Gladbeck. Lappen, Handys, Fahrradteile… All das ist in schon in Klos in Gladbeck gelandet. Ein Blick in die Kanalisation anlässlich des Welt-Toilettentags.
Gedenktage gibt es so viele wie Tage im Jahreskalender. Zu den (vermeintlich) skurrilen gehört der Welt-Toilettentag am heutigen 19. November. Was kurios anmutet, hat allerdings einen durchaus ernsten Hintergrund: 40 Prozent der Weltbevölkerung haben keinen Zugang zu sauberen und hygienischen Sanitäranlagen. Das wollte die Generalversammlung der Vereinten Nationen ins Bewusstsein von Öffentlichkeit und Politik bringen, als sie im Jahr 2013 den 19. November einstimmig zum Welt-Toiletten-tag erklärte.
Plumpsklos und Etagen-Klosetts im Hausflur kennt nur noch die ältere Generation
Dieses Problem existiert in unserer zivilisierten Welt nicht. Im Gegenteil: Plumpsklos und Etagen-Klosetts im Hausflur kennt nur noch die ältere Generation. Toiletten mit Musik, Beleuchtung und Popodusche sind auf dem Vormarsch.
Keine Sorgen mit der Entsorgung also – könnte man meinen. Fachleute aus dem Ingenieuramt der Stadtverwaltung richten ihren professionellen Blick eher nicht auf Luxus-Sanitäranlagen, sondern auf das, was quasi „unten rauskommt“, also in der Kanalisation und letztlich in den Pumpwerken landet. Und das verursacht jede Menge Probleme. Den Welt-Toilettentag nutzen Frank Restemeyer, Abteilungsleiter Stadtentwässerung, und Katja Rengers, Abteilungsleiterin Unterhaltung der Entwässerungsanlagen, deshalb, um es auf den Punkt zu bringen: „Das Klo ist kein Müllschlucker.“
Unvorstellbar, was man alles im Entwässerungssystem von Gladbeck findet
„Was wir alles im Entwässerungssystem finden, ist unvorstellbar“, beklagt Frank Restemeyer . „In der Toilette werden nicht nur Windeln, Papiertaschentücher, Feuchttücher und andere Hygieneartikel entsorgt, was allein schon riesige Probleme verursacht, weil diese reißfesten Materialien nicht zersetzt werden, sondern sich zu langen Strängen verknoten , die Rohre und am Ende die Pumpen verstopfen“, ergänzt seine Kollegin. „Das kann zu Rückstaus und im schlimmsten Fall zu Überschwemmungen führen. Die Reinigung und Instandsetzung verschlingt eine Menge Geld, das wir über die Abwassergebühren alle bezahlen.“
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Auch Handtücher, Putzlappen, sogar Handys, Werkzeuge und Fahrradteile tauchen in den Entwässrungsrohren auf. „Und wenn wir all den Bauschutt sammeln würden, der dort gefunden wird, könnten wir ein komplettes Haus bauen – samt Anstrich, denn auch jede Menge Farbreste werden in der Toilette entsorgt“, beschreibt Frank Restemeyer sehr plastisch, was da alles durch die unterirdischen Rohre schwimmt. Oder eben nicht schwimmt: Farben, Lacke, Klebstoffe und Co. lagern sich an den Rohrwänden ab, lassen sich nur mit großem Aufwand mit Hilfe von Fräsrobotern entfernen.
Gegen Arzneimittel in der Kanalisation können Roboter nichts ausrichten
Gegen die Arzneimittel, die in der Kanalisation landen , können Roboter nichts ausrichten, und selbst die besten Filteranlagen schaffen es nicht, sie vollständig zu entfernen. Ein Riesenproblem, denn über die Kläranlagen gelangen diese Rückstände wieder in die Gewässer und irgendwann auch ins Trinkwasser. „Schon heute sind Antibiotikabelastungen messbar“, weiß Restemeyer.
Maschinelle Reinigung
99 Prozent der Gladbecker Haushalte sind an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen, wissen die Fachleute im Rathaus. Nur in sehr weit entfernt liegenden Außenbereichen werden vereinzelt Hauskläranlagen genutzt, weil die Kosten für einen Anschluss an die Kanalisation deutlich über 25.000 Euro lägen.
Die Kanalrohre werden schon seit Jahren nicht mehr per Hand, sondern maschinell gereinigt. Bei verstopften Pumpen allerdings müssen die Reinigungsteams doch noch Hand anlegen.
Wer sich über Gestank aus dem Abfluss wundert, kippt wahrscheinlich regelmäßig Essensreste ins Klo. „Küchenfette heften sich an die Rohrleitungen, und das verursacht diese Gerüche“, wissen die Experten, und Katja Rengers nennt noch einen triftigen Grund, warum die Überbleibsel vom Mittagstisch nicht in der Toilette landen sollten: „Damit deckt man den Ratten gewissermaßen den Tisch, und man sollte sich nicht wundern, wenn es im Abflussrohr verdächtig raschelt.“
Die Fachleute im Rathaus informieren auf ihrer Internetseite und in persönlichen Gesprächen über die Problematik, verteilen Flyer mit Infos in elf Sprachen und tragen das Thema spielerisch in Grundschulen. Gebracht hat all das bisher nicht viel. Frank Restemeyer scherzhaft: „Man müsste wohl an jeder Toilette ein Schild anbringen, auf dem steht, dass nur vier Dinge ins Klo gehören: Pipi, Kaka, Wasser und Toilettenpapier.“