Gelsenkirchen. Sich an etwas zu erinnern, ist für die Besucherinnen und Besucher dieses Tanztees im Café Sel eigentlich etwas sehr kompliziertes. Doch die Lieder ihrer Jugendtage kennen sie noch bestens, mit der Musik kommen die schönen Erinnerungen zurück. Zum Tanz aufgefordert haben Caritas und Alzheimer Gesellschaft.
Sie tanzen beschwingt, sie summen mit, ein wohliges Lächeln auf den Lippen. Schon als die ersten Töne erklingen, hält es einige Tanzpaare nicht mehr auf ihren Stühlen im Café Sel an der Von-der-Recke-Straße. Musiker Nobert Labatzki tritt dort jeden letzten Donnerstag im Monat als ‚Mr. Mambo‘ auf. Heute möchte er gleich zu Beginn mit den Besuchern ‚in den Morgen tanzen, in das Glück‘. Und so wird vor Beginn des Kaffeeklatsches erst einmal ordentlich geschwoft, ganz genau so wie damals zu Weka-Zeiten. Damals, als noch zum Tanzcafé ins Westfalen-Kaufhaus geladen wurde.
Ein solches Tanzcafé in der Innenstadt gibt es seit Juli 2013 wieder. Freilich, die Örtlichkeit hat sich geändert, aus dem Kaufhaus wurde ein eigenständiges Café. Dort erklingen Lieder aus den 50er, 60er bis hinein in die 80er Jahre, größtenteils deutschsprachige Schlager. Die geschaffene musikalische Atmosphäre soll an die damaligen Tanznachmittage erinnern.
Mit Kaffee, Kuchen und Musik gegen das Vergessen
Denn die Besucher, alle um die 70 Jahre oder älter, haben diese Zeit noch miterlebt. Lediglich das mit dem Erinnern ist bei manchen von ihnen so eine Sache.
Denn: Das von der Caritas-Fachstelle Demenz und der Alzheimer Gesellschaft Gelsenkirchen ins Leben gerufene Tanzcafé richtet sich vor allem an dementiell erkrankte Senioren und deren Ehepartner oder Familienangehörige. Den Kampf gegen das Vergessen tritt man hier mit Musik, Kaffee und Kuchen an – genauso wie früher. „Und genau das bringt so manche Erinnerung zurück“, erklärt Mitorganisatorin Rita Brand-Matz von der Alzheimer Gesellschaft.
Die Senioren können sich hier von 14.30 bis 16.30 Uhr ein Stück weit zurück in die alten Zeiten träumen, einmal wieder so tanzen wie früher. Und auch, wenn viele mit ihren Rollatoren hergekommen sind, stehen diese unbeachtet in einer Ecke des Cafés, heute soll’s – genauso wie früher – noch mal ohne gehen. Beim Tanzen (unter)stützen die rüstigeren (Ehe)-Partner, die eigenen Kinder oder mitgekommene Bekannte. Denn auch für betroffene Angehörige dient ein solcher Nachmittag sowohl als Unterstützung wie auch als Unterhaltung.
Besucher erinnern sich an jede einzelne Textzeile
Die erste Stärkung ist vollzogen, die selbst gemachten Kuchen- oder Tortenstücke sowie ein Tässchen Kaffee oder bei dem warmen Wetter auch mal ein Kaltgetränk munden den rund 25 Senioren gut. Als die ersten Takte von Vicky Leandros‘ ‚Ich hab‘ die Liebe gesehen‘ erklingen, wird fleißig gewippt, geklatscht und gesungen. Die Besucher erinnern sich noch an jede einzelne Textzeile.
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So auch Heinz Skuwsch (78). Er singt jedes einzelne Wort mit, wohlig lächelnd neben seiner Frau Margret (77) sitzend. „Gerade an solche Lieder erinnert er sich noch sehr gut“, sagt Margret. Auch sie sieht den Nachmittag als Unterhaltung an, selbst „der Arzt hat gesagt: Tanzen ist besser als Rätselraten.“ Und getanzt wird spätestens wieder, als Labatzki mit dem Lied ‚Hello Again‘ von Howard Carpendale zur Damenwahl aufruft: Dieter Loosen (71) ist da natürlich sehr gefragt, sind die männlichen Besucher hier doch in der Minderheit. Loosen wird von einer Bekannten auf die Tanzfläche geführt. „Dabei konnte ich bis vor Kurzem noch gar nicht tanzen“, lacht er. Das hat er nämlich erst hier gelernt. Weitere Tanzpaare zieht es ebenfalls auf die Fläche, sie wiegen sich im Takt der Musik, während die Sitzengebliebenen laut klatschen, sich weiter mit ihren Tischnachbarn unterhalten oder einfach nur die schöne Atmosphäre an diesem Sommernachmittag genießen. Das Tanzcafé öffnet immer am letzten Donnerstag des Monats von 14.30 bis 16.30 Uhr: das nächste Mal am 28. August.