Gladbeck. Auftaktveranstaltung für eine neues Diskussionsformat der Gladbecker Grünen. Windrad-Verantwortliche stellen sich kritischen Bürgerfragen.
Das trotz einiger Proteste und auch noch laufender Klage der Stadt Gladbeck im Aufbau befindliche Windrad auf der Mottbruchhalde war jetzt Thema einer Online-Diskussionsrunde, zu der die Gladbecker Grünen eingeladen hatten. Gut 30 Teilnehmer fanden sich via Videokonferenz ein, darunter klare Gegner des Windkraftstandortes, die die Veranstaltung etwa als Werbeplattform für die Anlagenbetreiber, die Steag-Tochter Gladbeck-Wind GmbH, kritisierten.
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Dass die Gladbecker Grünen die Windkraftanlage befürworten, ist indes kein Geheimnis. Moderatorin und Stadtverbandsvorsitzende Lisa Engineer betonte aber, nach Anwohnerkritik von Franz Kruse zur ausführlichen multimedialen Präsentation der Windradbetreiber zum Auftakt, dass es keine einseitige Veranstaltung sei und alle kritischen Frage gestellt werden könnten. Als Ansprechpartner hatten sich dazu Markus Laukamp (Geschäftsführer der Steag New Energies und Gladbeck-Wind GmbH), sein Prokurist und Projektleiter Jens Caron vom Mitgesellschafter RWE Power AG, sowie Daniel Mühlenfeld, Pressesprecher und Öffentlichkeitsarbeiter der Steag, eingefunden.
Auskunft zur Schallbelastung und zum Schattenwurf
Mit der Präsentation gab das in Sachen Bürgerdialog auch an anderen Orten erfahrene Trio (z.B. Windräder Halde Lohberg in Dinslaken, Halde Kohlenhuck in Moers oder Oberscholven in Gelsenkirchen) vorweg Antworten auf Fragen, die von besorgten Gladbecker Anwohnern und in der Politik bereits seit Bekanntwerden der Baupläne kritisch gestellt wurden. Konkret gab es Auskunft zur Schallbelastung und zum Schattenwurf, die beim Betrieb der gigantischen Anlage auf dem Haldenkopf zu erwarten sind, die allein bis zur obersten Flügelspitze 198 Meter in die Höhe misst.
Projektmanager Jens Caron unterstrich, dass das im Genehmigungsverfahren vorgeschriebene Schallgutachten belege, „dass die erwartete Schallbelastung auch zur Nachtzeit im Rahmen der gesetzlichen Grenzwerte für Wohnbebauung liegt“. Er präsentierte dazu eine Grafik, die den Radius der berechneten Ausbreitung der Schallbelastung aufzeigte, wonach im Anwohner-Bebauungsbereich nur noch zulässige Werte bis maximal 40 Dezibel zu erwarten seien. Kritik von Olaf Jung (Die Linke), dass der Tagesbetrieb, bei maximal hochgefahrener Anlage, doch bestimmt lauter sei, wies Caron zurück. Die Grafik zeige den Volllastbetrieb. Um eine Lautstärkevergleich zu haben, hielt Caron während seines Sprechens ein Messgerät vor seine Laptop-Kamera, das dabei Werte bis jenseits 60 Dezibel zeigte. Er verwies zudem auf den Straßenlärm der die Halde umgebenden Verkehrsachsen wie B224 oder A2, der mit Werten von 50 bis 65 Dezibel in anliegende Gladbecker Wohngebiete dringe.
