Gladbeck. Die Arbeit auf der Intensivstation ist gerade während Corona enorm belastend. Was eine Pflegerin dort erlebt hat und warum sie nun Kritik übt.

Es sah aus, als wollte sie eine Zehn-Kilo-Hantel hochheben, als sie das erste Mal wieder eine Zahnbürste in der Hand hielt – die 33-jährige Mutter von vier Kindern, die mit einer Corona-Infektion im Krankenhaus so hart um ihr Leben gekämpft hatte. Es sind Bilder wie diese, die Claudia Risthaus im Kopf behalten wird, wenn sie an ihre Zeit auf der Intensivstation im St. Barbara-Hospital in Gladbeck zurückdenkt. Jetzt hat die Krankenpflegerin die Station gewechselt. Und übt deutliche Kritik am Pflegenotstand.

Seit November arbeitet Risthaus nach elf Jahren auf der Intensivstation nun wieder auf der Stroke Unit, der Einheit für Schlaganfallpatienten. Dass sie die Intensivstation verlassen wollte, hatte nichts mit der Corona-Pandemie zu tun. „Ich habe im Laufe meines Berufslebens schon häufiger die Stationen gewechselt. Ich komme aus der Neurologie, und wollte gerne dorthin zurück.“ Dass sie die Intensivstation erst einige Wochen später als eigentlich geplant verlassen konnte, hat aber doch etwas mit der Pandemie zu tun. „Ich wollte die Kollegen während der Hochphase mitten in der vierten Welle nicht alleine lassen“, sagt die 44-Jährige.

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Krankenpflegerin kritisiert den großen Mangel an Personal

Trotz des immensen Pensums arbeitet Claudia Risthaus immer noch in ihrem Traumberuf. „Er ist so vielfältig.“ Eigentlich. Denn zuletzt sei ihr Job sehr einseitig gewesen. Und auch psychisch eine große Herausforderung. „Viele Patienten haben den Kampf gegen Corona verloren. Das zu begleiten, ist schon belastend.“ Dass in den vergangenen Monaten so viele Pflegekräfte aufgrund der hohen Belastung Intensivstationen verlassen haben, kann sie nachvollziehen. „Auf dem Niveau ist die Arbeit nicht lange durchzustehen. Und der Pflegekraftmangel ist so gravierend.“

Auf den Intensivstationen der Krankenhäuser arbeitet das Personal hart – besonders während der Corona-Pandemie.
Auf den Intensivstationen der Krankenhäuser arbeitet das Personal hart – besonders während der Corona-Pandemie. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Sie weiß, dass auch ihr Arbeitgeber händeringend neues Personal sucht. „Die fehlenden Mitarbeiter haben den Job extrem hart werden lassen.“ Wenn man seinem Beruf zu hundert Prozent gerecht werden wolle, sei die derzeitige Situation nicht leicht. „Wir haben aber schon vor Corona absolut am Limit gearbeitet und Alarm geschlagen.“ Was jetzt benötigt werde, sei ein Abrechnungssystem für Krankenhäuser, das die Pflege finanzierbar mache. „Wenn man sowieso am Abgrund steht, und dann kommt noch Corona, dann fällt man schnell herunter.“

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Claudia Risthaus muss ihre Kraft einteilen – das Bügeln hat sich daher schon längst eingestellt

Auch sie selbst hat erlebt, wie die Arbeit zuletzt an ihren Kräften zehrte. „In der vergangenen Zeit habe ich oft über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus gearbeitet.“ Auch ihr Privatleben hat sie daraufhin umgestellt. „Vor zwei Jahren habe ich aufgehört zu bügeln.“ Sie habe geschaut, welche Aufgaben müssen unbedingt erledigt werden, welche können auch hinten rüber fallen. Das Bügeln zählte sie zu Letzterem. „Man muss mit seinen Kräften haushalten.“ Und Claudia Risthaus weiß: „Auf der Intensivstation arbeiten auch Kollegen, die sind um die 60. Welche Leistungen die aus ihrem Körper holen, ist Wahnsinn.“

„Impfen hilft, Impfen schützt“

Krankenpflegerin Claudia Risthaus weiß aus Erfahrung: Menschen mit Impfdurchbrüchen landen sehr selten auf der Intensivstation. „Impfen hilft, Impfen schützt“, so die Krankenpflegerin. Viele fühlten sich durch die Impfung jedoch, als seien sie immun.

Sie kann verstehen, dass jeder gerne sein normales Leben zurückhaben möchte, auch sie. „Ich träume seit zwei Jahren davon, endlich wieder Schützenfest feiern zu können“, so die 44-Jährige.

Risthaus selbst bezeichnet sich als sportlich und belastbar. „Aber auch ich habe gemerkt, dass ich in der Corona-Zeit an meine Grenzen komme“, so die 44-Jährige. Statt sich nach Feierabend sportlich auszupowern, brauche sie nun verstärkt die Kraft, um ihren Akku wieder aufzuladen.

Eine FFP2-Maske dient auf der Intensivstation als Pausenmaske

Auch wenn der Job auf der Stroke Unit zwar „kein vollkommen entspanntes Arbeiten sei“, sei es natürlich anders als auf der Intensivstation. „Ich muss nicht mehr die volle Schutzkleidung tragen, komme nicht mehr komplett erschöpft nach Hause. Die FFP2-Maske war auf Intensiv meine Pausenmaske, denn die Kollegen dort arbeiten mit einer dichteren FFP3-Maske, das ist beim Atmen noch anstrengender.“

Nach der dritten, dann der vierten und nun der drohenden Omikron-Welle weiß die Krankenpflegerin: „Die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie weicht der Einsicht, dass wir mit dem Virus leben müssen.“ Es werde immer Corona-Infizierte geben, „aber nicht in der großen Zahl wie aktuell“.