Gelsenkirchen. Wer in Gelsenkirchen beim öffentlichen Urinieren erwischt wird, zahlt jetzt ein Verwarnungsgeld von 55 Euro. Früher waren es 35 Euro. Monatlich verhängt die Stadt fünf Verwarngelder. Problem: Für weitreichende Kontrollen braucht man mehr Personal.

Müssen zu müssen, kennt keine Saison. Festivals, Karneval oder Fußballspiele, um nur einige Beispiele zu nennen, wo gern zum Glas oder zur Flasche gegriffen wird, sorgen für viel Druck auf die Blase. Gleichwohl auch für genauso viel Ärger. Nämlich für die, die nah an Pinkelecken leben oder oft an ihnen vorbei kommen. Und für jene, die erwischt werden. Für die einen ist es der unangenehme Gestank, für die anderen das Verwarngeld, was für Frust sorgt.

Auskunft, wie teuer es wird, wenn man/frau auf frischer Tat ertappt wird, gibt seit neuestem der 1. Deutsche Wildpinkler Verwarn- und Bußgeldatlas. Das vierseitige Werk als „Atlanten“ zu bezeichnen, ist zu viel des Guten, aber immerhin zeigt es das, was Freilufturinierer zu berappen haben: Köln kassiert 200 Euro, München 100 Euro – in Gelsenkirchen ist das Wildpinkeln dagegen fast ein Schnäppchen.

Verwarngeld von 55 Euro fällig

Sich pullernd an die Straßenecke zu stellen, ist auch hier verboten – außer man/frau tut es auf seinem uneinsehbaren Privatgrundstück. Wird man jedoch in flagranti vom Ordnungsamt erwischt, „ist ein Verwarngeld von 55 Euro fällig“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. Früher waren es mal 35 Euro. Folgt zudem noch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren, liegt die Messlatte höher, bei gut 1000 Euro. Dazu, sagt Schulmann, sei es bislang nicht gekommen. „Im Schnitt laufen bei uns fünf Fälle von Wildpinklern im Monat auf, oft in Bahnhofsnähe.“

Deutlich mehr „Überläufer“ sieht Probst Manfred Paas rund um die Kirche St. Augustinus in der Innenstadt von Gelsenkirchen. „Eingänge, Türen, Treppen“, sagt der Geistliche, „jede Ecke wird genutzt.“ Ganz Sportliche kletterten sogar über den Gartenzaun und strullerten von innen an die Tore. Das Grün rund um die Kirche sei 2000 einem Pflaster gewichen, um weniger stille Örtchen ungewollt anzubieten, auch ließe der Kirchenladen Männer wie Frauen auf die hauseigene Toilette. „Gebracht hat das alles nicht“, sagt der Probst. Dosen und zerbrochene Flaschen „zierten“ neben den anderen Hinterlassenschaften die nahe Umgebung des Gotteshauses. Paas’ Wunsch: „Mehr öffentliche Toiletten, so wie in Holland. Seit es da die Vierer-Urinale gibt, ist in den Städten alles viel sauberer geworden.“

600 Ordner wachen über die Arena

600 Ordner hat Volker Fürderer, Schalkes Direktor für Fanbelange, Mitglieder und Sicherheit zur Verfügung – deutlich mehr als die Stadt mit ihrem Ordnungsdienst (25). Herr wird der Ordner-Trupp den Heerscharen von Fans, die mal müssen und sich irgendwo in die Ecke stellen, aber auch nicht. „Das ist ein sehr sensibles Thema. Wir müssen da viel Fingerspitzengefühl zeigen, wenn sich einige an der Arena in die Büsche schlagen. In erster Linie geht es für uns ums Verhindern von Ausschreitungen“, erklärt Fürderer die Vorgehensweise.

Nichtsdestotrotz, geahndet wird öffentliches Strullern im und am Fußballtempel dennoch: und zwar mit 25 Euro laut Stadionordnung (§ 7). „50 Fälle hat es in der vergangenen Saison gegeben“, Eskalationsstufen, also der Klageweg, wurden nicht beschritten.

Zurück zur Innenstadt. Am Heinrich-König-Platz wird es nach Fertigstellung eine öffentliche Toilette geben – jeweils für Frauen, Männer und für Behinderte. Ob das WC das öffentliche Urinieren verhindert? Kaum, aber vielleicht senkt das die Zahl der Wildpinkler spürbar.

Zum Schluss: In der indischen Millionenstadt Mumbai haben die Aktivisten von „Sauberes Indien“ einen Wasserwerfer auf einem Lkw montiert, kämpfen damit gegen die Wildpinkler. Aber von solchen Extremen ist Gelsenkirchen noch weit entfernt . . .

Umfrage unter 51 Kommunen in Deutschland

Der 1. Wildpinkel Atlas geht auf den Aachener/Halberstädter Taschen-WC-Hersteller Adamusgroup zurück.

Das Unternehmen hatte eine bundesweite Umfrage unter 51 Kommunen initiiert und die Verwarnungs- und Bußgelder zusammen getragen. Nicht ganz uneigennützig verweist die Adamusgroup auf ihre patentierten „Taschen-Örtchen“.

Dabei bindet ein Gel im Beutel die Flüssigkeit, verfestigt sich binnen weniger Minuten geruchshemmend und kann umweltfreundlich in jedem Abfallbehälter entsorgt werden.