Gelsenkirchen. . Claire Maunoury vom Institut für Stadtgeschichte stellte den Bildband „Zwischen Pütt und Beat-Musik“ vor. Menschen und Ereignisse aus den Sechziger Jahren
Abschied von züchtigem Modedesign, Aufbruch, Protest und revolutionäre Musik bestimmten die 60er Jahre. Es war ein Jahrzehnt der Veränderungen. Jetzt hat Claire Maunoury vom Institut für Stadtgeschichte in einer Fotodokumentation die Menschen aus den wilden Sechzigern ins Bild gerückt. „Zwischen Pütt und Beat-Musik“ titelte sie ihren Bildband, der Einblicke gibt ins Familienleben, in die Arbeits-, und Freizeitwelt Gelsenkirchener Bürger.
Die Röcke werden allmählich kürzer, die Haare der Männer in zaghafter Revoluzzermanier länger. Bei Festen zapfen die Wirte noch heimischen Gerstensaft. „Zum Glück Dein Bier“, wirbt die Glückaufbrauerei für ihr Pilsbräu bei einer Modenschau 1969 auf der Bahnhofstraße. Die Menschen drängeln sich auf der „heißen Meile“ um einen Laufsteg, auf dem Mannequins mit neuen modischen Accessoires kokettieren.
„Konten existierten nicht"
Die Autorin und Diplomarchivarin hatte sich beim nostalgischen Blättern der Seiten in der Buchhandlung Junius mit Peter Neubauer einen authentischen Gesprächspartner ausgewählt. Der 71-Jährige war von 1988 bis 2010 Verwaltungschef des Musiktheaters, kennt zu vielen Fotos auch die passenden Geschichten. Wie beispielsweise die über die heimische Beatband German Blue Flames, die 1964 im Jahnbad mit Rhythm & Blues & Jonny Premiere feierte, sich zwei Jahre später auflöste.
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Als Bergmannskind hat er Protestmärsche miterlebt, bevor 1966 der letzte Kohlewagen die Zeche Graf Bismarck verließ. „Die haben am letzten Arbeitstag zehn Mark mit auf den Weg bekommen.“ Als Steppke beobachtete er das Ritual bei Rentenauszahlungen. „Konten existierten nicht, die holten sich ihre Rente in Kneipen, während die Frauen draußen warteten und anschließend ihre Männer zur Kasse baten.“
Im gräflichen Westerholter Wald brüllten 42 Löwen
Neugierige Schüler bestaunen einen Fuchswelpen, den der Lehrer zum Naturkundeunterricht mitgebracht hat, Kinder naschen aus einem Korb voller Birnen, die nach der Ernte im Familienauto verstaut wurden. Studentenproteste, Urlaubsidylle am Rhein-Herne-Kanal gehören zur Realität der 60er wie die Tauben- und Kaninchenzüchter. Gelsenkirchener konnten 1968 sogar auf Foto-Safari gehen, als im gräflichen Westerholter Wald 42 Löwen brüllten.
Natürlich findet auch der Fußball und damit Schalke 04 seinen Platz in der Chronik. Schon als Knirps war Peter Neubauer Dauergast in der Glückauf-Kampfbahn, schmuggelte sich in Begleitung eines Erwachsenen auf den Platz. Doch die 60er Jahre gehörten leider nicht zu den erfolgreichsten der Knappen.