Gelsenkirchen. . Der TürkischerLehrerverein hatte am Samstag zum „Tag des Kindes“ ins Max-Planck-Gymnasium eingeladen. Der Personenkult um Staatsgründer Atatürk begleitete das Fest für die Heranwachsenden ...

600 Kinder und Eltern kamen in die Aula des Max-Planck-Gymnasiums, um den „Tag des Kindes“ zu feiern. Der türkische Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk führte den Feiertag am 23. April 1920 ein. Mittlerweile wird „Nisan 23“ als internationales Kinderfest weltweit gefeiert. Auch in Gelsenkirchen, wo der türkische Lehrerverein einlädt. Am Samstag trugen Kinder Gedichte vor, sangen Lieder, führten Tänze auf. Einziger Beigeschmack: Der Personenkult um Atatürk, der die Veranstaltung begleitete.

Dass ein Kinderfest mit Nationalhymne eröffnet wird, ist gewöhungsbedürftig. Und dass es trotz der Überschrift „International“, dann nur die Deutsche und Türkische war, mutet doppelt irritierend an. Denn auch eine kroatische Gruppe hatte sich am bunten Programm beteiligt.

Große Politik für kleine Gäste

Auf der Bühne, die für die nächsten vier Stunden eigentlich den Kindern gehören soll, hängt neben der deutschen, der türkischen und der europäischen Flagge auch ein großes Bild mit dem Konterfei Atatürks. Der türkische Generalkonsul Cemal Tosyali erinnerte in seinem Grußwort an die nationale Souveränität, die die Türkei dank Atatürk ebenfalls an besagtem 23. April erlangte. Große Politik für kleine Gäste.

Die Hauptprotagonisten ließen sich davon nicht beeindrucken. Mühevoll einstudierte Volkstänze, Gedichte, Chorauftritte und der große Vorlesewettbewerb in deutscher und türkischer Sprache sorgten beim Publikum für Abwechslung und bei den Kids sichtlich für Spaß.

Freundschaft soll gefördert werden

Ein Dutzend Grundschulen nahmen an der Veranstaltung teil. „Wir haben das Fest seit 1977 nicht einmal ausfallen lassen“, berichtet der Vorsitzende des türkischen Lehrervereins, Temel Capkin, nicht ohne Stolz. Immer mehr Vereine und Schulen hätten sich an dem Fest beteiligt. Vor der Aula informierten u.a. der städtische „Sozialdienst Schule“, die Kampagne „Klima GEnial“, das Netzwerk „Kein Kind zurücklassen“, der deutsch-türkische Hilfsverein und die „DiTib“-Moscheevereine. Capkin: „Mir geht es darum, dass die Kinder für ihr Leben lernen.“ In seiner Rede wies er darauf hin, dass der Tag der Förderung der Freundschaft unter Kindern diene, „damit sie in Frieden zusammen leben, wenn sie erwachsen sind“. Schirmherr Frank Baranowski klammerte in seinem Grußwort den Ursprung des Festes aus und erinnerte stattdessen an die Gelsenkirchener Prägung des „Internationelen Kinderfestes“. Austausch und das gegenseitige Kennenlernen stünden im Vordergrund.

Staatsgründer ist nicht unumstritten

Mustafa Kemal Atatürk, der „Vater der Türken“, gilt in seiner Heimat als moderner Wegbereiter Richtung Westen und wird deshalb auch von vielen deutschen Politikern hoch angesehen. Bei den jüngsten Protesten gegen den religiös-konservativen Ministerpräsidenten Recep Erdoğan beriefen sich Demonstranten auf Atatürk, der u.a. Staat und Religion trennte, die Verschleierung verbot, die Schulpflicht einführte und die Emanzipation vorantrieb. So makellos wie Atatürk auch beim „Internationalen Kinderfest“ in Gelsenkirchen präsentiert wurde, ist er aber nicht. Die radikale Durchsetzung seiner Reformen wird von Politikwissenschaftlern als undemokratisch kritisiert. Vor allem Minderheiten wie Kurden, Aleviten oder christliche Armenier – auch Kinder – hatten unter Atatürk wenig zu lachen.

In der Türkei kann von der Justiz bestraft werden, wer Atatürks Andenken herabsetzt. Seine Partei, die CHP, ist heute in der Türkei die größte Opposition zu Erdoğans AKP, die sich zunehmend auf die alte Vormachtstellung des Osmanischen Reichs besinnt. Auf die Frage, ob der Konflikt zwischen diesen Lagern auch bei den Menschen in Gelsenkirchen Thema sei oder gar spalte, mochte der Vorsitzende des Lehrervereins nicht konkret antworten.

Temel Capkin: „Das müssen andere beantworten, ich bin schließlich nur Lehrer.“ Nur so viel: „Mir ist wichtig, dass Kinder ohne Vorurteile groß werden.“