Gladbeck. Von den Stromdiscounter-Pleiten sind auch viele Gladbecker Haushalte betroffen. Ein Experte sagt, was jetzt für die Bestandskunden der ELE gilt.

Viele Gladbecker sind aktuell von der Insolvenz- und Kündigungswelle von Discount-Strom- und -Gasanbietern betroffen. Sie müssen jetzt deutlich höhere Energiepreise zahlen. Die Krise auf dem Energiemarkt und ihre Auswirkungen für die Bürger war jetzt Thema im Sozialausschuss. Ein Experte vom Grundversorger Emscher-Lippe Energie (ELE) beantwortete die drängendsten Fragen. Mit beruhigenden und weniger beruhigenden Antworten.

Anstoß war ein Antrag der CDU, die durch die sehr drastischen Preissteigerungen eine „existenzielle Katastrophe“ für Haushalte mit geringem Einkommen befürchtet. Die Ratsfraktion Soziales Bündnis ABD hatte zudem beantragt, aufgrund der sich absehbar verschärfenden Situation, Strom- und Gassperren aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten zunächst auszusetzen, bis ausreichende Hilfen für Betroffene wirksam werden.

Sozialamt hat keine Anfragen zu Strompreisen

Karin Byrszel, Leiterin Jobcenter-Bezirksstelle Gladbeck, hat nur wenige Klienten mit Zahlungsschwierigkeiten, die bei einem anderen Energieversorger als der ELE sind.
Karin Byrszel, Leiterin Jobcenter-Bezirksstelle Gladbeck, hat nur wenige Klienten mit Zahlungsschwierigkeiten, die bei einem anderen Energieversorger als der ELE sind. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Zur Befürchtung der CDU, dass das Discounter-Debakel durch stark steigende Strom-und Gasrechnung im Besonderen viele arme Haushalte in die Krise stürzen könnte, gab es stark relativierende Auskünfte. Denn die Discounter-Angebote hätten vorrangig nicht einkommensarme Haushalte, sondern „die gesunde Mittelschicht“ genutzt, so Sozialdezernent Rainer Weichelt.

Karin Byrszel, Leiterin des Gladbecker Bezirksstelle des Jobcenters, nannte Zahlen: „Von den Familien in der Grundsicherung mit Zahlungsschwierigkeiten, für die wir direkt die Energiekosten begleichen, sind nur 36 bei einem anderen Energieversorger als der ELE“. Und Thomas Andres, Leiter des Sozialamtes, ergänzte, dass „schätzungsweise 90 Prozent unserer Kunden bei der ELE sind, von denen es bisher keine Anfrage zum Thema gegeben hat“. Diese würden erfahrungsgemäß aber wohl kommen, das befürchtete auch Rainer Knubben vom Caritasverband, wenn die per se erwartbar höheren Jahresrechnungen „im Briefkasten sind“.

Experte des Grundversorgers ELE stand Rede und Antwort

Christian Hofmann, Vertriebsleiter Privatkunden bei der ELE, stand zudem Rede und Antwort. Zunächst relativierte er die in Medien genannte Zahl von den durch die Marktturbulenzen rund 10.000 Betroffenen vor Ort. Dabei handele es sich nicht ausschließlich um Gladbecker, sondern um alle, die im Versorgungsgebiet der ELE wegen des Discounter-Debakels in die Ersatzversorgung gekommen seien. Also auch Haushalte aus Bottrop und Gelsenkirchen. In Gladbeck seien rund 1400 Betroffene (insgesamt 7192) im Bereich Strom zur ELE als Grundversorger hinzugekommen, und 540 bei der Gasversorgung (insgesamt 2728).

Stromsperren lassen sich in der Regel abwenden

Seinen Stromsperren-Antrag (siehe Text) zog ABD-Ratsherr Gerhard Dorka letztlich zurück. Er stieß damit auch auf Unverständnis, warum Rechnungen für eine genutzte Leistung nicht bezahlt werden sollten. ELE-Vertreter Hofmann hatte zuvor verdeutlicht, dass die Stromsperre das letzte Mittel nach einem Erinnerungs- und Mahnverfahren sei (Dauer mehr als 50 Tage).In der Regel gelinge es, bei rechtzeitiger Mitwirkung des Betroffenen sowie Rücksprache mit Sozialamt, Verbraucherzentrale oder Jobcenter, eine Ratenzahlung hinzubekommen und die Stromsperre abzuwenden. Hofmann wolle dazu gerne die Ansprechpartner für eine niederschwellige Beratung vermitteln. Ein Angebot, das Sozialdezernent Weichelt „sehr gerne“ annehmen will.

Für diese würde jetzt der Grundpreis für Strom und Gas berechnet. Der sei zwar höher als die einstigen Discount-Tarife, so Hofmann, sei aber von der ELE nicht wie von anderen Grundversorgern angehoben worden. Und der ELE-Preis läge sogar unter denen der derzeit auf dem Internet-Vergleichsportal Verivox auf Platz eins gelisteten Unternehmen. Die Vergleichsrechnung beim Jahresbezug von 3000 Kilowattstunden Strom sei dort bestenfalls mit 1229 Euro ausgewiesen, „bei der ELE sind es 1045 Euro“. Ebenso beim Gas, dort liege der Verivox-Spitzenplatz für 20.000 Kilowattstunden-Verbrauch bei 2711 Euro, bei der ELE würden aktuell 1595 Euro fällig.

Das gilt für die Sondertarife von Bestandskunden

Ratsherr Dietmar Drosdzol (CDU) wollte wissen, was mit den Sondertarifen der Bestandskunden passiere, ob die jetzt auch die teurere Grundversorgung zahlen müssten. Beruhigende Antwort von Hofmann: Obgleich die Sondertarife für Neukunden aktuell neu berechnet würden, ändere sich für die Bestandskunden nichts. Er räumte aber gleichwohl ein, dass aufgrund der angespannten Situation im Energiemarkt davon auszugehen sei, dass sich für aller Kunden der Strom- und Gasbezug verteuern werde, mit hoffentlich wieder einer Entspannung 2024. Genaue Zahlen zur Preissteigerung könne er noch nicht nennen.