Gladbeck. Die Gewerkschaft Verdi fordert im aktuellen Tarifstreit mehr Personal und Entlastung für städtische Kitas. So ist die Situation in Gladbeck.
Am Dienstag ist die zweite Verhandlungsrunde zwischen Gewerkschaften und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber zu besseren Arbeitsbedingungen im Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste ohne Ergebnis abgebrochen worden. Dass die Belastung der Fachkräfte etwa an den städtischen Gladbecker Kitas hoch ist, wurde jetzt im Jugendhilfeausschuss deutlich. Auch der Gladbecker Personalrat im Rathaus fordert mehr Personal und verbesserte Standards.
Die Gewerkschaft Verdi Mittleres Ruhrgebiet zeigt auf, dass auch in der Region „Fachkräftemangel und die Arbeitsbedingungen zu einem hohen Krankenstand, insbesondere zu Langzeiterkrankungen führen, und Beschäftigte oft über einen Berufswechsel nachdenken, oder bereits gewechselt sind“. Die Gladbecker Grünen forderten im Jugendhilfeausschuss Antworten zur aktuellen Situation in Sachen Arbeitsbelastung an kommunalen Kitas. Zudem kritisierte Grünen-Vertreter Dietmar Chudaska, dass in der Konkurrenz mit umliegenden Kommunen (Gelsenkirchen, Bottrop) Gladbeck allein befristete Stellenangebote ausschreibe, was die Attraktivität für per se fehlende Bewerber deutlich schmälere.
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Es gibt ein hohes Maß an Frustration in den Kitas
Monika Purrnhagen, Fachberaterin im Rathaus für die 15 kommunalen Kitas, sprach vor dem Ausschuss im Rückblick auf ihre zwölfjährige Berufserfahrung von den „krassesten Veränderungen“, die seit der Corona-Pandemie passiert seien „was die Fachkräfte betrifft“. Neben dem Fachkräftemangel sorgten Krankheitsausfälle (bei allen Trägern) dazu, dass sich die Situation zuspitzt. Sie berichtete aufgrund geführter Gespräche von einem „hohen Maß an Frustration“ in den Einrichtungen und hoher Arbeitsbelastung, wenn etwa drei Kolleginnen fehlten. Entlastung, die in den Kitas dringend gebraucht würde, sei mehr Personal oder eine konstante Besetzung.
Kita-Springer zur Entlastung fehlen
Bei aktuellen Krankmeldungen fehlen auch so genannte Springer, um in den dezimierten Kita-Teams für Entlastung zu Sorgen. Bislang existieren 3,8 Stellen. Die Kita-Springer sind da, können aber nicht kurzfristig entlasten, da sie bereits in Einrichtungen gebunden sind, um langfristige Personalausfälle (Krankheit, Schwangerschaft) zu kompensieren.Der aktuelle Stellenplan sieht die Schaffung von 3,2 zusätzlichen Springerstellen vor (auf dann sieben). Diese können aber nicht besetzt, beziehungsweise ausgeschrieben werden, da der Haushalt noch nicht genehmigt worden ist. Die nächste Verhandlungsrunde im Tarifstreit mit den kommunalen Arbeitgebern ist für den 16. und 17. Mai vorgesehen.
Weiteren Druck mache der hohe Anstieg der Anträge für Kita-Kinder, die integrative Zusatzbetreuung bräuchten (Inklusionshelfer). Allein für eine Kita seien neun Anträge gestellt worden, so die Fachberaterin. Personal könne aber erst eingestellt werden, wenn die Bewilligung vom Landschaftsverband vorliege. Die Kinder mit höherem Betreuungsbedarf seien ja aber bereits in der Einrichtung, „die die Teams an den Rand der Leistungsfähigkeit bringen“. Unter hohem Druck stünden auch die Mitarbeitenden im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) der Stadt, die auch mit hoher Verantwortung abklären müssten, wo Fälle von Kindeswohlgefährdung vorliegen, wobei die Anzahl der Meldungen stark angestiegen sei.
Die Anzeigen für Kindeswohlgefährdung haben sich vervierfacht
„Die Anzahl der dem Jugendamt angezeigten Gefährdungsmitteilungen hat sich in den zurückliegenden drei Jahren vervierfacht“, konkretisiert Rebecca Wesselborg, stellvertretende Personalratsvorsitzende im Rathaus. Durch die Corona-Pandemie, die Lockdowns und weitere Einschränkungen habe sich die Situation in schon belasteten Familien verschärft. Aus den Kitas, aber auch den Freizeittreffs und der Schulsozialarbeit werde zudem berichtet, dass die Kinder unterm Strich teils aggressiver reagierten als vor Corona.
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Es sei ein grundsätzliches Problem, „dass bei den Kitas die gesetzlich für das Personal festgelegte Soll-Stärke nicht ausreicht“, sagt Personalratsvorsitzender Bertram Polenz. „Der Mindestbetreuungsschlüssel ist aus unserer Sicht zu niedrig.“ Hier müsse auf Landesebene nachgebessert werden. Gleichwohl könne sich auch die Lokalpolitik im Rat der Stadt positionieren „und für mehr Planstellen aussprechen“. Zurzeit sieht der Stellenplan für Erzieherinnen an städtischen Kitas laut Sozialdezernent Rainer Weichelt 142 Vollzeitstellen vor, von denen rund zehn nicht besetzt seien. „Um den derzeitigen Bedarf decken und das zeitlich befristet beschäftigte Personal unbefristet übernehmen zu können, müssten unseres Erachtens nach rund 20 neue Vollzeitstellen eingerichtet werden“, sagen die Personalratsvorsitzenden. Diese 20 Vollzeitstellen sollten nicht nur für Erzieherinnen, „sondern anteilmäßig auch für Kinderpflegerinnen eingerichtet werden.