Mitte 1933 war die Demokratie abgeschafft. Oppositionspolitiker wurden verhaftet und misshandelt. Die Juden in der Stadt verfolgt und ausgemerzt.
Im März 1933 wurde ein letztes Mal der Gladbecker Rat gewählt - die Wahlen waren aber schon nicht mehr ganz frei und die KPD bereits verboten. Die NSDAP erhielt 26,97 Prozent. Das Ergebnis war für die Nazis eher bescheiden, auch wenn sie stärkste Partei wurden. Mit Druck und undemokratischen Mitteln verschafften sie sich die Ratsmehrheit: Die Stimmen der KPD (12,68 Prozent) wurden für ungültig erklärt, mit zwei Splitterparteien (Kommunale evangelische Vereinigung mit 10,55 Prozent und Kampffront Schwarz-Weiß-Rot mit 7,18 Prozent) formten sie den „Nationalen Block“. Diese vereinigte Rechte hatte eine Mehrheit von 21 zu 18 Sitzen.
Zentrums-Chef Dr. Ludwig Bette (seine Partei war auf 26,14 Prozent gekommen) unterwarf sich und bot bei der konstituierenden Sitzung am 7. April 1933 „die Mitarbeit an einem neuen Deutschland an“. Die davon tief enttäuschte SPD, die 14,22 Prozent erhalten hatte, geriet ins politische Abseits. Im Ratssaal waren erstmals Hitlerbild und Hakenkreuzfahne aufgestellt, die NSDAP-Ratsleute kamen in Uniform, SA- und SS-Formationen marschierten vor dem Rathaus auf.
Der erste Fackelzug der Nazis fand in Gladbeck am 21. März 1933 statt
Am Abend des 21. März, als sich in Berlin der Reichstag konstituierte, hatte bereits der erste große Fackelzug der Nazis durch Gladbeck stattgefunden, auch unter Beteiligung starker Abordnungen der Polizei. Tausende säumten die Straßen. Inzwischen konnten die Nazis auch in Gladbeck auf Mitläufer und Unterstützer zählen. Die Maifeier am 1. Mai im Stadion geriet zur NS-Propagandaschau, am 1. Juli fand in Wittringen in der Nähe des Ehrenmals eine Bücherverbrennung „wider den undeutschen Geist“ statt, vorher waren die konfessionellen Büchereien, hauptsächlich aber die Bibliotheken der freien Gewerkschaften nach „Schmutz- und Schundliteratur“ durchforstet worden (eine erste Stadtbücherei wurde übrigens erst 1938 im Jungengymnasium eröffnet). Die Hitlerjugend hatte die Bücherverbrennung organisiert. Mitglieder von Nazi-Verbänden, SA und SS, sowie Vereine, städtische Beamte, Lehrer und Schüler zogen durch die Stadt zum Ehrenmal. Unter lautem Jubel wurden die Schriftwerke verbrannt.
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Die Bücherverbrennung war Programm-Teil des „Festes der Deutschen Schule“ am Sonntag, 2. Juli, eine Propagandaveranstaltung der Nationalsozialisten mit einem Umzug durch die Stadt, mit Massen-Darbietungen im Stadion und eben mit einem „Feuerstoß im Stadtwald“ am Vorabend, womit im offiziellen Programm die Bücherverbrennung umschrieben wurde.
Ende Juni 1933 löste sich die SPD-Fraktion auf, Anfang Juli gab das Zentrum auf
Ende Juni 1933 gab die SPD-Fraktion auf – nach Einschüchterungen, Drohungen und Misshandlungen von Stadtverordneten. Sie stellte ihre Ratstätigkeit ein. Fraktionsvorsitzender Wilhelm Olejnik konnte nur durch Flucht nach Holland seiner Verhaftung entgehen. Die Zentrumspartei unter Bette löste sich am 5. Juli auf, kein ehemaliges Zentrumsmitglied nahm danach noch an Ratssitzungen teil. Mit Rollkommandos ging die SA schon seit März gegen Sozialdemokraten vor. Im Juni wurden 45 SPD-Mitglieder in „Schutzhaft“ genommen, viele wurden in Konzentrationslager verschleppt. Darunter der Stadtverbandsvorsitzende und langjährige Abgeordnete des preußischen Landtages Mathias Jakobs, der am 27. Juni 1933 verhaftet, inhaftiert und gefoltert wurde und schließlich 1935 an den Folgen von KZ-Misshandlungen in Gladbeck verstarb. Seine Beerdigung, an der über 500 Personen teilnahmen, war eine letzte stille Demonstration für Menschlichkeit und Demokratie.
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Willkürherrschaft und Terror der Nazis hatten in Gladbeck Fuß gefasst. Stadtentwicklungsprojekte gab es nicht mehr. Projekte wie der Autobahnbau, 1934 in Gladbeck begonnen und 1938 abgeschlossen, wurden in den Mittelpunkt gestellt, Erfolge wie der von Boxer Willi Kaiser, der 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin Gold holte, hochstilisiert. Feste, Feiern und Aufmärsche bestimmten das öffentliche Leben. Die Wirtschaft veränderte sich: In Zweckel entstand neben der Zeche ein Zweigwerk des IG-Farben-Konzerns. Hinter der Stadtgrenze in Scholven und in Horst die Gelsenberg Benzin AG, in deren Werke synthetisch Benzin aus Kohle gewonnen wurde. Dennoch blieb die Arbeitslosigkeit lange hoch, erst 1936 begann der Bergbau, verstärkt einzustellen.
