Gladbeck. Die Hintergründe eines Todesfalls in Gladbeck beschäftigten die Polizei. Sorgen bereitet den Ermittlern der Bereich Kindesmissbrauch.
Weniger Wohnungseinbrüche, weniger Diebstähle, weniger Straftaten insgesamt im Jahr 2021. Unterm Strich klingen die Zahlen aus dem Kriminalitätsbericht 2021, den das für Gladbeck zuständige Polizeipräsidium Recklinghausen am Montag druckfrisch vorlegt, eigentlich gar nicht so übel. Wenn das Wörtchen „aber“ nicht wäre. Denn längst herrscht auf Straßen, in Häusern und im Internet nicht eitel Sonnenschein.
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Doch zunächst einmal die guten Nachrichten. Zum sechsten Mal in Folge ist die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen gesunken. Mit insgesamt 1.201.472 Delikten (minus 1,2 Prozent) sind die Fallzahlen so niedrig wie zuletzt 1985. „Im Vergleich zu 2016 haben wir mehr als eine viertel Million Straftaten weniger“, so Innenminister Herbert Reul. Etwas anders schaut’s hier vor Ort aus. Für das Jahr 2021 wurden in Recklinghausen insgesamt 47.133 Straftaten einschließlich 3533 Versuchen registriert. Dies bedeutet einen Anstieg der Gesamtkriminalität um 634 Straftaten (+ 1,36 Prozent) gegenüber dem Jahr 2020 – dennoch ist es der zweitniedrigste Wert seit mehr als 40 Jahren. Gesamtaufklärungsquote: 52,98 Prozent, gegenüber 2020 minimal um 0,36 Prozentpunkte gesunken.
Die Polizei konnte die Aufklärungsquote für Straftaten in Gladbeck steigern
Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) 2021 sank die Gesamtkriminalität in Gladbeck um 357 Taten auf 4250 Fälle im Vergleich zum Vorjahr. Aufklärungsquote: mehr als 48 Prozent, sie konnte somit im Vergleich zu 2020 (44,78 Prozent) gesteigert werden. Als Kriminalitätshäufigkeitszahl (KHZ) – also die Zahl der bekannt gewordenen Fälle bezogen auf 100.000 Einwohner – wurde 5628 ermittelt. Ein deutlich geringerer Wert als 2020 (6093). Derzeit gehört Gladbeck damit zu den Städten im Zuständigkeitsbereich mit der geringsten KHZ. Die niedrigsten Werte haben Haltern am See (4130) und Waltrop (4760).
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Erneut rückläufig ist die Zahl der Wohnungseinbrüche: Sie sank von 98 Taten im Vorjahr auf 80.
Leitender Kriminaldirektor: „Aufgrund eines Lockdowns gab es weniger Gelegenheiten“
Der Leitende Kriminaldirektor Jürgen Häusler mag dafür nicht allein die Corona-Pandemie mit Menschen, die wegen Kontaktbeschränkungen und Homeoffice mehr als sonst daheim blieben, als Begründung heranziehen. Sicherheitsmaßnahmen dürften ebenfalls eine positive Rolle spielen: „50 Prozent der Taten blieben im Versuchsstadium.“
Bei der Straßenkriminalität könne sich Corona gleichfalls ausgewirkt haben: „Beispielsweise aufgrund eines Lockdowns gab es weniger Gelegenheiten, weil die Menschen nicht rausgingen.“ So wurden 986 Delikte verzeichnet (2020: 1258). Einen Rückgang von 24 Prozent verzeichnet die Polizei auf dem Feld der Diebstahlsdelikte – von 1882 (2020) auf 1424.
Trügerisch könnten die nackten Zahlen zum Problem Telefonbetrug wirken. Fünf waren es 2021 in Gladbeck, 2020 noch 15. Häusler verweist jedoch darauf, dass Opfer manche solcher Taten aus Scham nicht anzeigen.
Die Ermittler beschäftigte ein einziger potenzieller Mordfall in Gladbeck
Ein leichtes Plus ist hingegen im Bereich der Gewaltkriminalität – also unter anderem Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Raub, gefährliche und schwere Körperverletzung – festzustellen: mit vier Fällen mehr ein Anstieg auf 150 im Jahresvergleich. Ein einziger potenzieller Mordfall in Gladbeck beschäftigte im zurückliegenden Jahr die Ermittler. Ein 80-Jähriger war am 28. Oktober in einer Senioreneinrichtung auf ein Fensterbrett gestiegen und auf ein Vordach gestürzt. Dabei erlitt der Mann tödliche Verletzungen. Es kam der Verdacht der fahrlässigen Tötung auf. „Der Fall konnte nicht geklärt werden“, sagt Häusler.
Viele Taten im Verborgenen sind auf dem Sektor des Kindesmissbrauchs anzunehmen. Zum Teil werden solche Fälle unter Sexualstraftaten geführt, das sind in Gladbeck für 2021 zwei mehr als im Vorjahr, nämlich 97. Das Problemfeld ist groß, „auch die Verbreitung und Herstellung von Kinderpornografie gehören dazu“. Der Leitende Kriminaldirektor: „Wir hellen derzeit das Dunkelfeld immer weiter auf.“ Der Experte geht von einer Steigerung aufgedeckter Taten aus. Dazu trage auch ein amerikanischer Provider bei, der kinderpornografische Beiträge im Internet der Polizei melde. Ein deutscher Anbieter handhabe dieses Vorgehen seit Februar ebenfalls.
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„Eine hohe Aufklärungsquote von 82 Prozent zeigt, dass hier erfolgreich gearbeitet wurde. Ein weiterhin großes Dunkelfeld zeigt aber auch, dass noch sehr viel Arbeit investiert werden muss, um das Leid der betroffenen Kinder zu beenden. Deshalb werden wir auch in diesem Jahr hier einen Schwerpunkt unserer Arbeit setzen“, so Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen zum Thema Kinderpornografie/sexueller Missbrauch von Kindern.
Objektive Sicherheit und subjektives Empfinden klaffen oft auseinander
Bei der Veröffentlichung der Kriminalstatistik gehe es um die Darstellung der objektiven Sicherheit, unterstreicht Zurhausen. Die Bürgerschaft habe „oft ein anderes Sicherheitsempfinden“. Die Polizeipräsidentin: „Deshalb ist für mich, neben der Bekämpfung der Kriminalität, auch die polizeiliche Präsenz auf den Straßen ein wichtiges Anliegen.“