Dokumentationspflicht gegenüber der Genehmigungsbehörde
Ein Anwohner der Holbeinstraße sorgte sich, inwieweit der Schattenwurf des Windrades zu Beeinträchtigungen auch für etwas weiter weg wohnende Halden-Anlieger führe. Caron beruhigte, dass auch dies im Rahmen des Genehmigungsverfahrens begutachtet wurde. Gesetzlich zulässig sei „eine maximale Beschattungsdauer von 30 Minuten pro Tag und 30 Stunden pro Jahr“. Um die Grenzwerte nicht zu überschreiten, seien im Windrad Lichtsensoren verbaut, die das Schattenverhältnis ermittelten und gegebenenfalls die Anlage abschalteten, um die Vorgaben einzuhalten. Dazu bestehe gegenüber der Genehmigungsbehörde auch eine Dokumentationspflicht.
Bürger F. Koch kritisierte, dass sich Stadt und ein Großteil der Ratsfraktionen gegen das umweltfreundliche Haldenwindrad ausgesprochen hätten, „obwohl wir den Klimanotstand für Gladbeck ausgerufen haben“. Ratsherr Olaf Jung bezog dazu Stellung. Hintergrund des Widerstandes auch anderer Fraktionen sei die Absicht, die Haldenlandschaft als Naherholungsgebiet für die Bürger zu entwickeln. Und der Windradbau habe bereits Fördermittel für die Umgestaltung der Mottbruchhalde als Naherholungsgebiet verhindert. „Sie ist dadurch aus dem Projekt ,Unsere Gärten’ für die Internationale Gartenschau (IGA 2027) herausgeflogen“, so der Politiker.
Keine große Sperrzone auf dem Haldenkopf
AfD-Vertreter war nicht erwünscht
Das Fraktionsmitglied der Gladbecker AfD, Christian Wederhake, wurde zur Onlinediskussionsrunde nicht zugelassen. Seine private Anmeldung sei nicht akzeptiert worden. An einem offenen demokratischen Austausch, „auch oppositionellen Meinungen, scheint den Grünen nicht gelegen zu sein“, kritisiert die AfD.
Die Ablehnung der Grünen im Wortlaut: „Da sie als Ratsherr der AfD Gladbeck einer politischen Partei zuzuordnen sind, der wir keine Plattform bei unserer Veranstaltung bieten möchten und mit der wir generell keine Gespräche führen, werden sie von uns keinen Zugangslink erhalten.“
Grünen-Ratsfrau Simone Steffens unterstrich, dass damit aber keineswegs das Halden-Naherholungsprojekt gefährdet sei: „IGA und der Regionalverband Ruhr als Haldeneigentümer haben aktuell bestätigt, dass die Mottbruchhalde auch mit Windrad entwickelt wird.“ Markus Laukamp versicherte dazu, dass es auch keine großen Sperrzonen auf dem Haldenkopf geben werde. Dieser bleibe bis auf unmittelbar an das Windradfundament angrenzende Bereiche zugängig. Auch Eisregen von den Flügeln bei entsprechend tiefen Temperaturen sei kein Sicherheitsproblem. „Ein Eisansatz wird durch Unwucht sensorisch erkannt, die Anlage abgestellt, und Plattenheizungen in den Flügeln lassen das Eis abtauen.“
- Die Vertreter der Gladbeck Wind-Energie teilen mit, dass die Strommühle auf der Mottbruchhalde im Herbst, spätestens im Winter dieses Jahres in Betrieb gehen soll. Eine Bauzeit von sechs Monaten sei veranschlagt. Zurzeit trockne das Betonfundament, daraufhin folge der Turmbau und die Installation der Generatorgondel in 131 Metern Höhe sowie der Windflügel.
- Die Windkraftanlage Typ Enercon E-138 EP3 soll bei einer mittleren Windgeschwindigkeit von 6,5 Metern/Sekunde pro Jahr rund 10.000 Megawattstunden Strom produzieren. Damit könne der Verbrauch von 3.500 Durchschnittshaushalten gedeckt werden. Die Betriebsdauer ist bei einer Investition von fünf Millionen Euro auf 25 Jahre ausgelegt. Die Stadt Gladbeck soll jährlich ca. 25.000 Euro Gewerbesteuer erhalten.