Gladbeck. Immer wieder soll ein Gladbecker seine Lebensgefährtin attackiert habe. Beide sind schwer alkoholkrank - was eine große Rolle im Prozess spielte.

Die Liste der angeklagten Straftaten war lang: gefährliche und einfache Körperverletzungen in etlichen Fällen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Trunkenheit im Straßenverkehr, Bedrohung, Beleidigung. Am Ende stand ein mildes Urteil: sechs Monate Haft und ein zweimonatiger Entzug der Fahrerlaubnis. Nach dem ersten Verhandlungstag war das nicht zu erwarten.

Am zweiten Verhandlungstag lag das Opfer im Krankenhaus – mit fast vier Promille Alkohol im Blut

Immer wieder, so die Anklage, habe der 37-Jährige seine Partnerin geschlagen, getreten, geboxt, mit Tierabwehrspray traktiert, angespuckt und bedroht. Fast 30 Mal wurde die Polizei deshalb zwischen Juni und Oktober 2020 zu einem Hochhaus in Rentfort-Nord gerufen (WAZ berichtete). Die 33-jährige, jetzt Ex-Partnerin des Mannes, war am ersten Verhandlungstag der Ladung als Zeugin nicht gefolgt. Beim Fortsetzungstermin legte sie eine ärztliche Bescheinigung vor. Sie war im Krankenhaus, hatte fast 4 Promille Alkohol im Blut.

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Alkohol war offenkundig das Hauptproblem in der Beziehung. Beide sind extrem alkoholabhängig. Das bescheinigte dem Angeklagten ein Psychiater als Gutachter, der 33-Jährigen ihre Mutter als Zeugin. „Sie war wegen ihrer Alkoholsucht mehrfach in einer Klinik, wo auch eine psychische Erkrankung festgestellt worden ist.“ Und betrunken sei sie „extrem aggressiv und provokant“. Die 33-Jährige wiederholte als Zeugin einige ihrer Vorwürfe, allerdings in abgemilderter Form. Geboxt habe ihr Expartner sie nicht, wohl aber mit der flachen Hand geschlagen, ihr mit einem Tritt gegen das linke Bein das Sprunggelenk gebrochen und sie im Nordpark in den Teich geschupst. An etliche Vorfälle habe sie keine Erinnerung.

Gutachter attestiert dem Angeklagten Erinnerungslücken

Erinnerungslücken attestierte der Gutachter auch dem Angeklagten. Er sei nach seiner Auffassung vermindert schuldfähig bzw. sogar schuldunfähig. Weil der Mann keine sozialen Bindungen und keinen Job habe, mittlerweile auch obdachlos sei, befürchte er einen Rückfall in die Alkoholsucht nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft. Der Gutachter empfahl deshalb die Einweisung in eine forensische Klinik. Die Staatsanwältin beantragte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, und sie griff den Vorschlag des Gutachters auf. Nach Paragraf 64 des Strafgesetzbuches kann ein verurteilter Straftäter die Haftzeit für eine stationäre Therapie nutzen, der Rest der Strafe kann anschließend zur Bewährung ausgesetzt werden.

Freispruch von fast allen Vorwürfen gefordert

Zur Gesamtstrafe stellte der Verteidiger keinen konkreten Antrag. Weil er die Hauptbelastungszeugin aber für unglaubwürdig hält, forderte er Freispruch von fast allen Vorwürfen der Körperverletzung. Nur der Vorfall im Nordpark, den Zeugen beobachtet hatten, sei nachzuweisen, dazu der Widerstand gegen Polizeibeamte und eine Trunkenheitsfahrt mit dem Rad, bei dem sein Mandant ein Auto beschädigt hatte.

So sah es auch das Schöffengericht. „Für das Gros der vorgeworfenen Taten gibt es keine Zeugen, sie sind deshalb nicht zu beweisen“, sagte der Vorsitzender Richter Markus Bley. Weil der 37-Jährige seit etwa einem halben Jahr in Untersuchungshaft sitzt, hat er die jetzt verhängte sechsmonatige Freiheitsstrafe quasi schon hinter sich.

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