Gladbeck. Ab September stehen in Seniorenheimen Drittimpfungen gegen Corona an. Doch in den Einrichtungen herrscht nun Verwirrung. Das ist der Grund.

Dass die Drittimpfung – zunächst für Senioren, Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Immungeschwächte – kommen wird, das ist klar. Doch darüber, auf welche Weise die Auffrischung des Impfschutzes gegen das Coronavirus umgesetzt werden soll, gibt es in Gladbeck Verwirrung. Darum geht es.

In der vergangenen Woche veröffentlichte die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe ein Schreiben, in dem sie mitteilte, dass nicht mehr mobile Impfteams, sondern nun die „betreuenden niedergelassenen“ Ärzte und Ärztinnen die Spritze in den Seniorenheimen geben sollen. Für Caritas-Chef Rainer Knubben ist dieses Vorgehen keine optimale Lösung. Er sieht einen großen organisatorischen Aufwand darin, wenn jeder Hausarzt zum jeweiligen Bewohner in die Einrichtung gehen muss. Einzelne Terminvergaben wären nötig, einzelne Dokumentationen bei jeder Impfung.

Oft viele verschiedene Hausärzte für die Pflegeheim-Bewohner

„Die meisten Einrichtungen haben einen festen Pflegeheim-Arzt. Mit ihm ist abzustimmen, welcher Bewohner geimpft werden soll. Wenn ein Bewohner einen anderen Hausarzt hat, kann man das auch mit ihm abstimmen. Das wird von Haus zu Haus unterschiedlich sein“, so Vanessa Pudlo, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, auf Nachfrage.

344.205 Menschen vollständig geimpft

Menschen über 80 Jahren waren die ersten, die zu Beginn des Jahres gegen das Coronavirus geimpft wurden. Demnach steht für diese Gruppe nun ab September eine Drittimpfung an. Mit der Auffrischung sollen Risikogruppen geschützt werden.

Im Kreis Recklinghausen sind bislang (Stand Freitag) 344.205 Menschen vollständig geimpft. 36.199 haben eine Impfung erhalten. Diese Daten sind allerdings nur bedingt aussagekräftig, denn: Die Zahlen beziehen sich auf die im Impfzentrum, von mobilen Teams und in Praxen durchgeführten Immunisierungen. Die Impfungen von Betriebs- oder Privatärzten sind in diesen Zahlen nicht enthalten.

Genau da sieht Knubben das Problem: „Wer in eine Pflegeeinrichtung zieht, nimmt seinen Hausarzt mit. Wer kennt einen Patienten besser, als der eigene Hausarzt!?“ Daher gebe es oft „eine bunte Mischung an Hausärzten“ in den Seniorenheimen. Das würde bedeuten, dass Bewohner an ganz unterschiedlichen Tagen von den einzelnen Medizinern immunisiert werden – und nicht, wie bei der ersten Aktion zu Beginn des Jahres, von einem mobilen Team. Wenn es aber zu weiteren Auffrischungen, also irgendwann zu einer vierten oder fünften Impfung kommen wird, wovon Knubben ausgeht, könnten sich die Einrichtungen nicht an einem einheitlichen Datum der Drittimpfung für die nötigen Abstände zwischen den Impfungen orientieren.

Hausarzt liest das Schreiben der KVWL etwas anders

Andrea Küdde, stellvertretende Einrichtungsleiterin im Eduard-Michelis-Haus, hält das geplante Vorgehen ebenso für „eine große Herausforderung“. Wie es genau umgesetzt werden solle, sei noch unklar. Auch untereinander sind die Einrichtungsleitungen in Gladbeck dazu im Gespräch. Knubben und Küdde sind sich einig, dass es deutlich besser wäre, wenn es wieder ein mobiles Impfteam für die Einrichtungen geben werde. „Das wäre das Vernünftigste“, findet der Caritas-Chef.

Caritas-Chef Rainer Knubben wartet nun stündlich auf weitere Informationen zum genauen Ablauf der dritten Impfungen gegen Corona in den Senioren- und Pflegeeinrichtungen.
Caritas-Chef Rainer Knubben wartet nun stündlich auf weitere Informationen zum genauen Ablauf der dritten Impfungen gegen Corona in den Senioren- und Pflegeeinrichtungen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Auch Hausarzt Dr. Gregor Nagel, Sprecher des Gladbecker Ärztenetzes, hält es für sinnvoll, dass ein Team durch die Einrichtungen zieht, und impft. Dass das aber nur der jeweilige Hausarzt sein soll, liest Nagel aus dem Schreiben der KVWL nicht heraus. „Es ist missverständlich formuliert. Wie genau es laufen soll, ist jetzt noch in Klärung.“

Die Bereitschaft der Ärzte ist groß

Wie Rainer Knubben erfuhr, war das Schreiben der KVWL voreilig verschickt worden, ohne eine Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium in Düsseldorf. Nun müsse auf ein abgestimmtes Verfahren gewartet werden. „Ich warte stündlich auf neue Informationen aus dem Ministerium.“

Die Auffrischungsimpfung sei auch darum nötig, da in den Seniorenheimen viele Menschen ein- und ausgehen – Mitarbeiter, Besucher, Lieferanten, Therapeuten. Gregor Nagel ist sich indes sicher: „Die nächste Impfwelle kommt.“ In den Praxen selbst, bei Hausbesuchen und auch in den Pflegeeinrichtungen werden die Mediziner ab September wieder die Spritzen setzen. „Es gibt eine große Bereitschaft der Ärzte, dabei zu unterstützen“, freut sich auch Rainer Knubben.