Gladbeck. So viele Kinder wie nie zuvor stehen in Gladbeck auf der Kitaplatz-Warteliste. Stadtverwaltung will neue Wege gehen, um den Bedarf auszugleichen.

Das Wort „Fünfjahresplan“ mag an die totalitäre Planwirtschaft einstiger Ostblock-Staaten erinnern. In Gladbeck ist dies in Sachen fehlender Kindergartenplätze aber ein ausdrückliches Instrument der Demokratie. Denn damit löse die Stadtverwaltung ihr Versprechen gegenüber der Lokalpolitik ein, neben der üblichen Präsentation der Bedarfsplanung im März, fortan „auch jeden September die Langzeitplanung vorzulegen, wie wir die Platzabdeckung hinbekommen wollen“, so Erster Beigeordneter Rainer Weichelt. Denn die Lage ist weiterhin deutlich angespannt: 398 Kinder standen zum Start ins neue Kitajahr im August 2021 auf der Warteliste für einen Kita-Platz in Gladbeck.

+++ Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus Gladbeck. +++

Das sind so viele Kinder wie nie zuvor – trotz der weiterhin andauernden Ausbauoffensive der vergangenen Jahre. Denn statt zunächst erwarteter zurückgehender Geburtenrate und sinkender Kinderzahl, steigt die Menge der jungen Gladbecker bekanntlich seit Flüchtlingsbewegung und EU-Binnenwanderung 2015/16 auch mit höherer Geburtenrate wieder konstant an. Wohl mit solcher Dynamik, dass zwischen der Vorhersage der Landesstatistik und der tatsächlichen Anzahl der 0- bis Fünfjährigen eine große Diskrepanz bestehe. „Für 2021 haben wir 242 Kinder mehr als von IT NRW vorausgesagt, das bedeutet umgerechnet in Betreuungsplätze, dass sechs Kitas fehlen“, machte es Weichelt drastisch deutlich.

Öffentlichkeit und Politik frühzeitig in Diskussion mitnehmen

Blick auf die neue Modul-Kita für Kinder ab drei Jahren an der Berliner Straße (oben) in Gladbeck. Auf dem Sportplatzgelände ist noch genügend Platz, um eine reine U3-Kita zu bauen.
Blick auf die neue Modul-Kita für Kinder ab drei Jahren an der Berliner Straße (oben) in Gladbeck. Auf dem Sportplatzgelände ist noch genügend Platz, um eine reine U3-Kita zu bauen. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Auch in den kommenden Jahren geht die Verwaltung von gleichbleibend hohen Kinderzahlen von durchschnittlich 788 Jungen und Mädchen pro Jahrgang aus. Mit dem Fünfjahresplan stelle die Verwaltung ihre Überlegungen und gegebenenfalls auch schon konkrete Vorhaben vor, wo und in welcher Form neue Kindergärten entstehen sollen, so Weichelt. „Um die Öffentlichkeit und Politik frühzeitig in die Diskussion mitzunehmen“, bevor der Bedarfsplan festgezurrt würde. Die Debatte wurde dann auch sofort angeregt im aktuellen Jugendhilfeausschuss geführt, denn neben den neun präsentierten Ausbaumaßnahmen, die mit anvisierter Fertigstellung von 2023 bis 2026 genau 585 zusätzliche Kitaplätze bringen sollen, hat die Stadt die Idee, einen neuen Weg zu gehen, um mehr Plätze für unter Dreijährige zu schaffen.

Kita in der Herz-Jesu Kirche

Die Idee, das Gebäude der Herz-Jesu-Kirche in Zweckel, die absehbar nicht mehr kirchlich genutzt werden soll, für eine Kita zu nutzen, scheint sich zu konkretisieren. Gespräche dazu laufen mit dem Kita-Zweckverband des Bistums als Träger für vier Gruppen (75 Plätze), mit möglicher Eröffnung 2026. Auch in der Stadtmitte soll bis 2023/24 eine neue Kita mit vier Gruppen entstehen, wo genau mit welchem Investor und Träger ist unklar. Gleiches gilt für eine Vier-Gruppen-Kita in Brauck (fertig 2023/24).

Konkret sind bereits die Baupläne für die Kita an der Breukerstraße (Investor GWG, Träger Falken, Fertigstellung 2023). Sicher sind auch die Kita-Erweiterung von Heilig-Kreuz in Butendorf durch die Stadt (Träger Kita-Zweckverband, 2023) sowie der Kita-Ersatzbau an der Lukasstraße für fünf Gruppen (Investor Diak. Werk, Träger Ev.-Luth. Kirchengemeinde, 2023) und die Kita-Erweiterung der Kleine-Welt-Kita in Rentfort-Nord (zwei Gruppen, Träger Ev.-Luth. Kirchengemeinde, 2024).

Denn da ist die Schere zwischen Rechtsanspruch und vorhandenen Plätzen deutlich größer als bei den Plätzen für Kinder ab drei Jahren. Bei letzteren liegt die Versorgungsquote mit 92,4 Prozent (2241 Plätze) aktuell recht nahe an der realistischen Bedarfsnachfrage von 98 Prozent der berechtigten Kinder. Bei den Jüngeren wird selbst bei erwartetem Bedarf von 40 Prozent der Berechtigten derweil nur eine Versorgungsquote von 27,9 Prozent (663 Plätze) erreicht. Um da voranzukommen, ist der Standort der neuen Modul-Kita an der Berliner Straße im Fokus. Denn auf dem großzügigen Sportplatz-Areal ist genügend Freifläche, um in direkter Nachbarschaft eine reine U3-Kita mit vier bis fünf Gruppen (40/ 50 Plätze) errichten zu können.

Das Wohl der Kinder bei den Plänen im Blick behalten

Auch in neuen, geplanten Wohnquartieren - wie hier zwischen Schul- und Schlägesltraße in Zweckel - sollen Kitas sofort mit realisiert werden.
Auch in neuen, geplanten Wohnquartieren - wie hier zwischen Schul- und Schlägesltraße in Zweckel - sollen Kitas sofort mit realisiert werden. © funkegrafik nrw | Marc Büttner

Kita-Leiter und CDU-Ratsherr Michael Wichert mahnte, dass man zugunsten der Zahlen nicht die pädagogische Seite außer Acht und das Wohl der Kinder im Blick behalten müsse. Denn die könnten dann ja nicht bis zum Schulwechsel in ihrer Kita bleiben, sondern müssten mit drei Jahren die Einrichtung verlassen. Michael Freudiger, städtischer Abteilungsleiter Frühe Bildung und Betreuung, informierte, dass die neue U3-Kita in direkter Nachbarschaft zur bestehenden Ü3-Kita entstehen könnte, eventuell mit gemeinsamer Spielfläche, so dass die Einrichtungen den Kindern bekannt seien „und ein Wechsel ohne großen Bruch möglich ist“.

Im vorgestellten Fünfjahresplan wurde auch deutlich, dass Kita-Neubauten im Zuge geplanter Siedlungsbaugebiete direkt mit berücksichtigt werden sollen. Zum Beispiel eine Drei-Gruppen-Kita (55 Plätze) bis 2023/24 auf der Planfläche am Bramsfeld neben der Ditib-Moschee; oder eine viergruppige Einrichtung in Zweckel an der Schulstraße (bis 2024), wo gegenüber der Hermannschule ein neues Wohnquartier entstehen wird. Der Ausschuss stimmte der Ausbauplanung einstimmig zu.