Gladbeck. Zu wenig junge Mediziner wollen eine Arztpraxis eröffnen. Zurzeit ist die Situation in Gladbeck noch gut. Doch etwas könnte zum Problem werden.
Wer heute Medizin studiert, der verfolgt nicht unbedingt den Plan, sich als Hausarzt niederzulassen. Die hausärztliche Versorgung kann in den kommenden Jahren zu einem großen Problem werden. Das gilt vor allem für den ländlichen Raum. Doch auch in den Städten sind perspektivisch Engpässe nicht unwahrscheinlich. Die für die kassenärztliche Versorgung zuständige Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) mit Sitz in Dortmund spricht in diesem Zusammenhang von einer großen Herausforderung. So sieht die Situation in Gladbeck aus.
Die Bedarfsplanung ist das entscheidende Instrument zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung
Fakt ist, noch immer entscheiden sich zu wenig junge Mediziner für die Allgemeinmedizin und für eine Niederlassung. Das bestätigt auch Vanessa Pudlo, Pressesprecherin bei der KVWL. Wie viele Ärzte und Psychotherapeuten für eine Stadt, einen Kreis oder eine Region benötigt werden, wird durch die sogenannte Bedarfsplanung festgelegt. Sie soll eine ausreichende flächendeckende Versorgung mit niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten gewährleisten sowie eine Fehlversorgung vermeiden, so Pudlo. „Die Bedarfsplanung ist das entscheidende Instrument zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung.“
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Stimmt die Relation von Arzt/Psychotherapeuten und Patienten in einer Region mit der gesetzlichen Vorgabe überein, so beträgt der Versorgungsgrad genau 100 Prozent. Ab einem Versorgungsgrad von 75 Prozent (Hausärzte) bzw. 50 Prozent (Fachärzte und Psychotherapeuten) gilt eine Region als unterversorgt. Eine Überversorgung wird in der Regel ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent ausgewiesen. Dort ist es dann nicht möglich, sich als Mediziner mit einer neuen Praxis niederzulassen. In Westfalen-Lippe wird im Bereich der hausärztlichen Versorgung aktuell bereits ab einem Versorgungsgrad von 100 Prozent eine Niederlassungssperre verhängt. Ziel ist es, auf diese Weise eine stärkere Steuerung des hausärztlichen Nachwuchses in diejenigen Planungsbereiche zu erzielen, deren Versorgungsgrade bereits jetzt unter 100 Prozent liegen und die vergleichsweise weniger gut mit Hausärzten versorgt sind.
Im Ruhrgebiet greift die Niederlassungssperre erst ab einem hausärztlichen Versorgungsgrad von 110 Prozent
In den Mittelbereichen im Ruhrgebiet gilt diese Regelung nicht. Hier greift die Niederlassungssperre erst ab einem hausärztlichen Versorgungsgrad von 110 Prozent. In Gladbeck, so Pudlo weiter, liegt der hausärztliche Versorgungsgrad aktuell bei 110,4 Prozent (Stand Mai 2021). Somit können sich hier im Moment keine weiteren Hausärzte niederlassen.
Die Nachwuchswerbung
Die KVWL ist bereits seit 2014 aktiv in der Nachwuchswerbung tätig, um eine Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung auch in Zukunft sicherstellen zu können.
Dazu zählt unter anderem auch die Nachwuchskampagne „Praxisstart“, die die ambulante Versorgung stärker in den Fokus von Klinikärzten, Weiterbildungsassistenten und Medizinstudierenden rücken soll. Weitere Informationen findet man im Internet unter www.praxisstart.info
Neben dem Versorgungsgrad ist aber auch die Altersstruktur der niedergelassenen Medizinerinnen und Mediziner vor Ort wichtig, um die Versorgungssituation in einem Planungsbereich einzuschätzen. In Gladbeck sind derzeit etwa 42 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre. Zum Vergleich: In Westfalen-Lippe insgesamt sind derzeit rund 40 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre. „Eine Prognose, wie viele Ärzte in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen werden, ist allerdings schwierig, da es keine Altersgrenze für Ärzte gibt“, erklärt die KVWL-Sprecherin.
Für junge Mediziner zählt auch, was die jeweilige Stadt oder Kommune zu bieten hat
Zugleich sind für junge Ärztinnen und Ärzte, die sich für eine Niederlassung interessieren, auch die sogenannten weichen Faktoren entscheidend wie Baugrundstücke, Kinderbetreuungsangebote oder Jobmöglichkeiten für den Partner oder die Partnerin. „Und da schneiden die Städte eigentlich immer besser ab als die ländlichen Region“, so Pudlo.
Noch überhaupt nicht absehbar ist allerdings, wie sich die Corona-Krise auf die Jobwahl von Medizinstudenten und jungen Medizinern auswirken wird. Sowohl die Krankenhäuser als auch die niedergelassenen Ärzte sind bei der Bekämpfung der Pandemie mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert worden. Pudlo: „Es engagieren sich momentan auch sehr viele junge Ärztinnen und Ärzte, beispielsweise in den Impfzentren.“ Natürlich könne man aber noch nicht sagen, inwieweit die Situation gerade die Nachwuchsärzte bei der Entscheidung beeinflusst, eine eigene Praxis aufzumachen.
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