Gladbeck. Das Coronavirus hat das Leben in Gladbeck stark verändert. An den Kommunalwahlkampf z.B. denkt kaum noch jemand. Das sagt die lokale Prominenz.
„Ich hatte gedacht, dass für mich unsere 100-Jahr-Feier der Stadtwerdung der Höhepunkt in meinem Endspurt als Gladbecker Bürgermeister sein würde“, sagt Bürgermeister Ulrich Roland. „Jetzt ist genau das Gegenteil eingetreten, und ich muss mich noch einmal ganz neu orientieren.“ Ihm geht es nicht anders als vielen anderen Gladbecker Funktionsträgern auch in diesen Tagen.
Coronavirus hat das komplette Leben in Gladbeck verändert
Oftmals müssen sie zugunsten ihrer öffentlichen Aufgabe die persönliche Befindlichkeit hintanstellen, doch ganz negieren möchten sie diese auch nicht, denn sie hat Einfluss auf die eigene Bewertung mancher Entwicklungen in dieser, für alle, neuen Situation.
Propst André Müller hat vor etwas mehr als einer Woche in der leeren Herz-Jesu Kirche in Zweckel für WDR 5 einen Radio Gottesdienst abgehalten und dort gesagt: „Nichts muss bleiben wie es war.“ Dies sei seine feste Überzeugung: „Ich bin hoffnungsvoll, auch wenn ich glaube, dass menschliche Nähe mit das Wichtigste überhaupt ist.“
Ihn persönlich treibe es um, dass viele ältere Menschen jetzt einsam seien, aber er wolle unbedingt „positiv mit der Situation umgehen und Hoffnung verbreiten, zum Beispiel, dass wir lernen, den Wert der Solidarität neu zu schätzen und aus alten Egoismen herauskommen.“
Demut ist der Begriff, der Ulrich Roland einfällt, wenn er an die „Zeit danach“ denkt: „Demut darüber, dass es uns gut geht und wir gesund sind.“ Er hofft auf ein baldiges kollektives Durchatmen, „aber in einem anderen Bewusstsein.“
Roland, der von sich selber sagt, er fühle sich „aus dem Rennen genommen“, hat sich mittlerweile an die Videokonferenzen seines Krisenstabes gewöhnt und übt sich, als engagierter Hobbyfotograf, privat in der Bildbearbeitung. Dass er seine Enkelkinder nicht sehen kann, bedrückt ihn, aber auch hier hilft - mit regelmäßigen Videos - die Technik. „Meine Aufgabe ist es jetzt vor allem, die Gesundheit in der Stadt zu wahren, auch wenn das den Verlust von Nähe bedeutet. Lieber einmal mehr zum Telefonhörer greifen.“
Keine Hausbesuche
Diejenigen, die ihm bei den Kommunalwahlen im September gerne nachfolgen möchten, waren schon im Wahlkampfmodus: „Jetzt wollten wir mit den Hausbesuchen beginnen“, sagt Dietmar Drosdzol von der CDU.
Doch die Bürger hätten zurzeit andere Sorgen. Im Übrigen sei er „zuversichtlich und gelassen“, was den Ausgang der Pandemie angehe. Allerdings sehe er die Wirtschaftsentwicklung düster: „Da wird nicht viel übrig bleiben.“
Wahlkampf rückt in den Hintergrund
Bettina Weist (SPD) macht sich persönlich große Sorgen um ihre Eltern: „Mein Vater hatte einen Herzinfarkt, aus dem er gut herausgekommen ist, aber da geht mir so vieles durch den Kopf“, sagt sie. Der Wahlkampf sei in den Hintergrund gerückt: „Ganz andere Dinge sind jetzt wichtig.“ Es werde vieles anders sein nach der Krise, dies sei eine „große Verantwortung“ für jeden.
Simone Steffens geht für Bündnis 90/Die Grünen ins Rennen. Sie arbeitet im sozialpsychiatrischen Dienst beim Gesundheitsamt und hat täglich mit Menschen zu tun: „Wir müssen sehr achtsam sein, zumal wir wegen der Außenwirkung keine Masken tragen“, sagt die Mutter zweier
Söhne. Wahlkampf habe sich erst einmal „erledigt“. Positiv sieht sie natürlich den verminderten CO2-Ausstoß in dieser Zeit sowie die fortschreitende Digitalisierung. „Mit der Krise geht auch eine neue Wertschätzung der Pflegeberufe einher.“
Um die Flüchtlinge kümmern
Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup ist Pfarrerin im Ruhestand und nach wie vor der Flüchtlingsarbeit verbunden. „Wir haben rund 100 Flüchtlinge in der Beratung und dafür fünf Whats App-Gruppen gebildet, die sich kümmern.“
Das bedeutet regelmäßige Information über Maßnahmen und Regeln im Zusammenhang mit dem Virus“, sagt sie. Reile Hildebrandt ist Teil einer Großfamilie, um die sie sich natürlich sorgt. Manche, wie ihren Sohn und Familie, mit denen sie
zusammenlebt, kann sie sehen, ihre Tochter dagegen nicht. Ihr hilft die Bibel: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Bleibt zuhause!
FDP Ratsherr und Bürgermeisterkandidat Michael Tack ist gelernter Ingenieur, arbeitet heute als Klavierbauer und Musiker. Er hat eine 100-jährige Mutter, die er nicht besuchen kann, was ihn sehr bedrückt: „Aber sie weiß, warum ich nicht komme.“
Unter dem Motto „Bleibt zuhause“ hat er auf Facebook neue Texte zur Melodie der Popsongs „Cheek to Cheek“ und Don’t worry be happy“ veröffentlicht.