Gladbeck. . Mit über 80 Jahren sitzen betagte Senioren noch am Steuer ihres Autos. Den jüngsten Fall beobachtete ein WAZ-Leser in Gladbeck. Was dann zu tun ist, erklären Polizei und Seniorenbeirat.
WAZ-Leser Werner Nowakowski traute seinen Augen kaum: An einer Tankstelle beobachtete er einen älteren Autofahrer, der sichtlich massive Probleme hatte. Nach dem Bezahlen „schlich er mehr oder weniger zu seinem Fahrzeug, versuchte dann auf der Beifahrerseite einzusteigen, bemerkte den Irrtum und begab sich zur Fahrertür“, schildert Werner Nowakowski. Doch damit nicht genug: Mit viel Mühe habe sich der Mann in seinen Wagen gesetzt, ihn umständlich gestartet und sei dann „langsam und sehr vorsichtig“ zur Tankstellen-Ausfahrt gefahren.
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Das Verhalten des Herrn – geschätzt zwischen 80 und 90 Jahre – habe nicht nur ihn, sondern auch den Tankwart zum Grübeln gebracht, so Nowakowski, der über sich selbst sagt: „Ich bin selbst 70 Jahre alt, also kein Jungspund.“ Erst habe er sich das Kennzeichen notieren wollen. Aber: „An wen wendet man sich, wenn ein offensichtlich so beeinträchtigter Verkehrsteilnehmer sich noch hinters Steuer setzt?
Polizei rät: „Immer die 110 anrufen“
Für Ramona Hörst von der Kreis-Polizei Recklinghausen ist der Fall klar: „Wenn offensichtliche Zweifel an der Fahrtüchtigkeit eines Menschen bestehen, immer die Polizei informieren – und zwar über die Rufnummer 110.“ Umso besser, wenn das Kennzeichen des betreffenden Autos notiert ist.
Nowakowskis Sorge bei einer Meldung an die Polizei: „Ist das dann schon Denunziation, oder wäre es mit Rücksicht auf mögliche Risiken nicht sogar meine Pflicht, diesen Vorgang zu melden?“ Polizeisprecherin Hörst rät dazu, solche Beobachtungen unbedingt zu melden, denn „wenn nachher jemand von einem fahruntüchtigen Menschen überfahren wird, macht man sich Vorwürfe.“
Freiwillige Führerscheinabgabe gegen Busticket
Der Seniorenbeirat brachte vor zwei Jahren die Aktion „Freiwillige Führerscheinabgabe gegen Busticket“ an den Start.
Sie sollte ein Anreiz sein, damit Senioren sich endgültig vom Auto verabschieden und auf den Bus umsteigen.
Die Resonanz war so positiv, dass einer verlängerten Probephase die Vestische die Aktion zum Dauerangebot machte.
Werner Nowakowski ist sich bewusst, dass er mit diesem Thema – Senioren am Steuer – ein heißes Thema anpackt, das Menschen unterschiedlicher Generationen schnell auf Touren bringt. Sollten Senioren zu einer verpflichtenden Nachschulung? Oder sollen sie ihren Führerschein irgendwann abgeben?
Gut 800 Menschen im Einzugsgebiet der Polizei Recklinghausen haben im vergangenen Jahr das Programm „Alte Hasen – neue Regeln“ genutzt. Hörst: „Bei diesen Vorträgen werden nicht nur neue Vorschriften erklärt, sondern auch Tipps zum Thema ,sehen und gesehen werden’ gegeben.“ Die Kollegen „versuchen auch ganz sensibel, in manchen Fällen Einfluss zu nehmen, dass jemand freiwillig seinen Führerschein abgibt.“
Gladbeck hervorragend an Busnetz angebunden
Das hat Friedhelm Horbach, Vorsitzender des Seniorenbeirats, längst getan. „Ich habe seit 15 Jahren kein eigenes Auto mehr und fahre nur Bus. Gladbeck ist hervorragend an das Liniennetz angebunden“, sagt der 70-Jährige, der noch einen Führerschein in der Tasche hat. Andere Gladbecker sind einen Schritt weiter gegangen: Bislang 155 Männer und Frauen haben seit dem Start der Aktion „Führerschein gegen Busticket“ (siehe Info-Kasten), die der Seniorenbeirat im Jahre 2016 auf den Weg gebracht hat, freiwillig ihren „Lappen“ abgegeben.
Friedhelm Horbach vom Seniorenbeirat meint: „Man bringt ja auch sein Auto zum TÜV, warum sollte man nicht Menschen ab einem gewissen Alter zu einem Test schicken, wie es in anderen Ländern bereits geschieht?“ Sei es nun nach einem vertrauensvollen Gespräch mit einem Arzt über körperliche Defizite, sei es eine Schulung zur Fahrtauglichkeit. Wichtig ist dem Vorsitzenden des Seniorenbeirats, dass das Bewusstsein geschärft werde für die Tatsache: „Du bist halt nicht mehr 20.“ Und im Alter, so Horbach, lassen eben Fähigkeiten nach.
Freiwillig den Führerschein abgeben
Werner Nowakowski hat sich nach seinem Erlebnis an der Tankstelle vorgenommen: „Ich kann nur hoffen, dass ich, bei entsprechend angeschlagener Gesundheit, freiwillig meinen Führerschein abgeben werde.“ Dann wird ihm der Seniorenbeirat sicherlich mit Informationen zur Aktion „Führerschein gegen Busticket“ zur Seite stehen . . .