Rund drei Millionen Euro investiert die Stadt jährlich, damit das System funktionstüchtig bleibt. Es geht auch um die Entlastung der Kläranlagen.

240 Kilometer lang ist das Kanalnetz in Gladbeck und wohl eine der wichtigsten Infrastrukturen der Stadt, die in hohem Maße zur Lebensqualität der Bevölkerung beiträgt.

Denn 120 Liter Trinkwasser verbraucht allein jeder Gladbecker im Schnitt pro Tag für Körperpflege, Toilette, Kochen und Sonstiges. Bei rund 78 000 Einwohnern jede Menge „Flüssiges“, von dem der Großteil als Abwasser in Richtung Kläranlage abgeleitet werden muss.

Hinzu kommen Abwässer aus Gewerbebetrieben, Landwirtschaft und der Niederschlag, der von Hausdächern, Straßen und weiteren versiegelten Flächen ebenfalls ins Mischwasser-Kanalnetz fließt. Damit das System funktionstüchtig bleibt, investiert die Stadt jährlich rund drei Millionen Euro, um alte Kanäle zu erneuern oder zu sanieren.

Die Kläranlagen müssen entlastet werden

Um die Kläranlagen zu entlasten, trennt die Stadt Gladbeck indes seit einigen Jahren, wo immer möglich, die Systeme, so dass schmutzige Abwässer und sauberes Regenwasser getrennt ablaufen.

An der Beisenstraße wird ein Entwässerungsgraben verrohrt und unterirdisch an die Boye angebunden.
An der Beisenstraße wird ein Entwässerungsgraben verrohrt und unterirdisch an die Boye angebunden. © Lutz von Staegmann

„Es ist ein allgemeiner Irrglaube, dass verdünntes Abwasser gut für die Kläranlage ist“, erklärt Frank Restemeyer, Abteilungsleiter Stadtentwässerung im Ingenieuramt. „Denn Kläranlagen arbeiten am besten, wenn wenige Schwankungen bei der Verschmutzung des Abwassers bestehen.“

Aktuell findet beispielsweise eine Entkopplung des alten Mischwasserkanals an der Beisenstraße statt. Über die schnurgerade, ab dem Autobahnanschluss Gladbeck-Ellinghorst über 400 Meter verlaufende offene Betonrinne wird das Mischwasser aus dem Gewerbegebiet Ellinghorst in Richtung Boye abgeleitet.

Die Rasenmulde soll bei Regen das Oberflächenwasser aufnehmen

Noch: „Die Rinne wird jetzt entfernt und das Mischwasser in einem Kanalrohr mit 1,20 Metern Durchmesser abgeleitet. Daneben wird zudem ein Drainagekanal (Durchmesser 30 Zentimeter) in den Boden gebracht, um das saubere Niederschlagswasser, das in diesem Senkungsbereich in den Bodenschichten abfließt, aufzufangen und in die Boye abzuleiten, die hier ebenfalls vom Schmutzwasser entkoppelt wurde und renaturiert wird“, erklärt Bauleiter Frank Droegenkamp vom Ingenieuramt.

Bauleiter Frank Droegenkamp.
Bauleiter Frank Droegenkamp. © Lutz von Staegmann

An der Oberfläche wird sich so künftig, statt müffelnder Betonrinne, eine bachlaufähnliche, naturnahe Rasenmulde dahin schlängeln, die bei Regen das Oberflächenwasser Richtung Boye aufnimmt.

Rund 1,4 Million Euro investiert die Stadt allein in diese Sanierungsmaßnahme, die Ende des Jahres abgeschlossen sein soll.

Die „Lebenszeit“ eines Kanals beträgt mindestens 67 Jahre

Das Ingenieuramt geht bei der „Lebenszeit“ eines Kanals generell von mindestens 67 Jahren aus. „Bei gravierenden Schäden erfolgt ein Austausch natürlich auch früher“, so Frank Restemeyer. Kanäle, die baulich keine Mängel haben, würden aber „nicht zwingend nach 67 Jahren ausgetauscht“. Als Ergebnis liegt ein bunter Generationenmix im Gladbecker Boden. Senior ist der Kanalabschnitt in der Goethe-straße von 1910, jüngster Spross ist der just fertig verlegte Kanal in der Schulte-Berge-Straße.

Bei der Entwässerung hat die Stadt gewisse Spielräume, darf aber nicht nach Gutdünken schalten und walten, denn eine Vielzahl von rechtlichen und technischen Vorgaben regeln die Entsorgung von Abwasser.

Frank Restemeyer: „Zwei Aufsichtsbehörden wachen darüber, dass die Vorgaben auch eingehalten werden. Die Untere Wasserbehörde des Kreises Recklinghausen kümmert sich um alles, was die Gewässer betrifft. Die Bezirksregierung in Münster wacht über alle Kanalbaumaßnahmen.“

>> NEUE SERIE „WASSER IN UNSERER STADT“

  • In der neuen Serie „Wasser in unserer Stadt“ widmet sich die WAZ dem wichtigen Thema der Wasserführung und Entwässerung. Ein Bereich, der im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung, mit häufigeren Starkregenfällen und auch mit dem wachsenden ökologischen Bewusstsein eine große Bedeutung auch für die Stadtplanung hat.
  • In Zusammenarbeit mit dem Ingenieuramt der Stadt stellt die Redaktion unterschiedliche Themen in rund zehn Serienteilen vor. Zum Beispiel den Umbau des Kanalnetzes vom Mischwasser- zum Trennsystem hier zum Auftakt der Serie; oder die moderne offene Wasserführung in neuen Siedlungen wie an der Marie-Curie-Straße.
  • Verraten wird auch, warum die Nachbarschaft der neuen Siedlung Am Roten Turm mit der Hauptwache der Feuerwehr eine besondere ist.
  • Zudem begleitet die Redaktion Vertreter der Stadtentwässerung zum Vortrag in einer Grundschule, in dem es um ganz spezielle „Mitbewohner“ geht: Ratten, die auch das Gladbecker Kanalnetz bevölkern.