Gladbeck. Wo Schweine pfeifen, Ziegen moppern und Tauben an das Gute glauben: Gerd Herholz und René Schiering sind in einem Buch über das Revier vertreten.

Kurz vor Weihnachten ist ein Sammelband mit 32 Texten rund um das Ruhrgebiet, seine Menschen und Tiere erschienen. Zwei mit Gladbeck verbundene Autoren – René Schiering und Gerd Herholz – sind darin vertreten.

Der Sammelband ist im Bottroper Ruhrgebietsverlag Henselowsky Boschmann erschienen

Kennt jemand die Kessler-Grundel? Zumindest in den den meisten Angelvereinen des Reviers mögen bei dieser Frage viele Finger in die Höhe schnellen. Unter ihnen wäre sicher auch der von René Schiering (43). Neben 31 weiteren Autoren ist er mit seinem Text „Westwärts vom Schwarzen Meer nach Karnap“ im Sammelband des Bottroper Ruhrgebietsverlages Henselowsky Boschmann vertreten, in dem es um Tiergeschichten aus dem Ruhrgebiet geht: „Wo Schweine pfeifen, Ziegen moppern und Tauben an das Gute glauben“.

René Schiering lebt in Gelsenkirchen-Horst, ist aber eigentlich Gladbecker aus Überzeugung.
René Schiering lebt in Gelsenkirchen-Horst, ist aber eigentlich Gladbecker aus Überzeugung. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Schiering ist Gladbecker und das sehr gerne, auch wenn er – aufgrund äußerer Zwänge - mittlerweile kurz hinter der Stadtgrenze in Gelsenkirchen Horst lebt: „Ich würde gern in Gladbeck wohnen, aber hier habe ich direkt die U-Bahn vor der Tür, die mich in 20 Minuten zum Essener Hauptbahnhof bringt. Ab da steht mir quasi die Welt offen. Von Gladbeck aus ist die Fahrt ziemlich umständlich“, sagt Schiering. Der promovierte Sprachwissenschaftler ist oft unterwegs, arbeitet er doch mittlerweile als Drehbuchautor fürs Fernsehen. In Köln studiert, in Konstanz promoviert, erhielt er Lehraufträge an den Universitäten Leipzig und Münster. „Zwölf Jahre war ich weg, aber ich bleibe dem Revier treu“, sagt Schiering.

Nicht nur der Einstieg in den Text wirkt wie ein „Ruhrpott-Glaubensbekenntnis“

Und so wirkt nicht nur der Einstieg in seinen Text wie ein „Ruhrpott-Glaubensbekenntnis“, der Schluss bekräftigt dies eindringlich: „Vielleicht wäre es doch besser, wenn ich meine Angst überwinde und erkunde, was der Rhein (…) für einen wie mich bereithält … Aber ich will nicht weg aus meinem Revier. Ich fühle mich hier wohl und bleibe.“

Dazwischen liegt die Geschichte der Kessler-Grundel, in die sich der Leser langsam hineinschleicht, bis klar wird, dass es sich hier um eine Parabel auf die Themen Zuwanderung und die Angst vor dem Fremden handelt. René Schiering, selbst Angler aus Leidenschaft, kennt die aus Südosteuropa „zugeschwommene“ Grundel, schildert aus der Fischperspektive ihren beschwerlichen Weg gen Westen, die zunächst freundliche Aufnahme bis die Stimmung kippt: „Ich bin ein Tier des Ruhrgebiets (…) Aber wie lange kann das noch gutgehen? Was passiert mit mir, wenn den bösen Worten Taten folgen?“ Der Autor betrachtet in seinem Text den Melting Pot Ruhrgebiet wie durch ein Brennglas und hält dabei dem Leser den Spiegel vor.

Gerd Herholz ist ein Katzenfreund

Gerd Herholz (68) ist ein Katzenfreund, und so befasst sich sein Text „Sieben Leben“ mit ihrer oft unergründlichen und eleganten „Performance“. Aufgewachsen in Duisburg, lebt der Autor in Gelsenkirchen-Buer. Mit Gladbeck verbinden ihn die 31 Jahre als Leiter des Literaturbüros Ruhr, das seinen Sitz in Gladbeck hat. Er versuche gerade „als Autor Fuß zu fassen“, sagt Gerd Herholz, sei er doch Jahrzehnte mit dem Literaturbetrieb als solchem unterwegs gewesen und weniger als Literat. Ihn fasziniere an Katzen „das Sanfte, das Weibliche, die Anmut und die Eigenständigkeit. Katzen passen gut zu Autoren“, fügt er hinzu.

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Die sprichwörtlichen sieben Leben einer Katze – eine Überlieferung, die bis ins Mittelalter zurückreicht - hat Herholz als Kompositionskriterium, mal im Prosaformat, mal als Lyrik, in seinen Text übertragen, der in sieben Einzelstücke gegliedert ist. Als Qigong-Lehrer, der er ist, fühlt er sich den Katzen besonders verbunden: „Sie sind Vorbild in der Kampfkunst, weil sie so geschmeidig ausweichen können.“ Seine kurzen Texte mischen Autobiografisches mit Autofiktion.

Sein Vater wurde auch der „Zinkhütten-Cary-Grant“ genannt

Die Tiergeschichten

Autorinnen und Autoren des Verlages Henselowsky Boschmann lesen in einem alten Bottroper Möbellager. Es geht um ihre Bücher und das Ruhrgebiet – nicht nur literarisch. Ab sofort online. Infos: www.vonneruhr.de.

Henselowsky Boschmann (Hrsg.): „Wo Schweine pfeifen, Ziegen moppern und Tauben an das Gute glauben. Tiergeschichten aus dem Ruhrgebiet. 256 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-948566-02-9

Sehr liebevoll erinnert er an seinen Vater, den „Zinkhütten-Cary-Grant“, der „mehr als sieben Leben“ hatte, den er, der Sohn, eigentlich niemals habe richtig kennenlernen dürfen. Herholz erzählt vom Kater Pauli, mit dem er eine „Männer-WG“ führte und im siebten und letzten Teil unter der Überschrift: „Tags tun alle Kater rau (und sehnen sich nach Frau)“ vom „adipösen Pallaskater Schimmi“ – Assoziationen zum Duisburger Tatort-Milieu sind durchaus erwünscht. Zum guten Schluss - alles auf Anfang: „Die Zen-Lehrerin scherzt/dass selbst den größten Unsterblichen/der Tod doch ereile/Da betritt eine schwarz-weiße Katze das Zendō – pfotenweich, beherzt – und beharrt: Ich aber verweile.“