Gelsenkirchen. Seit 2021 sind Gelsenkirchener Polizeikräfte mit Tasern unterwegs. Die Elektroschockpistolen sind nach Todesfällen umstritten. Eine Bilanz.

Nach zwei Todesfällen bei Polizeieinsätzen mit Elektroschockern tobt ein Streit über Risiken und Nutzen der sogenannten Distanzelektroimpulsgeräte (DEIG), umgangssprachlich auch Taser genannt. Seit 2021 gehört auch Gelsenkirchen zu den Behörden, die die Geräte im Einsatzalltag erproben. Wie fällt die Bilanz aus?

Dazu kann das hiesige Polizeipräsidium offiziell nichts sagen, bei den Tasern liegt die Zuständigkeit beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD). Dessen Sprecher Timm Wandel zieht ein positives Resümee: „Nach den bisherigen Erfahrungen sowohl im Projekt als auch im Echtbetrieb reicht in über drei Viertel der Einsätze in NRW die bloße Androhung“ eines Einsatzes der Elektroschockpistole, um die polizeiliche Maßnahme durchzusetzen. Ziel sei es, so der Hauptkommissar weiter, gewalttätige Übergriffe auf die Beamten und Verletzungen zu verhindern – auch des polizeilichen Gegenübers.

Elektroschocker-Einsätze: 197 Fälle in 2021, in diesem Jahr bereits schon 250 Fälle

Dem Landesamt zufolge wurde das DEIG „im vergangenen Jahr in 197 Fällen in NRW eingesetzt. 154 Fälle davon beschränkten sich dabei auf reine Androhungen“. Aus taktischen Gründen will die Behörde lokale Zahlen nicht preisgeben. Die letzten Einsätze, bei denen die Taser tatsächlich lähmende Stromstöße in den Körper eines Angreifers in Gelsenkirchen abgaben und die von der Polizei Gelsenkirchen öffentlich gemacht wurden, erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa einem Jahr.

Anfang Oktober dieses Jahres hatte ein renitenter Jugendlicher eine Beamtin angegriffen. Bemerkenswert: Der 18-Jährige ließ sich noch nicht einmal von ihrem Diensthund einschüchtern.

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Im Februar 2021 stieß die Polizei nach einem Unfall mit anschließender Flucht auf eine betrunkene Autofahrerin mit einem Schäferhund auf Konfrontationskurs. Die 51-Jährige ließ den Hund los, worauf die Einsatzkräfte das aggressive Tier mit Elektroschocks außer Gefecht setzten. Und Ende des vergangenen Jahres half ein Taser Polizeikräften dabei, den Widerstand eines von drei flüchtigen Einbrechers zu brechen.

In diesem Jahr dürfte die Fallzahl bei den Taser-Einsätzen deutlich über der letzten Marke liegen. 2022 habe es gut 250 Taser-Einsätze im Wachdienst bei der Polizei NRW gegeben, so Minister Reul noch Mitte Oktober. In etwa 50 Fällen sei es zur Schussabgabe gekommen. Inzwischen wird der Taser in 18 von 47 Polizeibehörden im Wachdienst genutzt.

Tödliches Ende nach Taser-Einsatz: Flüchtling (16) und Obdachloser (44) sterben

Die Dortmunder Polizei steht unter besonderer Beobachtung, seit Anfang August in der Nordstadt ein 16-jähriger Flüchtling aus dem Senegal bei einem Polizeieinsatz durch mehrere Kugeln aus einer Maschinenpistole getötet wurde. Vor den tödlichen Schüssen wurde zweimal mit Tasern auf den Jugendlichen geschossen.
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Fall zwei ereignete sich Mitte Oktober, ebenfalls in Dortmund. Polizisten schossen mit dem Taser auf einen randalierenden Wohnungslosen. Der laut Obduktionsbericht herzkranke 44-jährige Angreifer brach nach dem Stromstoß zusammen und verstarb trotz Reanimationsversuchen kurz darauf im Krankenhaus.

Die Gewerkschaft der Polizei setzt nach wie vor große Hoffnungen auf die „abschreckende Wirkung der Impulsgeräte“, sie hatte sich schon zu Beginn des Tests dafür eingesetzt, die Elektroschockpistolen so schnell wie möglich einzuführen. „Taser sind eine super Sache. Es gibt keinen sachlichen Grund, der gegen diese Einsatzgeräte spricht“, sagt der Gelsenkirchener GdP-Vertreter Jörg Klink. Hoffentlich werde DEIG bald landesweit eingeführt. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Bündnisgrünen ist festgeschrieben, dass bis 2024 wissenschaftlich Bilanz gezogen werden soll zu den Tasern im Polizeialltag.

Laut LZPD ist die „Testphase“ seit Ende 2021 abgeschlossen. „Inzwischen wurde der Wachdienst von insgesamt 18 Kreispolizeibehörden mit DEIG ausgestattet. In 2023 wird die Einführung des DEIG evaluiert. Weitere Entscheidungen obliegen dann dem Innenministerium NRW“, so Pressesprecher Timm Wandel.