Gladbeck. Allein 7500 Gladbecker sind von der aktuellen Krise bei Billig-Stromanbietern betroffen. Die Verbraucherzentrale weiß Rat, was nun zu tun ist.
Die aktuellen Turbulenzen auf dem Energiemarkt und Kündigungen oder Tariferhöhungen von einstigen Discount-Stromanbietern betreffen auch viele Gladbecker. Wie berichtet, sind stadtweit 7500 überraschend von Stromio & Co. geschasste Kunden in die Ersatzversorgung der Emscher Lippe Energie (ELE) als Grundversorger gefallen. Für sie ergeben sich jetzt unerwartet steigenden Kosten für Strom und oft auch für Gas. Das Thema besorgt auch die Lokalpolitik. Im Sozialausschuss wollen CDU und Soziales Bündnis ABI über die Kündigungen, dadurch höhere Energiekosten für einkommensschwache Haushalte und zu befürchtende Stromsperren diskutieren. Die Verbraucherzentrale hat dazu klare Empfehlungen.
Die CDU-Fraktion sieht eine „existenzielle Katastrophe“ für von den Energiemarkt-Turbulenzen betroffene Familien und Einzelpersonen, die in Gladbeck von Sozialleistungen oder nur kleiner Rente leben und sich wegen der starken Preiserhöhung sorgen. Die Stadtverwaltung soll im Sozialausschuss am Dienstag (25. Januar) daher berichten, wie Sozialamt oder Seniorenberatung diesen Menschen helfen können. Das Soziale Bündnis sieht die Gefahr, dass durch das exorbitante Ansteigen der Energiepreise aufgrund nicht bezahlter Rechnungen die schon bislang unerträglich hohe Anzahl der Energiesperren steigt. Um den Betroffenen zu helfen, solle der Stopp der Energiesperren mindestens so lange verlängert werden, „bis ausreichende Hilfen für betroffene Bürger wirksam werden“.
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Nach Stromdebakel gehen täglich Hilfeersuche bei der Verbraucherzentrale ein
Dass viele Gladbecker, und auch Menschen in den Nachbarstädten Gelsenkirchen und Bottrop, von dem Stromdiscounter-Debakel betroffen sind, merkt auch die zuständige regionale Verbraucherzentrale in Bottrop. „Bereits seit November gehen zahlreiche Hilfeersuchen bei uns ein“, berichtet Energieberaterin Claudia Berger. Aktuell seien es „im Schnitt pro Tag 15 Anrufe und weitere zahlreiche Emails“ von ehemaligen Discounttarif-Kunden, deren Energielieferung eingestellt wurde. „Die Betroffenen sollten unbedingt reagieren“, empfiehlt die Verbraucherschützerin. „Denn die vertraglich geregelte Belieferung plötzlich unberechtigt einzustellen, das ist rechtswidrig. Dem sollte widersprochen und die nun entstehenden Mehrkosten zurückgefordert werden.“ Auf der Homepage der Verbraucherzentrale stehen dafür Musterbriefe bereit, die auch sofort online ausgefüllt und dann via Email abgeschickt werden können.
602-mal in Gladbeck den Strom abgestellt
In Gladbeck musste im Vorjahr bei 602 ELE-Kunden der Strom abgestellt werden, „weil kein Bemühen erfolgt ist, die offenen Rechnungen zu bezahlen“, so Pressesprecherin. Hinzu kamen 3867 säumige Zahler aus Gelsenkirchen und Bottrop. Im Vorjahr 2020 waren es 491 Stromsperren in Gladbeck und 2997 in den Nachbarkommunen. Vor der Stromsperre als letztem Schritt erfolgt ein dreistufiges Verfahren, das vier bis fünf Wochen dauert.
Zunächst gibt es ein Erinnerungsschreiben mit Zahlungsaufforderung, wenn die Rechnung nicht beglichen wurde. Danach erfolgt eine Mahnung mit sofortiger Fälligkeit und Hinweis, dass eine Stromsperre erfolgen kann. Letztendlich dann die Sperrankündigung, die nach etwa 12 Tagen erfolgt. Bis zwei Tage davor bestehe noch die Möglichkeit zu reagieren und die Abschaltung abzuwenden, so ELE-Pressesprecherin Stefanie Genthe.
In einem anderen Punkt empfiehlt die Expertin aber, noch die Ruhe zu bewahren: Betroffene sollten jetzt nicht vorschnell handeln, und einen neuen Sondertarif abzuschließen. „Auch nicht, wenn mit einem Wechselbonus von 25 Prozent geworben wird“, der sei Augenwischerei und werde durch die Hintertür dann doch mitbezahlt. Fakt sei, „dass der Energiemarkt zurzeit total konfus ist, und diese Situation voraussichtlich im ersten Quartal des Jahres noch so bleibt“. Viele Anbieter hätten ihre Energiepreise drastisch erhöht und selbst große seriöse Grundversorger in anderen Regionen ihren Grundpreis für Gas- und Strom verdoppelt.
„Betroffenen sind momentan gut in der Ersatzversorgung der ELE aufgehoben“
Der regionale Energieversorger ELE sei hier ein Glücksfall für die Betroffenen, da zwar die Sondertarife neu berechnet würden, der Grundpreis für die Ersatzversorgung der ehemaligen Discounterkunden bislang aber unverändert bleibe. Claudia Berger: „Also ist man in der Ersatzversorgung bei der ELE momentan gut aufgehoben und sollte bis zum Beginn des zweiten Quartals die zu erwartende Marktberuhigung noch abwarten.“ In Sachen Stromsperren, weil die Rechnungen nicht bezahlt werden können, erwartet die Energieberaterin, „dass das dicke Ende erst Mitte des Jahres kommt, da dann erst die Erhöhung der CO2-Steuer durch ist und sich in höheren Rechnungen für die Verbraucher niederschlagen wird“.
Wer Zahlungsschwierigkeiten habe, solle sich möglichst frühzeitig bei den Verbraucherschützern melden. Im Vorjahr gingen dazu 136 Anrufe im Regionalbüro ein. „85 Prozent waren von einer unmittelbar bevorstehenden Stromsperre am Folgetag bedroht“, so Claudia Berger. So kurzfristig sei es schwer, die Abschaltung noch zu stoppen. Frühzeitig zu reagieren, habe aber gute Aussicht auf Erfolg. „In den meisten Fällen gibt es eine Lösung, auch wenn der Betroffene schon lange Schulden bei der ELE hat.“