Gelsenkirchen. . Die Fußgängerzone zählt zu den Top Ten der meist frequentierten Fußgängerzonen, die Pro-Kopf-Verschuldung liegt weiter hinter Essen, die Jugendarbeitslosigkeit ist gesunken, dennoch klebt an der Stadt das Vorurteil, dass sie es „nicht geschafft“ hat. Das liest man in der Wochenzeitung „Zeit“.

Da ist es wieder, das schlechte Image von Gelsenkirchen. Immer wieder taucht es auf, kreuz und quer durch die Republik. Gelsenkirchen ist die Stadt, die es nicht geschafft hat, etwas aus sich zu machen. Gelsenkirchen, das ist der Osten im Westen. Zu diesem Ergebnis ist jüngst auch das Magazin der Wochenzeitung „Die Zeit“ gekommen.

Bei ihrem Test (Stichtag 31. Januar 2014) über automatische Ergänzungen zu Google-Suchanfragen nach dem Muster „Großstadt XY ist ...“ ermittelte die Zeit-Redaktion für die Stadt Gelsenkirchen das Attribut „asozial“ und untermauert das mit einem Städteranking, wonach die Stadt auf Platz 71 (von 71) liegt.

Wem nutzen Städterankings?

Das Attribut „asozial“ hat im Rathaus für Verstimmung gesorgt, denn solche Stimmungsbilder kosten Investoren. „Die bedienen nur ein Klischee“, entrüstet sich auch Stadtpressesprecher Oliver Schäfer. „In Gelsenkirchen lebe ich besser als in München.“ Der Familienvater (verheiratet, drei Kinder) verweist auf bezahlbaren Wohnraum, auf die gute Versorgung mit Kita-Plätzen, auf die schulische Infrastruktur, auf „das Grün vor der Nase“ und fragt sich: „Für wen sind solche Städterankings aussagekräftig?“

Was Gelsenkirchen Rang 71 „eingebrockt“ hat, sind u.a. 12,3 Prozent ALG II-Bezieher, nur 37,9 Prozent erwerbstätige Frauen (in anderen Großstädten liegt der Durchschnitt bei 47,4 Prozent), eine Wohnraumvermittlung nach „erst“ 33 Tagen. Im Rathaus weiß man um diese Negativ-Indikatoren. „Das größte Problem ist die hohe Langzeitarbeitslosigkeit“, sagt Stadtsprecher Schäfer. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote bei 15,5 Prozent, die Quote der Unterbeschäftigung bei etwa 19 Prozent. Folgen des Strukturwandels, bei dem rund 55 000 industrielle Arbeitsplätze verloren gingen. Die neuen Branchen bringen Jobs nur in kleinen Dosen, verglichen mit dem, was mit Kohle und Stahl verloren ging. Medicos, zum Beispiel, das größte Gesundheitszentrum in Europa, beschäftigt heute 200 Mitarbeiter.

Und der Fußball? Zumindest lässt er die Übernachtungszahlen steigen, aber die Stadt will nicht auf Schalke 04 reduziert werden. Fußball bringt zu wenig Jobs, und Schalke ist nur ein Stadtteil von Gelsenkirchen. Werner Rybarski, Leiter des Agenda 21-Büros, zitiert die Maxime von OB Baranowski: „Die Bürger sind das Potenzial dieser Stadt, deshalb wird an Bildung nicht gespart.“ Ein Faktor, der der Stadt inzwischen Pluspunkte einbringt: Die Arbeitslosenquote der Jugendlichen veränderte sich in Gelsenkirchen zwischen 2008 und 2012 um minus 2,2 Prozentpunkte. Immerhin: Platz 11 im Städteranking.

Gute Leute, gute Infrastruktur

Gelsenkirchen ist ja gar nicht die Stadt der rauchenden Schlote, war das Fazit von Familie Hüssen, als sie vor drei Jahren die Entscheidung traf, von Niedersachsen nach Gelsenkirchen zu ziehen. „Erst kürzlich haben die drei Kinder gesagt, dass sie hier nicht mehr wegziehen wollen“, erzählt Nicolaus Philipp Hüssen. Er ist seit 2007 Geschäftsführer von Medicos, eine erfolgreiche Reha-Klinik, die nicht nur für die Stadt eine Leuchtturmfunktion hat. „Wir betreuen hier Bundesligisten, nicht nur Schalke 04, und internationale Profisportler.“ In der Stadt habe er von Anfang an große Unterstützung erfahren. „Wenn wir ein Thema haben und beim Wirtschaftsförderungsamt oder beim Baudezernat anfragen, geht das mit extrem kurzen Wegen.“

Gute Leute, Platz für Neuansiedlungen, eine gute Infrastruktur. Da stört auch nicht die hohe Gewerbesteuer (480 Prozent), „die“, so Stadtsprecher Schäfer, „seit immerhin 13 Jahren stabil ist.“ Mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 4300 € (Stand 2013) liegt die Stadt auf dem Niveau von Bonn oder Köln und weit hinter Essen (5600 €) oder Oberhausen (8300 €).

Firmenchefs wie Hüssen sind überzeugt, dass die Stadt es schaffen kann. „Sie würde nur gut daran tun, mit ihren Vorzügen noch mehr zu werben.“