Gladbeck. Diese Gerichtsverhandlung in Gladbeck war voller Widersprüche. Im Raum stand die Anklage wegen räuberischer Erpressung und Handels mit BTM.

In dieser Gerichtsverhandlung herrschte am Ende der langen Beweisaufnahme mehr Verwirrung als Klarheit. Angeklagt war der 28-jährige R. wegen gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln und wegen räuberischer Erpressung. Das Schöffengericht am Amtsgericht in Gladbeck verurteilte den Mann schließlich.

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Der Staatsanwalt wollte den Angeklagten für zweieinhalb Jahre hinter Gittern sehen, der Verteidiger beantragte Freispruch. Die Staatsanwaltschaft warf R. vor, in 25 Fällen einem Bekannten Marihuana verkauft zu haben. Schwerer noch wog der zweite Vorwurf: Der Bekannte, der 29 Jahre alte D., soll ihm beim letzten Deal 100 Euro gegeben haben, den „Stoff“ aber sollte er tags darauf von einem Dealer vor dem berüchtigten Hochhaus Steinstraße 72 bekommen.

Drohung: Ohne Zahl würde „ein Ohr abgeschnitten“

In dem Päckchen, das ihm dort ein Unbekannter aushändigte, habe D. allerdings kein Marihuana gefunden, sondern eine undefinierbare Substanz, die er weggeworfen habe. Wenig später habe R. per WhatsApp behauptet, es habe sich um Drogen im Wert von 11.500 Euro gehandelt. D. müsse ihm das Geld erstatten. Der 29-Jährige habe R. mehrmals einige hundert Euro ausgehändigt, insgesamt 6000 Euro. Als er mit der Ratenzahlung in Verzug geriet, habe R. zusätzlich 15.000 Euro verlangt, sonst würde er ihm ein Ohr abschneiden. D. vertraute sich seinem Vater an, und sie erstatteten Anzeige. In R.s Wohnung stellte die Polizei 42,27 Gramm Marihuana und 2400 Euro sicher.

Der Angeklagte wies alle Vorwürfe zurück. Das Betäubungsmittel in seiner Wohnung sei zum Eigenkonsum bestimmt gewesen, wegen unerträglicher Schmerzen in einer Schulter und in Absprache mit seinem Arzt. Die starken Schmerzmittel, die ihm der Mediziner vorordnet hatte, um die Zeit bis zur Operation zu überbrücken, hätten heftige Nebenwirkungen ausgelöst. Das Geld, das die Polizei bei ihm fand, habe er nicht als Dealer verdient, sondern von seiner Mutter bekommen, weil sein Krankengeld nicht ausreichte.

Wer hat „Stoff“ an wen verkauft? Am Amtsgericht in Gladbeck sollten die Vorgänge um den Angeklagten aufgedröselt werden.
Wer hat „Stoff“ an wen verkauft? Am Amtsgericht in Gladbeck sollten die Vorgänge um den Angeklagten aufgedröselt werden. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Er habe nie BTM verkauft. D. habe ihn im Mai 2020 gefragt, wo er „Stoff“ bekommen könne, und er habe ihm die Nummer eines Dealers gegeben, „die ich im Handy gespeichert hatte“. Er kenne den Namen des Mannes, bei dem er, wegen seiner Schmerzen einmal Marihuana gekauft habe, nicht. „Hatte ich unter X gespeichert.“ Was danach zwischen seinem Bekannten und dem Dealer passiert sei, wisse er nicht. Die Nachrichten mit den Geldforderungen und der Drohung habe er nicht geschrieben, sondern von dem Dealer bekommen und an D. weitergeleitet. „Ich wollte ihn warnen.“

Das Urteil

Den Vorwurf des gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln (BTM) in 25 Fällen sah das Gericht als nicht erwiesen an. Es sprach den Angeklagten in diesem Punkt frei.

Verurteilt wurde er wegen einfachen Handels in einem Fall und wegen räuberischer Erpressung. Zur Bewährung setzte das Gericht das Urteil aus, weil R. nicht vorbestraft war.

Und auch D. überraschte im Gerichtssaal mit einer völlig anderen Version als in seinen Befragungen bei der Polizei. Er habe das Geld zwar R. gegeben, der habe es aber dem Dealer weitergeben müssen. „Er stand selbst unter Druck.“ Ansonsten habe er nie Marihuana von R. gekauft. Da müsse ihn die Polizei falsch verstanden haben. R. beteuerte in seinem Schlusswort noch einmal seine Unschuld: „Ich bin ein guter Mensch, ich habe nichts, gar nichts getan.“ Überzeugen konnte er das Gericht damit nicht. Zu viele unbeantwortete Fragen, zu große Widersprüche, wenig plausible Erklärungen, keine Reue und hoher Schaden nannte der Vorsitzende Richter als Gründe für das Urteil.

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Das Schöffengericht am Amtsgericht verurteilte den 28-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit zweijähriger Bewährungszeit. Weder für den Angeklagten noch für den Zeugen ist die Sache damit erledigt. R. will Berufung einlegen, sagte er vor dem Gerichtsgebäude. Gegen D. kündigte der Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage an.

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