Gladbeck. Die Corona-Check-Umfrage zeigt, dass die Pandemie Gladbecker beunruhigt und belastet. Therapeuten für Psychotherapie erleben einen Ansturm.
Vor einer drohenden Gefahr Angst zu haben, „sie zu erkennen und zu vermeiden, das ist etwas ganz normales“, sagt Dr. Michael Jost, Heilpraktiker für Psychotherapie in Gladbeck. „Das hat dem Menschen als Urinstinkt geholfen, etwa vor gefährlichen wilden Tieren zu flüchten und so zu überleben.“ Problematisch werde es, „wenn die Ängste zur Störung werden, diese Phobien den Menschen krank machen und sein Leben massiv beeinträchtigen.“ Die Corona-Pandemie habe diffuse Ängste bei vielen Menschen in Gladbeck verstärkt, so der Experte: „Wir Therapeuten erleben einen Boom und auch mein Telefon steht nicht mehr still.“
Dass die Corona-Krise viele Gladbecker persönlich belastet, spiegelt auch die Corona-Check Umfrage der WAZ wider. Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (sehr stark) gaben die Gladbecker insgesamt ihre Belastung mit 3,4 an. Demnach ist der Großteil der Befragten eher beunruhigt. Ähnlich sieht es bei der persönlichen Einschätzung einer direkten Gesundheitsgefahr durch das Corona-Virus aus, hier ergibt sich ein Ergebnis von 3,0. Die Sorge einer latenten Infektionsgefahr schwingt so zurzeit im Leben vieler Gladbecker mit. Diese Sorge könne sich gerade bei Menschen mit einer Neigung zur Phobie oder bei einer bereits bestehender Angststörung mit deutlichen Folgen auswirken, sagt Jost, was sich bei ihm aktuell im deutlich angestiegenen Therapiebedarf widerspiegele.
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Angststörungen sind in Deutschland weit verbreitet
Was erstaunen mag, dass Angststörungen durchaus eine Volkskrankheit sind. Denn laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) entgleist bei rund 15 Prozent der Bevölkerung die Reaktion und wird krankhaft. Deutschlandweit sind es also gut zwölf Millionen und bei rund 78.000 Gladbeckern stadtweit statistisch etwa 11.700 Betroffene. Angststörungen gehörten in Deutschland noch vor den Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Trotzdem würden sie „in knapp der Hälfte der Fälle nicht erkannt und leitliniengerecht behandelt“, kritisiert die DGPPN. Als Folge drohten die chronische Erkrankung und Begleiterkrankung wie psychosomatische körperliche Beschwerden (Herzrasen, Schmerzen, Erstickungsgefühl, Todesangst) Depressionen oder Sucht.
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„Eine häufig bekannte Phobie ist zum Beispiel die Angst vor Spinnen“, erzählt Michael Jost. Sie kann zu Panikstörungen führen, eine der häufigsten Angsterkrankungen. Die davon betroffenen Patienten haben zudem häufig eine Agoraphobie und empfinden es als bedrohlich, wenn sie sich in Menschenmengen, engen Räumen oder Fahrstühlen aufhalten. Die Angst könne sich soweit steigern, „dass sich Betroffene aus dem sozialen Leben völlig zurückziehen und sich in ihren eigenen vier Wänden geradezu einigeln“. Als Therapie könne man versuchen, „den Klienten mit seinen Ängsten behutsam zu konfrontieren, um zu zeigen, dass sie keine direkte Gefahr bedeuten“, erklärt Jost. Eine solche Expositionstherapie bedeute bei Spinnen-Phobikern etwa, dass man ihnen ein Tier im Glas zeigt, dass immer näher herangerückt und im deutlichen Erfolgsfall später sogar berührt werden kann.
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Auch in Gladbeck gibt es Patienten mit Todespanik vor dem Virus
Die vermeintliche Gefahr sei dabei seh- und greifbar, so der Therapeut. Anders verhalte es sich bei Ängsten vor dem Corona-Virus, „denn das kann man ja nicht sehen, riechen oder fühlen“, was die Therapie nicht erleichtere. Michael Jost berichtet von einer Gladbecker Patientin, die ihre Ängste und Todespanik in im Sinne des Wortes ganz kleinen Schritten überwinden musste. „Sie konnte aus Panik vor einer Ansteckung ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Jede einzelne Treppenstufe bis hinab zur Haustür zu bewältigen, seien kleine Zwischenerfolge im Rahmen der Therapie gewesen. Unterstützt von Hypnosesitzungen als Entspannungs- und Kraftquelle, so Jost. Mit dem Ziel, zu vermitteln, „dass die Infektionsgefahr mit Schutzmaßnahmen minimiert werden kann und eine Teilnahme am normalen Leben außerhalb der Wohnung mit einer beherrschbaren Gefahr möglich ist“.
Betroffene leiden auch körperlich
Bei den Angststörungen wird grob zwischen zwei Formen unterschieden. Zunächst die diffusen, unspezifischen Ängste, die spontan und zufällig auftreten und keine Situation oder Objekte als Auslöser haben. Zum anderen die Phobien (altgriechisch für Flucht, Furcht oder Schrecken), die auf konkrete auslösende Dinge oder Situationen ausgerichtet sind (z.B. Platzmangel, Lebewesen).
Von einer krankhaften Angst wird gesprochen, wenn die Reaktion unangemessen erfolgt, also ohne wirklicher Bedrohung. Betroffene sind nicht fähig, die Angstzustände selbst zu kontrollieren oder auszuhalten. Der Zustand kann über Monate anhalten (generalisierte Angststörung), oder sich als abrupte Attacke (Panikstörung) äußern.
Menschen mit Angststörungen erkennen oder empfinden selber oft gar nicht die Angst als den hervorstechenden Auslöser ihres Leidens. Stattdessen werden häufig körperliche Symptome als Problem zuerst genannt, etwa Schwindel, Herzrasen, Zittern, verminderte Belastbarkeit oder auch Magen-Darm-Beschwerden.