Gelsenkirchen. . Die jüdische Gemeinde hat nach Hetzattacken und einem Gullydeckel-Angriff auf die Synagoge eine Welle der Solidarität aus allen Teilen der Stadtgesellschaft erfahren. Sonntag trafen sich in der Synagoge Jugendliche der drei Weltreligionen. Mit diesem Tag der Verständigung und des Kennenlernens wollte man sich bedanken.
Die politische Komponente bleibt heute ausdrücklich außen vor. Hier geht es um Verständnis und respektvollen Umgang miteinander. Dafür soll die Grundlage geschaffen werden – durch gegenseitiges Kennenlernen der drei großen Weltreligionen. Die, eben durch aktuelles politisches Tagesgeschehen, scheinbar trennen, aber bei genauerem Hinsehen und -hören doch so vieles gemeinsam haben.
Junge evangelische Christen, Juden und Muslime verbringen den Sonntag auf Einladung von Judith Neuwald-Tasbach in der neuen Synagoge. Der Tag versteht sich als Dankeschön an die Gelsenkirchener Stadtgesellschaft, die nach den Anti-Israel-Demos mit zum Teil antisemitischen Äußerungen und dem Gullydeckel-Anschlag auf die Synagoge große Solidarität in Wort und Tat mit der jüdischen Gemeinde gezeigt hat.
Jugendliche entdecken viele verbindende Elemente
Die Fragen, die in der Gesprächsrunde gestellt werden, sprechen für sich: Ob der Reformationstag evangelisch oder katholisch ist, warum Muslime auf einem Teppich knieend beten und was passiert, wenn die Tora, das jüdische Gebetsbuch, aus Versehen zu Boden fällt ... Da wird deutlich, dass man über die Religion der Anderen eben doch nicht alles weiß. Und immer wieder gibt es den Aha-Effekt für die an die 30 Jugendlichen – wenn nämlich wieder ein verbindendes Element zwischen den Religionen auftaucht. Angefangen bei Gott. Denn auch der Islam kennt nur einen Gott: Allah.
Pfarrerin Kirsten Sowa, Werner Göbelsmann, Ramiz Özcan, Halil Aytuna, Receep Isildar, Chaim Kornblum und Judith Neuwald-Tasbach gehören dem interkulturellen Arbeitskreis an. Kirsten Sowa hat ihre „Konfis“ angesprochen, Halil Aytuna, Jugendbetreuer der Moschee in Hassel, hat junge Leute aus seiner Gruppe motiviert und die jungen Juden nehmen ohnehin am sonntäglichen Leben in der Synagoge teil.
Jüdisches Festtagsbrot Challa gemeinsam gebacken
Dieser Sonntag ist aber eben ein ganz besonderer. Da schafft es zum Beispiel „Meister Anton“ Tsirin ganz spielerisch, dass die traditionelle Grüppchenbildung aufgemischt wird und jeder neben jedem sitzt – auch wenn man sich vorher nicht kannte. Es wird gemeinsam gegessen, es werden Kerzen gestaltet. Die jungen Leute erkunden das Haus und später die Küche, in der sie gemeinsam das jüdische Festtagsbrot Challa backen.
„Mein Haus ist ein Haus der Gebete für alle Völker“ steht im Saal der Synagoge. Das passt. Die jungen Leute sprechen über ihre Gebete – die täglichen der Christen, die fünfmal täglichen der Moslems, die drei Gebete der Juden. Bibel, Tora, Koran – es sind keine Bücher mehr mit sieben Siegeln für die 12- bis 16-Jährigen aus der interkulturellen Runde in der Synagoge.