Gelsenkirchen. Dieter Schulze-Marmeling referierte in der Gelsenkirchener Synagoge über „Fußball unterm Hakenkreuz“. Seine Einschätzung: Dieses Thema wird uns in Zukunft noch weiter verfolgen.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat jüngst vor dem Vormarsch von Nazis in Fußballstadien gewarnt. Buchautor Dietrich Schulze-Marmeling hat Gleiches beobachtet. Auf Einladung des Schalker Fanprojekts gab der Experte in der Neuen Synagoge Einblicke in sein Buch „Hakenkreuz und rundes Leder“ und stellte sein Fachwissen zur Rolle des Fußballs im Dritten Reich unter Beweis.
Der Schock über die Hakenkreuz-Schmiererei auf der Außenmauer der Synagoge an der Georgstraße vor gut einem Monat sitzt bei Judith Neuwald-Tasbach noch tief. „Man macht sich Gedanken“, sagt die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde. Der Täter ist bis jetzt nicht gefunden. Ein Schalke-Fan, der vor dem letzten Derby den Arm zum Hitlergruß gehoben haben soll, hat sich mittlerweile gestellt. Hendrik Jochheim, Diplom-Sozialpädagoge beim Fanprojekt, hat Kontakt zu dem jungen Erwachsenen aufgenommen. Demnach lässt er sich wohl nicht der rechten Szene zuordnen.
„Wenn das so ist, wäre heute für ihn eine gute Gelegenheit gewesen, sich blicken zulassen“, zeigte sich Judith Neuwald-Tasbach gesprächsbereit. Bislang seien Rechtsradikale, so Jochheim, kein Problem auf Schalke. „Aber das haben andere Fan-Projekte auch lange geglaubt“, weiß der Sozialarbeiter um die Gefahr. „Dieses Thema ist deshalb immer Schwerpunkt unserer Arbeit.“ Bereits zum dritten Mal haben das Schalker Fanprojekt und die jüdische Gemeinde daher zu einer gemeinsamen Veranstaltung geladen.
Vereine sind selbst aktiv geworden
Auf über 600 Seiten ist Herausgeber Dietrich Schulze-Marmeling in dem Buch „Hakenkreuz und rundes Leder. Fußball im Nationalsozialismus“ der Frage nachgegangen, wie aus Sportfreunden Mörder werden konnten. „Ein ziemlich dicker Ziegel“, gesteht er ein. Statt einer Lesung gab der Autor einen Überblick über die Anfänge des Fußballs in der Weimarer Republik bis hin zur Gleichschaltung des Deutschen Fußballbundes und die schleppende Aufarbeitung nach dem Zweiten Weltkrieg. Erkenntnis: Bei der „Arisierung“ seien die Vereine aktiv geworden, ohne dass Druck bestanden hätte. Jüdische Mitglieder habe man ausgeschlossen, ohne dass dies vorher ausdrücklich politisch gefordert worden sei.
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„Dass der Verband instrumentalisiert wurde, kann man nicht behaupten.“ Vielmehr habe der DFB das Führerprinzip genutzt, um eigene Interessen, wie die Rückkehr zu den Amateur-Statuten, durchzusetzen. Nach dem Krieg sei die Geschichte dann schön geschrieben worden. Darüber, dass jüdische Fußballer verschwanden und getötet wurden, sei lange nicht gesprochen worden. Schulze-Marmeling versteht sich als Archäologe, der bei seiner Suche auf viel jüdisches Leben gestoßen ist, dass aus Chroniken verschwunden ist.
„Das Thema wird uns weiter verfolgen“, schätzt der Autor. „Was auf der Dortmunder Südtribüne passiert, war eine Geschichte mit Ansage“, sagt das BVB-Mitglied kritisch. Der Verein habe das Problem über Jahre ignoriert. Offener in der Aufbereitung der Geschichte, auch wegen seiner jüdischen Prägung, sei der FC Bayern. Der Druck dazu sei aber von den Fans gekommen, vor allem durch die Münchener Ultras. Der Experte mahnt: „Wir dachten vor zehn Jahren, dass das Thema Nazis im Fußball erledigt ist, aber man muss sich permanent damit auseinandersetzen und darf sich nie zurücklehnen.“