Gelsenkirchen. . Karlheinz Rabas, Vorsitzender des Stadtteilarchivs Rotthausen, hat die Tagebücher der Schwestern im ehemaligen Rotthauser Krankenhaus aus dem Sütterlin „übersetzt“. Die Einträge dokumentieren den Schrecken und die Dramatik des 2. Weltkriegs im Gelsenkirchener Süden.

„Der 13. Janauar 1943 bleibt uns unvergesslich. Viele Brandbomben fielen rings um unser Haus. Zwei fielen in die Kirche, wurden ab vom Herrn Pastor gelöscht. Die Glasfabrik Delog uns gegenüber: Die Flammen schlugen haushoch. Durch Gottes Vatergüte blieben wir verschont. Auch fielen in Rott­hausen mehrere Sprengbomben.“ – Durch Zufall hat der Heimatforscher Karlheinz Rabas Kriegstagebücher gefunden. Geschrieben haben sie Schwestern des ehemaligen Rotthauser Krankenhauses, das von 1900 bis 1974 an der Mozart­straße/ Ecke Haydnstraße in Betrieb war. 1976 war der Bau gegenüber der katholischen Kirche St. Maria Himmelfahrt abgebrochen worden. Heute befindet sich dort laut Rabas eine Wohneinrichtung für Senioren.

Chronik bereits 1996 kopiert

Der erste Eintrag aus dem Jahr 1942, den der Vorsitzende des Stadtteilarchivs Rotthausen aus dem Sütterlin übersetzte, lautet wie folgt: „Das schreckliche Toben des Krieges nimmt noch kein Ende. Am Fronleichnamsfest fielen Bomben in Gelsenkirchen. Die Erschütterung im Hause war groß, aber kein Toter oder Verletzter.“ Rabas hat diese Tagebücher bereits vor Jahren in Händen gehalten. 1996 war er ins Ordensarchiv im Kloster Maria Hilf in Dernbach gefahren. Dort nämlich befindet sich die Chronik des Rotthauser Krankenhauses, das von dem Orden der Armen Dienstmägde Jesu Christi betrieben wurde. Damals war Rabas auf der Suche nach Informationen über Dr. Bertram, der 17 jüdische Mädchen nach dem Großangriff auf die Benzinfabrik Gelsenberg behandelt hatte. Rabas: „Und zwar bis Kriegsende, obwohl sie schon gesund waren - Um sie vor der Deportation zu bewahren.“

Dramatik und purer Schrecken

Rabas machte eine Kopie der gesamten Krankenhaus-Chronik – er schwärmt noch heute von dem damals hochmodernen Kopierer des Klosters – und brachte sie nach Gelsenkirchen ins Stadtarchiv. Dort fiel ihm die Chronik zufällig wieder in die Hände und er machte sich daran, die in Sütterlin geschriebenen Tagebuch-Einträge abzuschreiben - keine leichte Aufgabe. „Die Schriften sind sehr unterschiedlich, jede Schwester hat anders geschrieben“, so Rabas.

Aus der Chronik des Rotthauser Krankenhauses

„1899 besitzt die kath. Gemeinde an der Klosterstraße (heute: Mozartstraße) das ,Marienhaus, Schwesternheim für Erziehung und Unterricht’. Die Schwestern – ,Arme Dienstmägde Christi aus dem Mutterhause zu Dernbach’ – eröffneten zuerst eine Handarbeitsschule für schulentlassene Mädchen und eine Kinder-Bewahrschule. 1905 wurden zwei weitere Kinder-Bewahranstalten errichtet.

Im Jahr 1900 genehmigte die Regierung dann die Eröffnung einer Krankenheilanstalt im Marienhaus. 1905 übten schließlich neun Schwestern an ungefähr 190 erkrankten Insassen die Pflege.“

Dramatik und den puren Schrecken dokumentieren die Einträge aus dem Jahr 1945: „Das Jahr 1945 lag dunkler vor uns als je ein Jahr. Die Terrorangriffe wurden immer häufiger. Ein Angriff folgte dem anderen. . . Am 2. Februar wurde unser früheres Isolierhaus, das jetzt nur operierte Kranke barg, von einer Bombe stark beschädigt. Die rechte Seite des Hauses war von unten bis oben nicht mehr bewohnbar. . . 19. Februar: bei einem Angriff auf die Glasfabrik Delog wurden sämtliche Fenster des Hauses zertrümmert. . . Am 23.Februar lagen die Brandbomben um unser Haus wie gesät. Wir konnten nur den Schutz Gottes preisen.“

Auszüge aus den Tagebüchern

„6. November 1944: Großangriff auf Gelsenkirchen. 180 Verletzte gingen durch unser Haus, 84 Schwerverletzte blieben. 8. März 1945: 400 Bomben fielen auf den Flughafen. Wir konnten nur sechs Verletzte nehmen, da alles belegt war. 9. März 1945: Wieder Großangriff auf Dahlbusch und Delog. Im Keller saßen wir wie auf einem Vulkan und über uns ein Getöse als ging die Welt unter. 15. März 1945: Die Glasfabrik wurde wieder getroffen. In der Steinhalle fanden 15 Landsturmmänner den Tod. 19. März 1945: Da der Feind immer näherrückte, gab es jetzt auch Artilleriefeuer. 7. April: Um 15 Uhr zog der Amerikaner ein. Wenn es für uns Deutsche auch eine große Niederlage war, so danken wir alle Gott für die Erlösung aus dieser großen Not.“