Gladbeck. . Die Gladbeckerin Hülya Haack-Yol erwartet, dass der Pflegebedarf bei türkischen Senioren steigen wird. Sie meint, um das Doppelte oder mehr.

Die Anzahl von Senioren mit Mi­grationshintergrund wird in den kommenden Jahren steigen. Geht diese demografische Entwicklung einher mit veränderten Anforderungen in der Altenpflege? Cemile Tosun von der städtischen Seniorenberatung legte im Integrationsrat dar, dass „zum größten Teil Pflege zu Hause“ geleistet werde. Sollten die Kinder arbeiten und sich nicht um Familienangehörige kümmern können, gingen türkische Senioren „über viele Monate in ihr Heimatland“.

Einen Heim-Aufenthalt vermeiden

Ratsherr Süleyman Kosar meinte: „Es ist unüblich, dass Migranten ihre Eltern ins Heim geben. Aber was wird zukünftig sein?“ Hasan Sahin: „Ich denke, das Thema hat auch einen kulturellen Aspekt. In der Türkei hat man andere Pflegevorstellungen als in Deutschland.“ Er gehe nicht davon aus, dass sich die Situation verschlechtern werde. Denn: „Die Werte werden in den Familien weiter gegeben.“ Tosun betonte: „Keiner will ins Heim, das hat nichts mit Migrationshintergrund zu tun.“ Ziel der städtischen Beratung sei, „dass die Menschen so lange wie möglich zu Hause leben. Wir gucken, welche Hilfen möglich sind.“ Und nicht jeder alte Mensch benötige einen Heimplatz.

Dietmar Haack und Hülya Haack-Yol eröffneten im Jahre 2017 in Gladbeck ein Pflegezentrum an der Buerschen Straße.
Dietmar Haack und Hülya Haack-Yol eröffneten im Jahre 2017 in Gladbeck ein Pflegezentrum an der Buerschen Straße. © Joachim Kleine-B ning

Demografische Entwicklung

Hülya Haack-Yol führt einen Pflegedienst (siehe Kasten). Die Expertin sieht durchaus Veränderungen auf ihrem Arbeitsgebiet durch die demografische Entwicklung. Sie sagt: „Es ist richtig, dass türkische Migranten ihre älteren Familienangehörigen eher nicht in eine stationäre Einrichtung geben; das ist verpönt. Es wird in den eigenen vier Wänden gepflegt.“ Haack-Yol blickt auf die Menschen, die vor vielleicht 50 Jahren als Gastarbeiter hierher gekommen sind. „Auch bei Türken ist Demenz im Vormarsch“, sagt sie. Sie rechnet damit, dass sich der Pflegebedarf dieser Klientel „definitiv in fünf bis zehn Jahren verdoppeln oder verdreifachen wird“.

Familiäre Verhältnisse

Wer seine kranken Eltern betreue, brauche auch einmal eine Auszeit. Haack-Yol: „Vielen ist nicht klar, welche Belastung es bedeutet, wenn man einen Demenzkranken pflegt.“ Tagespflege könne eine Unterstützung darstellen. Seien Kinder berufstätig, müssten sie Betreuung organisieren. „Dann suchen sie Hilfe bei uns in der Ambulanten Pflege“, so die Expertin. Sie ergänzt: „Wir übernehmen auch die Beratung, was möglich ist.“

Aktuelle Situation

Sie registriert: „Wir sind im Umbruch, das merken wir.“ Zwölf türkische Gäste kommen nach ihren Angaben regelmäßig in die Tagespflege. Das klingt wenig. Doch sie stellt klar: „Wir haben die Zulassung für 17 Plätze. Da sind zwölf schon eine Menge.“ In der ambulanten Pflege „sind 35 Prozent unserer Patienten türkischstämmig“. 260 Menschen betreue ihr Dienst in der ambulanten Versorgung. Vergleiche sie diese Situation mit den Verhältnissen vor zehn Jahren, stellt sie fest: „1994 hatten wir keinen einzigen türkischen Patienten. Da waren die Migranten in einem Alter, in dem sie keine Unterstützung benötigten.“ Das habe sich geändert. Es sei zum Beispiel Hilfe bei der Insulin- und Medikamentengabe erforderlich.

Personelle Konstellation

„Wir werden von umliegenden Krankenhäusern angerufen, wenn es um türkischstämmige Patienten geht“, berichtet Hülya Haack-Yol. Hat sich doch herumgesprochen, was ihr Angebot leistet. An den beiden Standorten sind insgesamt 86 Beschäftigte tätig, darunter auch Türkischstämmige. Von den derzeit neun Auszubildenden seien drei türkisch. Schließlich spiele die eigene Sprache eine große Rolle. Nicht nur, damit sich die Gäste wohl fühlen. Haack-Yol: „Mit der Demenz geht auch das erlernte Deutsch verloren und man kehrt zurück zur eigenen, ursprünglichen Sprache.“

Blick in die Biografie

Die türkisch-stämmige Hülya Haack-Yol (48) ist eine waschechte Gladbeckerin.

Nach dem Realschulabschluss ließ sie sich zunächst als Krankenschwester ausbilden. Mit 24 Jahren entschied sie sich, mit einer Kollegin, einen eigenen Pflegedienst zu gründen.

Im Jahre 1994 ging Hülya Haack-Yol mit ihrem Pflegedienst am St.-Barbara-Hospital an den Start. Tagespflege bietet sie seit dem Jahr 2012 an.

Spezielle Bedürfnisse

„Wir gehen auf die speziellen Bedürfnisse ein“, sagt Haack-Yol. So hat sie für mittwochs einen „extra türkischen Tag“ eingerichtet – ansonsten „haben wir pure Integration, sowohl Gäste wie auch Personal seien „kunterbunt gemischt“, so Haack-Yol über die vertretenen Nationen. Eines sei absolut tabu: „Bei uns kommt kein Schweinefleisch auf den Tisch. Das ist auch den Mitarbeitern nicht erlaubt.“