Gelsenkirchen. Es war ein besonderes WAZ-Medizinforum im St. Elisabeth Krankenhaus. Weil es um die Volkskrankheit geht, über die man nicht gern spricht - Depression. Auf eine kurze Einleitung folgte eine lange Fragerunde – mit Antworten von Chefarzt Dr. Jan-Niclas von Verschuer und Oberarzt Christoph Stankiewicz.
„Stellen sie sich vor, sie sitzen in einem tiefen Tal und da ist überhaupt keine Sonne. Und sie haben das Gefühl, sie kommen da nie wieder raus. So fühlt sich eine Depression an“, erklärt Dr. Jan-Niclas von Verschuer, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Elisabeth-Krankenhauses.
Es ist ein besonderes WAZ Medizinforum. Weil es um die Volkskrankheit geht, über die man nicht gern spricht. Und weil es anders funktioniert, auf eine kleine Einleitung eine lange Fragerunde folgen soll. Doch zuvor liefert Verschuer Fakten: „Ein Drittel der Patienten haben eine depressive Phase im Leben. Ein weiteres Drittel hat zwei bis vier depressive Phasen im Leben, das letzte Drittel vier oder mehr.“ Dabei sei es kein Symptom, dass man sich mal schlecht fühle. „Einen Weltschmerztag hat jeder mal. Das entscheidende Kriterium ist, dass muss länger anhalten.“ Besonderes Warnsignal sei, wenn Betroffene lieb gewonnene Tätigkeiten, wie etwa Sport, nicht mehr ausüben.
Wie erkennt man Depressionen?
„Fragen sie doch einfach mal ihre Freunde, erlebt ihr mich anders?“, rät Dr. Jan-Niclas von Verschuer. „Die merken das doch auch. Oder gehen sie zum Arzt und fragen sie den. Und wenn sie Angehöriger sind, dann rate ich, verheimlichen sie nichts. Sprechen sie alles offen an und wenn es nötig ist, raten sie, zum Arzt zu gehen.“
Hilft räumliche Veränderung?
„Man muss schon schauen, wo fühlt sich der Betroffene wohl. Ich sehe zum Beispiel die Schwierigkeit, wenn man aufs Land zieht, da finden sie schwer Freunde. Der depressive Mensch isoliert sich ohnehin. Wie soll der jemals jemanden kennenlernen. Wenn aber sich jemand wirklich wohl fühlt auf dem Lande, kann ein Ortswechsel sicher helfen.“
Wie viel darf ich fordern?
„Der Grat zwischen Über- und Unterforderung ist schmal“, so der Mediziner. „Wichtig ist, dass Angehörige den Betroffenen nicht schonen. Wenn sie einen Depressiven völlig in Ruhe lassen, fühlt er sich abgestellt. Vielleicht fragen sie einfach, traust du dir das zu?“
Werden Depressionen vererbt?
„Nein. Es ist keine dominante Vererbung. Es gibt ein Genom, bei dem die Gefährdung größer ist“, erklärt der Chefarzt. „Was man sagen kann, dass es oftmals unsichere Menschen trifft. Depressionen haben etwas mit dem Selbstbewusstsein zu tun. Und das wird durch die Erziehung beeinflusst.“ Einen Zusammenhang zum Elternhaus gebe es also - durch Prägung.
Wie ist der Stand der Forschung?
„Es wird sehr viel geforscht rund um die Depression. Aber es kommen wenig Medikamenteninnovationen auf den Markt. Heute setzen wir zum Teil wieder ganz alte Wirkstoffe ein, weil die wirksamer sind als manche neue. Wir schauen sehr genau hin, wenn neue Medikamente auf den Markt kommen und sind auch sehr zurückhaltend“, versichert Dr. Jan-Niclas von Verschuer. Und: „Ich möchte meine Patienten nicht zu Versuchskaninchen machen.“
Wie sieht es mit Therapieplätzen aus?
Obwohl die Depression eine Volkskrankheit ist, mangelt es an Therapieplätzen. Die durchschnittliche Wartezeit in Gelsenkirchen beträgt bis zu zwei Jahre. Dr. Jan-Niclas von Verschuer rät Betroffenen, in ganz NRW zu suchen und sich an die Ärztekammer Westfalen-Lippe in Dortmund zu wenden. Dort gebe es eine Info-Stelle, bei der alle freien Plätze gemeldet werden.