Stadt ihm das ehemalige Stadttheater zur Errichtung eines Kinos zur Verfügung stellt.“ Er sei bereit, „die Instandsetzung der Räume zu übernehmen und die festgesetzte Miete zu zahlen.“ Ein Komiker, der denkt, eine Leinwand, ein Projektor und Sitzgelegenheiten – und schon kann der Filmspaß am laufenden Band abgespult werden! Von wegen: Man macht sich ja keine Vorstellung davon, wie viel Bürokratie und deutsche Gründlichkeit hinter den Kulissen steckten. Beim Ansinnen des Herrn Surmann bleibt unter anderen auch das Gaswerk nicht außen vor. In der Bauakte steht: „Das Stadttheater kann als Kino verpachtet werden, wenn die Gasleitung, die heute noch unter dem Kino verläuft, außerhalb des Gebäudes verlegt wird.“

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Die Lichtspieltheater in Gladbeck sind Geschichte, lediglich die Volkshochschule (VHS) lädt noch zu Filmvorführungen ins Kommunale Kino (Koki, Friedrich-Ebert-Straße 8) ein. Aber: Aus den Augen muss ja nicht aus dem Sinn bedeuten. Vielleicht haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, ja Erinnerungen an die gute alte Cinema-Zeit in Gladbeck. Waren Kino-Besuche besonders denkwürdig? Blieben manche Produktionen, die über die Leinwand flimmerten, im Gedächtnis haften? Ranken sich um Stunden im Kinosessel Anekdoten? Oder existieren in privaten Fotoalben sogar noch Bilder von Capitol & Co.?

Wenn Sie diese Anekdoten teilen möchten, können Sie sich wenden an die WAZ Gladbeck unter 02043/299838. Ein Kontakt per Email ist möglich unter redaktion.gladbeck@waz.de

Wer Akten, Protokolle aus Sitzungen und Notizen studiert, wähnt sich im falschen Film, denn bereits das Thema Ausstattung füllt Blatt für Blatt. Das Kulturamt hält zum Beispiel am 27. September 1965 Schwarz auf Sepia fest: Eine Wuppertaler Spezialfirma für Bühneneinrichtung kommt bei einer Überprüfung von Bühne und Vorhängen in der Schauburg zum Ergebnis, dass der Zwischenvorhang – „7,20 Meter x 20 Meter = 144 Quadratmeter“ – „unbrauchbar geworden“ sei. Mehrere Angebote zu unterschiedlichen Stoffqualitäten müssen eingeholt werden. Die Vorgaben: „fertig vernäht, aufzuhängen und einzupassen, mit allen Zutaten, Stoff schwer entflammbar imprägniert, Farbe dunkelblau“. Die Palette der Voranschläge reicht von Plüsch (2131 DM) über den Dekostoff zum Sonderpreis (944 DM). Ein extra schweres Bleiband schlägt in der Aufstellung der Firma Wegener an der Hochstraße mit 50 DM zu Buche. Nählohn: 225 DM. Mit allem Pipapo sind’s hier 1659,50.

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Was hoch in der Zuschauergunst stand? An eher unerwarteter Stelle hat Stadtarchivar Christian Schemmert Informationen aufgetan: in den Vergnügungssteuer-Abrechnungen der Kämmerei. Penibel sind dort Details aufgelistet. So ist beispielsweise für das Metropol im Juni 1958 vermerkt: „Vom Winde verweht“, Prädikat „wertvoll“, Kulturfilm „Es war einmal“ – besonders wertvoll – insgesamt 14 Vorstellungen, 1253 Besucher. Es liefen in Gladbeck auch „Manche mögen’s heiß“, „Der Haustyrann“, „Der weisse Teufel von Arkansas“, das „Strafbataillon 999“ und „Fox tönende Wochenschau“, eine bunte Mischung. Ein Logenplatz kostete um die zwei, drei Mark, Sperrsitz und Parkett waren günstiger. Kriegsbetroffene blieben unter einer Mark.

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Anton Balter holte Uraufführungen und Kassenschlager in die Schauburg an der Hochstraße. Mit frischen Produktionen gingen technische Neuerungen einher – wie im Apollo Cinemascope, das auf einer gewölbten Leinwand eine plastische Wirkung erzeugte – ohne Spezialbrille.

Für das revitalisierte Rex samt gleichnamiger Klause ist eine multifunktionale Nutzung geplant

Vollkommen von der Rolle dürften all jene sein, die erfahren: Die Leinwand-Stars waren nicht nur im Film in Gladbeck präsent, sondern auch leibhaftig. Grete Weiser, Zarah Leander, Willi Millowitsch und Kollegen. Sie speisten dann gerne im „Weißen Rössl“ der Familie Hellenbroich.

Das Gladbecker Rex-Kino soll wiederbelebt werden.
Das Gladbecker Rex-Kino soll wiederbelebt werden. © Oliver Mengedoht / www.oliver-me | Oliver Mengedoht

Die frühen Lichtspielhäuser in Gladbeck wurden häufig multifunktional genutzt, nicht nur das Surren der Projektoren erfüllte die Säle, sondern beispielsweise auch die Stimmen von Rednern in Vorträgen waren Usus. So schreibt die Firma Balter, die für das Apollo und die Schauburg Regie führt, im Jahre 1963 an den Oberstadtdirektor Rechnungen, um zu belegen, dass ein Mietzins von 125 DM für eine Veranstaltung zu gering ist. Die Schauburg wurde beispielsweise für Schauspiel-Aufführungen, Opern und Konzerte genutzt. Unterm Strich beläuft sich die Rechnung auf 2521,50 DM. Eine Parallele für das Rex-Kino samt gleichnamiger Klause mit einer neuen Zukunft: Auch dort steht eine multifunktionale Nutzung im Raum.

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