Gladbeck. Seit Einführung des neuen Bußgeldkatalogs wurden in Gladbeck zehn Prozent mehr Knöllchen als sonst geschrieben. Tipp: mit der Zahlung warten.

Der verschärfte Bußgeldkatalog für den Straßenverkehr bringt insbesondere Autofahrer in Null-Komma-Nichts auf 180. Die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), die mittlerweile (vorläufig) gestoppt ist, ging am 28. April an den Start – und zeigt deutliche Auswirkungen in Gladbeck und im Kreis Recklinghausen.

„Wir haben bislang mehr Knöllchen geschrieben“, berichtet Christiane Schmidt. Die Sprecherin der Stadtverwaltung Gladbeck schätzt das Plus auf etwa zehn Prozent. Genaue Zahlen nannte Schmidt nicht, diese sollen in der Gesamt-Statistik Anfang kommenden Jahres auf den Tisch kommen. Bisher nicht bekannte lokale Schwerpunkte ließen sich nach Auskunft der Stadtsprecherin nicht ausmachen.

Gladbeck: Im Kreis Recklinghausen wurden in zwei Monaten 656 Führerscheine „kassiert“

Darin dürfte sich dann wahrscheinlich auch das Hin und Her zwischen Novelle und dem Vorgänger-Bußgeldkatalog abzeichnen. Denn: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die Länder aufgefordert, die Neuerungen zunächst nicht anzuwenden. Fachleute erkannten juristische handwerkliche Fehler, die zumindest teilweise eine Unwirksamkeit nach sich ziehen könnten. Die Maßnahmen seien teilweise unverhältnismäßig, argumentieren Kritiker zudem.

Auch interessant

Besonders ins Blickfeld geraten: die hohen Bußgelder und die Verhängung von Fahrverboten bereits bei einmaligen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Wer beispielsweise innerorts 21 Stundenkilometer zu viel auf dem Tacho hatte, kassierte einen Monat Fahrverbot, hinzu kamen – je nach Höhe des Verstoßes – Bußgelder ab 80 Euro und Punkte.

Auch interessant

Wer allzu flott unterwegs ist und geblitzt wird, wie in Gladbeck beispielsweise an der Buerschen Straße, musste aufgrund des verschärften Bußgeldkatalogs tief ins Portemonnaie greifen. Aufgrund von Geschwindigkeitsübertretungen kassierte der Kreis Recklinghausen von Mai bis Juni 2020 in seinem Einzugsbereich 656 Führerscheine.
Wer allzu flott unterwegs ist und geblitzt wird, wie in Gladbeck beispielsweise an der Buerschen Straße, musste aufgrund des verschärften Bußgeldkatalogs tief ins Portemonnaie greifen. Aufgrund von Geschwindigkeitsübertretungen kassierte der Kreis Recklinghausen von Mai bis Juni 2020 in seinem Einzugsbereich 656 Führerscheine. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Wir haben bisher in drei Fällen den Führerschein eingezogen“, berichtet Rathaus-Sprecherin Schmidt. Ihre Kollegin Lena Heimers in der Kreisverwaltung Recklinghausen sagt: „Im Kreisgebiet verzeichnen wir eine deutliche Steigerung der Fahrverbote. In der Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 2020 hatten wir 656. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres haben wir 471 Fahrverbote registriert, also etwa ein Drittel weniger als aktuell.“ In allen Fällen seien Geschwindigkeitsüberschreitungen der Grund dafür gewesen, dass Verkehrssünder ihren Lappen abgeben mussten.

Auch interessant

„Mussten“ – Vergangenheit wohlgemerkt, denn „wir haben derzeit keine geklärte Rechtslage“, betont Christiane Schmidt. Die Verwaltungssprecherin: „Bis zur offiziellen Regelung versuchen wir, Knöllchen nach dem alten Stand abzuarbeiten, das heißt: Wir wenden den neuen Bußgeldkatalog nicht an.“

Auch interessant

Unterschiedliche Standpunkte

Bei der Verschärfung der Regeln für Fahrverbote scheiden sich die Geister. Einige Bundesländer, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), wollen es bei den Regelungen des alten Bußgeldkatalog belassen. Aber: „Mindestens die Hälfte der Länder will die Regeln verschärfen.“

Weitere Punkte, die in der außer Vollzug gesetzten Novelle vorgesehen sind: hohe Strafen für jene, die keine Rettungsgasse bilden und in zweiter Reihe parken. Die Straßenverkehrsordnung von April geht ebenfalls rigide gegen „Wildparker“ vor.

Um Radlern mehr Sicherheit zu verschaffen, wurde ein Mindestabstand von 1,50 Meter eingeführt, den Autofahrer beim Überholen innerorts einzuhalten haben. Außerorts sind zwei Meter vorgeschrieben.

Eine klare Aussage, die wegweisend für die Bürgerschaft ist. Denn die gegenwärtige Situation löst eine Verärgerung und Verunsicherung aus. Das bekommt die Stadtverwaltung zu spüren. Schmidt schildert Reaktionen: „Uns erreichen Beschwerden und Widersprüche. Die Bürger haben aber größtenteils Verständnis, da wir ja nur die ausführende Behörde sind. Trotzdem ist dieses Durcheinander nicht optimal.“ Bis dato seien zehn Widersprüche in der Stadtverwaltung eingegangen. „Den Frust bekommt nicht Minister Scheuer ab“, meint Christiane Schmidt. Ihre Kollegen vor Ort in Gladbeck müssten sich mit den Bürgern auseinandersetzen.

Doch die Rathaus-Sprecherin hat einen Tipp für ertappte Verkehrsteilnehmer parat. Sie sagt: „Wir haben dazu geraten, in strittigen Fällen erst einmal nicht zu zahlen.“ Das betreffe vor allem die Angelegenheiten, „in denen es um richtig viel Geld geht“ – oder um den Verlust des Führerscheins.