Gelsenkirchen. Als Bundesgeschäftsführer will Marco Buschmann seine angeschlagene Partei von Berlin aus wieder in Fahrt bringen. Auch als Parteichef vor Ort ist er gefordert. Ein Gespräch mit dem Gelsenkirchener Rechtsanwalt über Niederlage und Aufbruch.
Raus aus dem Bundestag, raus aus der politischen Mitverantwortung, raus aus dem Interesse. Die FDP hat es massiv durchgeschüttelt – die Partei wie die Protagonisten. Das gilt auch für Marco Buschmann. Der Gelsenkirchener, Jahrgang 1977, zählt(e) zu den jungen Hoffnungsträgern seiner Partei im Parlament. Das Bundestagsmandat ist futsch, die Zeit als NRW-Generalsekretär vorbei, die Kommunalwahl brachte auch kein berauschendes Ergebnis für die lokale FDP. Nun sind die Steher-Qualitäten des Rechtsanwalts und Kreisvorsitzenden gefragt: als Bundesgeschäftsführer der FDP. Ein Gespräch über Niederlage und Aufbruch.
Wie lange haben Sie nach dem Wahldebakel im Bund den Kopf hängen lassen?
Marco Buschmann: Am Tag nach der Wahl kam die Anfrage von meiner alten Kanzlei, ob ich wieder als Rechtsanwalt einsteige. Doch auch Christian Lindner hat sich direkt gemeldet und gefragt: Willst du mithelfen und die FDP wieder flott machen? Ich habe mich mit meiner Frau beraten und mir war schnell klar: Ich würde mich ärgern, wenn ich da nicht mitmache. Das ist das spannendste Projekt, das man sich vorstellen kann.
Wieso?
Buschmann: Weil es eine große Herausforderung ist. Dafür gibt es kein Kochrezept. Das macht es interessant. Gleichzeitig fanden die Parteifreunde vor Ort gut, dass ich weiter mache.
Parteichef sind sie auch weiter, wurden mit 100 Prozent der Stimmen gewählt. Warum die Doppelbelastung?
Buschmann: Ich brauche diese direkte Kommunikation mit den Bürgern. Die Doppelfunktion ist zwar anstrengend, aber man hat einen ganz anderen Blick auf die Realität und dekliniert Themen ganz anders durch, weil man sich gleich fragt: Was können die Menschen vor Ort damit anfangen?
Wichtiges liberales Denken
Die FDP als Kümmerer?
Buschmann: 1994 bin ich in Gelsenkirchen in die FDP eingetreten, also vor 20 Jahren. Ich bin fest davon überzeugt, dass das liberale Denken, das dahinter steckt, unheimlich wichtig ist. Wenn man an die Partei glaubt, muss man auch in schwierigen Zeiten zu ihr stehen. Eisigen Wind haben wir schon häufiger erlebt, aber so ein historischer Niedergang geht einem schon an die Nieren. Trotzdem bleibe ich davon überzeugt: Viele Menschen wollen nicht nach dem Motto leben ,wes Brot ich ess, des Lied, ich sing.’ .Die Menschen wollen ihr eigenes Lied singen und dafür auch Verantwortung übernehmen,
Wie ist Ihre Rolle dabei?
Buschmann: Es hilft, dass ich als Anwalt früher schon mit Restrukturierungsprozessen betraut war. In dieser Situation muss man die Ausgaben den Einnahmen anpassen. Das Thomas Dehler Haus, unsere Bundesgeschäftsstelle in Berlin, hatte in Spitzenzeiten gut 40 Mitarbeiter, jetzt sind es um die 25. Ich bin sehr dankbar, dass wir da Lösungen gefunden haben. Ich bin viel in der Republik unterwegs und stelle in Vorträgen unsere Überlegungen vor wie es klappen kann.
Und wie klappt’s?
Buschmann: Wie müssen definieren, wer wir sind, was unser Auftrag ist. Es muss klar werden: Worauf arbeitet ihr hin? Was ist euer Ziel für die Gesellschaft. Ich will den Leuten nicht erklären, was sie tun sollen oder nicht dürfen. Wir sagen: Macht was, traut euch was. Die Menschen sollen sich ein Leben aufbauen, das ihren Vorstellungen entspricht. Natürlich müssen wir kompetent über alle sachlichen Themen sprechen können, daran dürfen wir keine Abstriche machen. Aber das dient letztlich immer dem Ziel, ein Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können. Es gibt genug Leute, die so fühlen und das Bedürfnis haben, die müssen wir wieder erreichen, indem wir ein ehrliches und deutliches Angebot machen. Das hat auch viel mit Bauch und Herz zu tun
„Wir müssen der kreative Unruheherd hier in Gelsenkirchen sein“
Drei Themen für Herz, Kopf und Bauch: Ihre Meinung zu Waffenlieferungen in Krisengebiete, Autobahnmaut und Renten?
Buschmann: Man muss etwas tun im Irak und Syrien, aber kann nicht nur Waffen liefern, sonst werden diese unkontrollierten Waffen eines Tages auf uns gerichtet. Wir müssen da im Rahmen eines UN-Mandats mit Truppen rein, im Zweifel auch unter Beteiligung der Deutschen. Aber das ist der längere und schwierigere Weg. Zur Maut: Das Modell ist absurd, es bringt kein Geld, dafür einen wahnsinnigen bürokratischen Aufwand und wird am Ende dazu führen, dass es auch für die deutschen Autofahrer teurer wird. Bei der Rentenpolitik sehe ich uns vor einer riesigen Gerechtigkeitsdebatte. Die Rente mit 63 war ein Wahlgeschenk. Dafür sind etliche Milliarden Euro pro Jahr da, aber es fehlt am Geld für Bildungsgerechtigkeit und frühkindliche Betreuung. Da bräuchten wir fünf Milliarden Euro.
Und wie wollen Sie in Gelsenkirchen erfolgreich sein?
Buschmann: In der Sache werden wir an das anknüpfen, was wir an Schwerpunkten in der letzten Ratsperiode gesetzt haben: Bildung, Mittelstand und Lebensqualität. Daran müssen wir arbeiten und sehen: Wie gut vermarktet sich die Stadt? Wie schafft sie Neuansiedlungen? Gelsenkirchen tut sehr viel für die Schwächsten, aber muss auch für mittlere Schichten aktiver werden und Quartiere anbieten, in denen Menschen gerne leben wollen. Wichtig ist, dass man sich nicht ständig als Notstandsgebiet inszeniert. Es sind ja am Ende nicht allein die harten Faktoren wie beispielsweise der Gewerbesteuersatz, die für ein Unternehmen entscheidend sind, sondern dass in der Stadt etwas passiert, dass sie Lebensqualität für alle Schichten bietet. Dafür müssen wir uns hier fragen: Wie werden wir besser?
Was wird die FDP dazu beitragen?
Buschmann: Unsere Aufgabe ist, quer zu denken. Wir müssen der kreative Unruheherd hier in Gelsenkirchen sein, aber auch zusehen, dass die Leute das mitbekommen. Es braucht oft den Blick von außen, um Dinge zu ändern. Da hilft es dann nicht, wenn Verwaltung mit Verwaltung spricht