Gelsenkirchen. Über 600 Migrantinnen nahmen zwischen 2012 und 2014 am beruflichen Qualifizierungsprojekt „Emilia“ teil.Die europäischen Fördermittel für das Projekt des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid laufen aus. Verantwortliche und Teilnehmer zogen nun Bilanz.

„Frauen im Ruhrgebiet sind im Vergleich zu anderen Regionen deutlich weniger am Arbeitsleben beteiligt und für Migrantinnen ist es doppelt und dreifach schwer“, sagt Antje Röckermann, Gender-Referentin beim evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen hat sie am Ende des dreijährigen Qualifizierungsprojekts „Emilia“ im Wissenschaftspark Bilanz gezogen. Stellvertretend für das bunte Programm sprach Teilnehmerin Rüya Rauf über ihre Erlebnisse. „Emilia ist ein Name, der in mir viele schöne Erinnerungen weckt“, sagt die 45-jährige Türkin.

„Ich bin Hausfrau und Mutter, das ist meine Hauptrolle, aber ich muss auch Geld verdienen, weil ich alleinerziehend bin“, sagt Rüya Rauf, die vor 25 Jahren aus Istanbul nach Gelsenkirchen kam. In ihrer Heimat hat sie das Studium der Öffentlichkeitsarbeit mit einem Diplom abgeschlossen. Doch für Deutschland reicht das nicht. „Ich müsste besser Deutsch sprechen, aber auch Englisch können“, sagt Rauf selbstkritisch. Immerhin das Abitur wurde mittlerweile anerkannt.

Wiedereinstieg ins Berufsleben fällt schwer

Rüya Rauf hat eines der vielen Module des Emilia-Projekts in Anspruch genommen: Zehn Monate lang hat sie mit 17 weiteren Frauen aus elf Nationen an einer Vollzeitqualifizierung teilgenommen. Sie hat unter anderem Coachings, Bewerbungstrainings und Selbstpräsentationen mitgemacht.

„Bei Emilia haben wir auch den ganzen Tag Deutsch gesprochen“, so Rauf, die eine Deutschprüfung mit dem B2-Goethe-Zertifikat abgeschlossen hat. Rüya Rauf hat vier Kinder groß gezogen. Die ältesten beiden Töchter studieren, eine davon in den USA. Die jüngere Tochter und der Sohn gehen zum Gymnasium. Rauf selbst war 16 Jahre als türkische Elternvertretung in der Schule der Kinder aktiv. „Aber was mache ich für mich?“, fragt Rüya Rauf nun, wo die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Der Wiedereinstieg ins Berufsleben fällt schwer.

Umschulung zur Hauswirtschafterin

„Ich glaube schon, dass mit meinem Kopftuch viele Leuten Probleme haben“, sagt Rauf, die damit auch auf dem Arbeitsamt Erfahrungen gemacht hat. Rauf: „Ich habe Freundinnen, die in Deutschland ihren akademischen Abschluss gemacht haben, aber wegen ihres Kopftuchs arbeitslos sind.“ Vielleicht brauche die Gesellschaft noch Zeit, um die Vorurteile abzulegen. Ängste, die sie früher bei Behördengängen hatte, habe sie Dank Emilia abgelegt. „Wir haben das Gefühl bekommen, dass wir auch eine Rolle spielen“, sagt Rauf lobend über das Projekt.

„So eine Qualifizierung macht den Frauen Mut, aber Zusatzmaßnahmen und Geduld sind auch notwendig“, weiß Antje Röckermann. Auch Rüya Rauf braucht einen langen Atem. Sie hat durch Praktika als Altenpflegerin und Küchenaushilfe Erfahrung gesammelt. Demnächst will sie eine Umschulung zur Hauswirtschafterin anfangen. Rauf: „Ich möchte einen deutschen Berufsabschluss und Geld verdienen.“

Neben Langzeitqualifizierung gab es viele andere Module

„Gute Arbeit finden - beruflich weiterkommen“, so lautete das Motto des Projekts Emilia. Über 600 Migrantinnen haben die vielfältigen Angebote zwischen 2012 und 2014 genutzt. In neun Tagen läuft das Projekt aus. Damit beginnt die Suche nach neuen Fördermitteln.

Mit 800.000 Euro wurde das Projekt vom Europäischen Sozialfonds und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert. Darin enthalten sind Mittel des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid, der das Projekt zusammen mit der Agentur RevierRessourcen realisierte.

Neben der Langzeitqualifizierung, an der auch Rüya Rauf teilnahm, gab es unter anderem Info-Abende und Gruppenberatungen, individuelle Beratungen, Einzel-Coachings, Fortbildungen und Seminare. „Es reicht nicht, die Frauen zu qualifizieren, man muss auch die Unternehmen einbinden“, sagt Claudia Quirrenbach, Inhaberin der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft RevierRessourcen. 180 lokale Unternehmen wurden besucht, außerdem gab es Unternehmerabende und Businessdinner. Susanne Fischer, Gelsenkirchens stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte, fasst die Botschaft an die Frauen zusammen: „Ihr werdet stark, wenn ihr Euch Unterstützung von außerhalb holt.“