Gelsenkirchen. Unter dem Dach des Gelsenkirchener Agenda21-Büros hat sich die Initiative „Gut gemischt mobil“ gegründet. Sie setzt beim Autofahren verstärkt aufs Teilen. Mit dem “Nachbarschaftsauto“ soll über eine Internet-Plattform eine neue Form des privaten Car-Sharings organisiert werden.

„Gut gemischt mobil“, so nennt sich eine Initiative unter dem Dach des Agenda21-Büros, die Alternativen zum reinen PKW-Fahren aufzeigen will. „Zu Fuß“, „Mit dem Fahrrad“, „Mit Bus und Bahn“ sind dabei drei der Pfeiler. „Mit dem Auto“ kommt nun mit einem neuen Aspekt hinzu: Seit Anfang des Jahres gibt es in Gelsenkirchen eine neue Form des privat organisierten Car-Sharings. „Nachbarschaftsauto“ nennt sich die Internet-Plattform, über die das System organisiert wird.

„Noch sind wir in der Testphase, aber immerhin haben wir seit Jahresbeginn unsere Flotte in Gelsenkirchen schon von 0 auf 5 gesteigert“, sagt Anne Masjosthusmann, die das Konzept „Gut gemischt mobil“ mitentwickelt hat und „das Nachbarschaftsauto“ nun auch als Idee in die Stadt tragen will. „In Großstädten wie Berlin funktioniert das schon richtig gut, da gibt es Straßenzüge, wo ein Nachbarschaftsauto neben dem anderen steht“, sagt sie.

Vollkasko während der Ausleihzeit

Zu erkennen sind die Autos, die mitmachen, nämlich an den Aufklebern mit dem Schriftzug „Ich bin ein Nachbarschaftsauto“. Und das Prinzip dahinter ist denkbar einfach: Wer ein Auto hat, das oft nur in der Garage oder am Straßenrand steht, kann dieses an andere Gelsenkirchener vermieten, die vielleicht kein eigenes Auto haben. Stunden-, tage- oder wochenweise. Den „Mietpreis“ legt dabei jeder Autobesitzer selber fest, die Internetseite gibt ihm Tipps dazu an die Hand. „Es ist ganz einfach, bei ‚Nachbarschaftsauto‘ mitzumachen“, verspricht Anne Masjosthusmann; „Man muss sich lediglich einmal auf der Internetseite anmelden, kann dann angeben, welches Auto man fährt und wo es normalerweise steht.“

Auch Fotos können hochgeladen werden. „Für diejenigen, die ein Auto ausleihen möchten, wird dann auf einer Karte angezeigt, an welchen Standorten ein Auto verfügbar ist, was für ein Modell das ist und was das Ausleihen kosten wird.“ Per Mail und SMS bekommt der Anbieter dann eine Anfrage – so kann man sich zur Schlüsselübergabe verabreden. Die finanzielle Abwicklung läuft ausschließlich über das Paypal-System – denn neben der Miete wird auch eine Pauschale an die Internetplattform fällig. Damit wird, so Masjosthusmann, vor allem die Vollkasko-Versicherung gezahlt, die – unabhängig davon, wie das Auto „normal“ versichert ist, während der Ausleihzeiten greift.

Schwierige ÖPNV-Verbindung zwingt zum Auto

Niels Funke ist seit Jahresbeginn dabei und von Idee und Praxis begeistert. „Ich wohne in Hattingen und arbeite hier in Gelsenkirchen. Da die ÖPNV-Verbindung zwischen beiden Städten sehr aufwändig ist, habe ich mir irgendwann ein eigenes Auto zugelegt. Doch das steht jetzt während meiner Arbeitszeit hier acht Stunden lang in Gelsenkirchen herum und blockiert einen Parkplatz. Deshalb kam mir die Idee sehr entgegen, dass sich Leute das Auto während dieser Zeit ausleihen können. So kann ich nebenbei sogar noch Geld damit verdienen“, sagt er.

Vier Euro kostet bei ihm das Mieten pro Stunde, 21 Euro für den Tag und 110 Euro pro Woche. „Ich habe bereits eine Stammkundin, die sich das Auto öfter mal ausleiht“, sagt er. Natürlich gelte in seinem Auto absolutes Rauch- und Essverbot. Angst, dass etwas schief geht, er das Auto verbeult oder verdreckt zurück bekommt, hat er nicht. Funke: „Ich schaue mir die Leute ja vorher bei der Schlüsselübergabe ganz genau an. Zudem gibt es auf der Internetseite ein Bewertungssystem. So kann man vorab schon sehen, ob jemand zuverlässig ist oder nicht.“

23 Stunden des Tages steht das Auto meistens ungenutzt herum

Connie Mealing aus Buer ist ganz frisch mit dabei. „Ich habe jahrelang ohne Auto gelebt und alles zu Fuß oder mit dem Rad erledigt. Doch bei drei Kindern braucht man ab und zu eben doch ein Auto. Weil das nächste Carsharing-Auto eines kommerziellen Anbieters hinter dem Hauptbahnhof hier im Stadtsüden stand, war es für mich keine wirkliche Alternative. Deshalb habe ich mir schweren Herzens einen eigenen Kleinwagen angeschafft. Und kam dann auf die Idee, diesen auch mit anderen Leuten zu teilen. Denn ganz ehrlich: 23 Stunden des Tages steht das Auto meistens ungenutzt herum. Warum sollte es in dieser Zeit nicht jemand anderes nutzen?“

Ein Wagen in jedem Stadtteil

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Connie Mealing hat sich von Anne Masjosthusmann bei einer Art „Tupperware-Party fürs Nachbarschaftsauto“ informiert und hatte dazu auch Bekannte und Nachbarn eingeladen. „Ich hoffe, dass sich die Idee in Gelsenkirchen herumspricht“, sagt Mealing, die sich auch an wissenschaftlichen Studien zum Thema Mobilität beteiligt hat. „Man braucht natürlich eine kritische Masse, damit so etwas funktioniert.“ Bis zum Jahresende strebt die Initiative „Gut gemischt Mobil“ 21 „Nachbarschaftsautos“ an. „Ein Traumziel wäre es natürlich, über 40 Autos zusammenzubekommen. Eines für jeden Stadtteil. Damit die Wege nicht so weit sind“, so Masjosthusmann.