Essen. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes droht einem Vater, der sein 18 Tage altes Baby totgeschlagen haben soll, lebenslange Haft. Bislang sitzt der Mann nur wegen Totschlags in U-Haft. In einem ähnlichen Fall bestätigte der BGH jetzt die Verurteilung wegen Mordes mit der Folge lebenslanger Haft.
Dem Essener Marcel B. (26), der seinen 18 Tage alten Sohn totgeschlagen haben soll, droht jetzt sogar lebenslange Haft. In einem ähnlichen Fall hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Verurteilung wegen Mordes bestätigt. In Essen ist nur Totschlag angeklagt.
Mord oder Totschlag – der juristische Unterschied ist für den Täter entscheidend. Bei einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren Haft lässt der Totschlag großen Ermessensspielraum; strafmildernde Gründe werden berücksichtigt. Auf Mord steht aber lebenslange Haft. Ausnahme: Die Schuldfähigkeit des Angeklagten ist eingeschränkt.
Bei der Polizei hatte der 26-Jährige Altenessener gestanden, seinem Sohn zweimal heftig auf den Kopf geschlagen zu haben, weil ihn die Schreie des Säuglings beim PC-Spiel gestört hätten. Der Haftbefehl gegen den Vater hatte zunächst auf Körperverletzung gelautet. Wenige Tage später, das Kind war tot, sprach die Justiz von Totschlag. Der Beschuldigte habe „den Tod des Säuglings billigend in Kauf genommen“, wirft ihm die kürzlich erhobene Anklage vor. Mordmerkmale sieht sie nicht.
Niedrige Beweggründe
Anfang der Woche veröffentlichte aber der BGH eine Entscheidung, nach der ein 24 Jahre alter Vater aus Hessen lebenslang in Haft muss, weil er seinen vier Wochen alten Sohn mit Schlägen gegen Kopf und Brust tödlich verletzte. Weil der Junge schrie, hatte der Vater keine DVD gucken können. Das Landgericht Limburg verurteilte ihn deshalb wegen Mordes.
Das vom BGH bestätigte Urteil sieht als Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“. Es habe „ein besonders krasses Missverhältnis zwischen Anlass und Tathandlung“ vorgelegen. Die Limburger Richterin Karin Walter: „Er hat das Baby aus Wut getötet, weil er seine Ruhe haben und eine DVD anschauen wollte. Das ist eine auf sittlich tiefster Stufe stehende, besonders verwerfliche und verachtenswerte Tat.“
Die Essener Justiz prüft aktuell die Anklage gegen Marcel B., auch die Frage Mord oder Totschlag. Johannes Hidding, Sprecher des Landgerichtes: „Der BGH ist für die Gerichte ein wichtiger Orientierungspunkt. An die rechtliche Wertung der Staatsanwaltschaft sind die Gerichte nicht gebunden.“ Verteidiger Volker Schröder sieht „erschreckende Parallelen“ beider Fälle. Sein Mandant werde psychiatrisch begutachtet, so dass „uns eine nicht nachvollziehbare Tat hoffentlich erklärt wird“.
Schwierige Unterscheidung
Hidding betont, dass gerade bei Tötungsdelikten die Unterscheidung von Mord, Totschlag und Körperverletzung mit Todesfolge rechtlich oft schwierig sei. Bei Babys kommt hinzu, dass bei ihrer Tötung in der Regel das Mordmerkmal der Heimtücke ausscheidet, weil ein Säugling laut Rechtsprechung nicht „arglos“ sein kann.
Aktuelle Fälle spiegeln wider, wie unterschiedlich die Strafjustiz die Tötung von Kindern einstuft. Das Landgericht Arnsberg verurteilte erst vor wenigen Wochen eine 22 Jahre alte Mutter aus Soest wegen Mordes zu lebenslanger Haft, weil sie ihr vier Monate altes Mädchen verdursten ließ. Sie hatte das Kind in der Wohnung allein gelassen und feierte lieber in einer Diskothek in Münster.
Am Landgericht Dortmund läuft dagegen seit dem vergangenen Jahr der Prozess gegen eine 32-Jährige aus Lünen, die ihren sieben Monate alten Sohn zu Tode geschüttelt haben soll. Sie muss sich vor dem Schwurgericht lediglich wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten.