Gladbeck. Beim Thema Corona-Impfpflicht scheiden sich die Geister, auch in Gladbeck gibt es unterschiedliche Meinungen. Die WAZ hörte sich in der City um.

Die aktuelle Bund-Länder-Runde hat die Frage nach der Impfpflicht am Freitag diskutiert, ist aber zu keinem Ergebnis gekommen. Ab Ende Januar soll der Bundestag das Für und Wider einer verpflichtenden Impfung diskutieren und womöglich einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringen. Auch in der Gesellschaft wird kräftig debattiert, ob eine Impfpflicht sinnvoll ist und wie das dann praktisch umgesetzt würde. Die WAZ hat die Stimmung einiger Gladbecker eingefangen.

Eine Corona-Impfpflicht ist seit Monaten Thema, viele sehen in ihr eine Maßnahme, die Pandemie zu beenden. In der Spitzenpolitik mehrten sich Ende des vergangenen Jahres die Stimmen, die eine Impfpflicht befürworten, eine Mehrheit der Deutschen ist laut ZDF-Politbarometer für eine verpflichtende Corona-Impfung, in vielen Städten wie zuletzt auch in Gladbeck gehen dagegen Impfgegner auf die Straßen. Die Lage bewegt die Bürgerinnen und Bürger, wie eine Befragung in der Fußgängerzone in Gladbeck zeigt: „Da bin ich 100 Prozent dafür. Unbedingt. Eine Pflicht hätte es von Anfang an geben sollen, damit hätten wir uns auch die eine oder andere Virusvariante sparen können“, ist sich Anke Her-mansson sicher.

„Eine Corona-Impfung schützt auch die Mitmenschen“

Anke Hermansson befürwortet die Schutzimpfung gegen Corona.
Anke Hermansson befürwortet die Schutzimpfung gegen Corona. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Eine Impfung gebe nicht nur Selbstschutz, sondern schütze auch die Mitmenschen. „Und selbst wenn ich mich anstecke, was ja noch möglich ist, habe ich aber einen milderen Verlauf. Warum manche sich trotzdem nicht impfen lassen wollen, kann ich nicht nachvollziehen. Das ist in meinen Augen unsolidarisch“, bewertet die 63-Jährige. Dass Ungeimpften durch Kontakt- und Zugangsbeschränkungen nun der Alltag erschwert wird, hält Hermansson für ein richtiges Mittel, um noch den ein oder anderen zur Impfung zu bewegen.

Cornelia Surma ist dafür, eine Impfpflicht gegen Corona einzuführen.
Cornelia Surma ist dafür, eine Impfpflicht gegen Corona einzuführen. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Etwas zurückhaltender, in der Sache aber ähnlicher Meinung ist Cornelia Surma. Eine Impfpflicht „sollte man einführen, um die Krise in den Griff zu bekommen. Anders geht es ja nicht“, findet Surma. „Die Impfung ermöglicht mir zu einem großen Teil Sicherheit, die keine der anderen Maßnahmen hat“, gibt die 53-Jährige zu bedenken. Dass eine Impfpflicht noch diejenigen aus der Reserve lockt, die bisher aus Bequemlichkeit ungeimpft sind, hält Surma für unwahrscheinlich: „Die die es wollen, sind schon geimpft, die die es nicht wollen, eben nicht.“

„Ich finde es schockierend, dass sich so wenige impfen lassen“

Kristine Reydt ist überrascht, dass so viele Menschen die Schutzimpfung ablehnen.
Kristine Reydt ist überrascht, dass so viele Menschen die Schutzimpfung ablehnen. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Entscheidung über Impfpflicht im Frühjahr

In der Debatte über eine Impfpflicht sind auch Ärzteverbände und Mitglieder des Ethikrats nicht einig. Politiker, die letztlich über eine Pflicht entscheiden, diskutieren ab Ende Januar zunächst in einer „Orientierungsdebatte“ im Bundestag.

Konkrete Gesetzentwürfe werden ab Mitte Februar diskutiert. Der Gesetzgebungsprozesses soll nach Wunsch von Bundeskanzler Scholz bis Ende März abgeschlossen sein. Der Bundesrat wird dazu aber wohl erst im April zusammenkommen.

Weil auch innerhalb der Parteien sehr unterschiedliche Meinungen vertreten sind, ist bei der Abstimmung im Bundestag der Fraktionszwang aufgehoben. Die Politiker können damit unabhängig von Parteibeschlüssen für oder gegen eine Impfpflicht stimmen.

„Mittlerweile habe ich da eine ambivalente Haltung“, fasst Kristine Reydt ihre Stimmung zusammen. „Als es noch keine Impfung gab, dachte ich, dass allein die Verfügbarkeit des Impfstoffes ausreichen würde und sich genug Menschen impfen lassen. Ich finde es schockierend, dass sich so wenige impfen lassen. Ich war auch überrascht, dass so viele diese ablehnende Haltung haben. Für meinen Arbeitsalltag fände ich eine Pflicht gut, weil ich vielen Menschen begegne. Aus praktischer Sicht frage ich mich aber auch, wie das umgesetzt und kontrolliert werden soll“, überlegt die Polizistin, die sich auch in der Schwangerschaft für eine Corona-Impfung entschieden hat.

„Als Liberaler kommt eine solche Pflicht für mich nicht in Frage“, betont dagegen Sebastian Steinzen. „Es liegt in der Eigenverantwortung, sich impfen oder nicht impfen zu lassen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man da eingreifen kann“, überlegt der 45-Jährige FDP-Politiker, der sich auch im Gladbecker Stadtparlament engagiert. „Ich rege mich auch über jeden auf, der sich nicht impfen lässt, bin aber froh, dass es keinen Zwang gibt. Die ganze Situation und auch die Debatte zerreißt die Gesellschaft weiter und dann ist es die Frage, ob eine Impfpflicht, das dann wieder kittet. Ich glaube das nicht“, resümiert Steinzen.