Essen. Vor dem Landgericht Essen endete der Prozess um eine 17-Jährige, die ihr Kind kurz nach der Geburt getötet hat. Die Gelsenkirchenerin muss nicht ins Gefängnis. Sie wurde von der III. Jugendstrafkammer wegen Totschlags zu einer Strafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Die 16-jährige Gelsenkirchenerin, die ihr Kind unmittelbar nach der Geburt getötet hatte, muss nicht ins Gefängnis. Die III. Jugendstrafkammer am Landgericht Essen verurteilte sie zwar wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, setzte diese aber zur Bewährung aus.
Erleichtert sah die heute 17-Jährige nach dem Urteilsspruch nicht aus, als sie mit ihrer Familie das Gericht verließ. Das Gefängnis bleibt ihr erspart, die Erinnerung an ihr Baby nicht. Sie wird bleiben.
Staatsanwältin Birgit Jürgens hatte am Donnerstag nach sechs Prozesstagen weniger Milde als das Gericht gezeigt. Sie beantragte drei Jahre Jugendstrafe, sah angesichts der Tat keine Möglichkeit, die Gelsenkirchenerin in Freiheit zu lassen. Verteidiger Peter Baumann hatte dagegen an Bewährung gedacht und „um eine angemessene Bestrafung“ gebeten.
Prozess ohne Öffentlichkeit
Sechs Tage hatten die Juristen ohne Öffentlichkeit verhandelt und versucht, das schreckliche Geschehen vom 3. Februar 2013 aufzuklären. Die 16-Jährige, die eher zurückgezogen in ihrem Elternhaus lebte, hatte ihre Schwangerschaft selbst ihrem Freund verschwiegen, mit dem sie bis zum Sommer 2012 zusammen war. Offenbar wusste niemand außer ihr von dem Kind.
Alleine, ohne jede fremde Hilfe, brachte sie den Jungen in ihrem Kinderzimmer im ersten Stock des Elternhauses zur Welt. Gesund war er, 55 Zentimeter groß, 3860 Gramm schwer. Sie ging ins Badezimmer, schnitt ein Loch ins Fliegengitter des Fensters und warf den Säugling hinaus. Danach ging sie in den Hof, packte den Körper in eine Plastiktüte und verbarg ihn in einem Dornengestrüpp in der Nähe. Laut Rechtsmedizin starb der Junge an Hirnblutungen nach dem Sturz und Unterkühlung bei sechs Grad Außentemperatur.
Sie sprach von Totgeburt
Den Eltern war schnell das viele Blut im Kinderzimmer aufgefallen. Die 16-Jährige kam ins Krankenhaus, wo per Ultraschall die Geburt wenige Stunden zuvor festgestellt wurde. Gegenüber den Ärzten sprach sie von einer Totgeburt. Dabei war sie auch im Prozess geblieben. Sie sei nicht davon ausgegangen, dass das Kind gelebt hätte.
Das nahm das Gericht ihr nicht ab. Johannes Hidding, Sprecher des Landgerichts Essen, bestätigte, dass die Kammer sie wegen Totschlags verurteilt hatte. Offenbar hat das Gericht die Tat aber als absolute Ausnahmesituation im Leben der 16-Jährigen gewertet, so dass auf eine drastischere Strafe verzichtet werden konnte. Wie Verteidiger Peter Baumann mitteilte, habe Richter Günther Busold im Urteil die Einschätzung der Kammer klar gemacht: Das Gericht sähe unter erzieherischen Gesichtspunkten wenig Sinn in einer Haftstrafe. Die Angeklagte hat mittlerweile die Hauptschule abgeschlossen und beginnt eine Ausbildung.