Zur Reichspogromnacht 1938 lebten nur noch 50 Juden in Gladbeck
Mit Übernahme der Stadtherrschaft durch die Nazis begann 1933 auch nationalsozialistische Rassenideologie. Die Juden in der Stadt erlitten übelste Diskriminierungen und Boykott-Aktionen gegen ihre Geschäfte. Etliche Opfer wanderten aus. Schon Ende 1933 war die Zahl der jüdischen Mitbürger von 263 auf 224 abgesunken. 1935 beschloss der Rat einen menschenverachtenden 11-Punkte-Katalog, der ihre Kontaktmöglichkeiten scharf einschränkte (u.a. Trennung jüdischer Kinder von Mitschülern, Verbote zur Nutzung öffentlicher Einrichtungen, Judenzimmer im Hospital, Aufstellen von „Juden-unerwünscht“-Schildern an den Stadtgrenzen). Schließlich wurden am 28. Oktober 1938 alle Juden polnischer Herkunft („Ostjuden“) zwangsweise abgeschoben.
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Am Tage der Reichspogromnacht am 9. November 1938 lebten in Gladbeck mit seinen mehr als 60.000 Einwohnern nur noch etwa 50 Juden. Die Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung trafen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die verbliebenen Juden mit aller Wucht: Menschen wurden aus dem Schlaf gerissen, blutig geprügelt, erniedrigt, eingekerkert. Ihre Wohnungen wurden zerstört und geplündert. Das alles geschah unter den Augen der Gladbecker Bevölkerung, ihrer Duldung und sogar unter ihrer Beteiligung. Vom Vestischen Hof an der Postallee zogen SA-Leute, oft in „Räuberzivil“ getarnt und angetrunken, los, um die Fensterscheiben der noch bestehenden jüdischen Geschäfte zu zerschlagen und zu plündern. Wohnungen wurden demoliert, Möbel auf die Straße geworfen. Fast alle Juden kamen in teils mehrwöchige „Schutzhaft“.
Das Haus der jüdischen Familie Kaufmann wurde NSDAP-Parteibüro
Dem Terror der Pogromnacht widmete die gleichgeschaltete Gladbecker Zeitung nur einen Satz, log ihn zur „spontanen Volksaktion“ um. Es hieß dort unter der Überschrift „Tiefe Empörung“ im Lokalteil: „Wie in vielen anderen Orten, so machte sich auch in Gladbeck die Empörung der Bevölkerung wegen der feigen Mordtat an dem Gesandten vom Rath in vereinzelten judenfeindlichen Kundgebungen Luft.“
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Gezielt war das Haus der Familie Max und Ida Kaufmann an der Horster Straße 54 gestürmt worden – in dem Haus befand sich auch der Betsaal der Gladbecker jüdischen Gemeinde. Er wurde zerstört, die Familie in Haft genommen und schließlich nach Holland ausgewiesen. Die Eheleute wurden später in einem der KZ umgebracht. Zynischerweise quartierte sich nach der „Arisierung“ des Hauses Horster Straße 54 dort die NSDAP mit dem Parteibüro der „Ortsgruppe Gladbeck-Mitte 1“ ein. Der ehemalige Betsaal wurde als NS-Schulungsraum missbraucht. Ab Ende 1941 wurden die noch verbliebenen Juden deportiert und ermordet. Da herrschte längst Krieg. Nur ein Jude überlebte die NS-Herrschaft in Gladbeck: Isidor Kahn.
Angst und Schrecken auf der Autobahn-Baustelle
Mehr als 400 Arbeiter waren auf der Baustelle der Reichsautobahn in Gladbeck beschäftigt gewesen – unter knallharten Bedingungen, wie es in einer Quelle heißt. Im Mai 1935 soll die Stimmung besonders schlecht gewesen sein.
In einem geheimen Lagebericht war von einem „Antreibersystem der allerübelsten Sorte“ die Rede, das auf der Baustelle herrsche. Die Arbeiter nannten die Baustelle „Reichsmordbahn“. 35 der Arbeiter, die mit Angst und Schrecken zu Arbeit kamen, seien „leicht bis schwer zu Schaden gekommen“.
Im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms entstand 1935 auch der Nordpark mit seinem 22 Morgen großen Teich, Sportplatz und der großflächigen Kleingartenanlage. Gladbecks allererste Kleingartenanlage war schon 1931 durch August Wessendorf am Bahnhof Ost entstanden.
100(0) Jahre Gladbeck: Bisherige Folgen in der Übersicht
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In 2019 wird die Stadt Gladbeck 100 Jahre alt. Anlass für uns, die Geschichte Gladbecks, die vor 1000 Jahren begann, in Serie darzustellen. Quellen sind die Bücher „Geschichte der Stadt Gladbeck“ von Rainer Weichelt, „Gladbeck“ von Harald Neumann, „Verdrängte Jahre – Gladbeck unterm Hakenkreuz“ von Frank Bajohr, „Feuersturm an der Ruhr“ aus dem Klartext-Verlag, die Dokumentation „Glabotki ist nicht!“ von Erna-Johanna Fiebig und Rainer Weichelt, die Chronik „40 Jahre Amt Gladbeck“ von Ludwig Bette (von 1925), Expertisen aus dem Stadtarchiv sowie verschiedene Aufsätze von Heimatforschern.
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