Gelsenkirchen. Die Finanzsituation von 33 Städten hat die IHK Nord Westfalen vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen untersuchen lassen. Gelsenkirchen kommt in seiner Vergleichsgruppe gar nicht mal so schlecht weg.
Die hohe Verschuldung vieler Städte gefährde zunehmend ihre Attraktivität als Standort für Unternehmen. Der Kampf gegen Schulden müsse daher konsequenter geführt werden. Das sagt die IHK Nord Westfalen. Sie beauftragte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI, Essen), die Finanzsituation von 33 Kommunen in der Emscher-Lippe-Region und im Münsterland zu untersuchen. Dazu gehörte auch Gelsenkirchen, dessen Gesamtschulden aktuell bei 1,1 Mrd. Euro liegen. Umgerechnet sind das ca. 4200 Euro je Einwohner.
Die kommunalen Finanzen befinden sich seit Jahren im Stresstest. Wer in Gelsenkirchen lebt, der weiß das aus Erfahrung. Das Tafelsilber ist längst verkauft in dem ehrenwerten Bestreben, der Schuldensituation wirksam zu begegnen. Davon aber kann längst keine Rede mehr sein. Vielleicht noch davon, Löcher zu stopfen.
Viele Städte bemühen sich
IHK-Hauptgeschäftsführer Karl-Friedrich Schulte-Uebbing fasst das Ergebnis der Studie zusammen: „Viele Städte bemühen sich, ihre Verschuldung zu begrenzen – trotz aller sozialen Herausforderungen. Doch selbst wenn stark belastete Städte wie Gelsenkirchen in ihrer Vergleichsgruppe unter den gegebenen Umständen relativ gut abschneiden, bleibt die Lage in der Emscher-Lippe-Region schwierig.“
An dieser Stelle hebt sich das RWI-Werk positiv vom Rest der Ranking-Welt ab. Gelsenkirchen wurde nicht etwa mit Münster in einen Topf geworfen, sondern wurde mit Städten wie Oberhausen, Hamm, Hagen und Herne verglichen. „Das“, sagt Kämmerer Georg Lunemann, „ist auf jeden Fall ein besserer Ansatz, weil es Städte mit ähnlichen Situationen sind.“
Einzelnen Kommunen sollen keine Vorwürfe gemacht werden
Der IHK, betonte Schulte-Uebbing, ginge es nicht darum, einzelnen Kommunen Vorwürfe zu machen, sondern die Diskussion um Schuldenabbau in der lokalen Politik lebendig zu halten. Er wisse sehr wohl, dass manche Städte aufgrund ihrer Sozialstruktur, siehe Gelsenkirchen, die gesetzlichen Leistungen nur durch Schuldenaufnahme leisten könnten. Deshalb sieht der Hauptgeschäftsführer Bund und Land in der Pflicht, wenn es um das Konnexitätsprinzip geht (wer bestellt, bezahlt), „die Kommunen finanziell so zu stellen, dass sie die ihnen übertragenen Aufgaben auch erfüllen können“.
Seit 1995 legt Gelsenkirchen Haushaltssicherungskonzepte auf und nimmt freiwillig am Stärkungspakt Stadtfinanzen teil. Der Stadt Untätigkeit vorzuwerfen, wäre falsch. Auch Prof. Dr. Roland Döhrn (RWI) weiß: „Früher und intensiver als die Vergleichskommunen versuchte Gelsenkirchen, seinen Haushalt über Steuererhöhungen auszugleichen.“
Erhöhung der Grundsteuer B nur, wenn Bund Versprechen nicht hält
Die Spirale aber ist endlich. Lunemann: „Es ist nicht meine Hauptaufgabe, das Defizit in Grundsteuer und Gewerbesteuer umzurechnen, den Weg kontinuierlicher Erhöhungen gehen wir nicht.“ Auch die angekündigte Erhöhung der Grundsteuer B um 100 Prozentpunkte für 2017 werde nur umgesetzt, wenn der Bund bis dahin seinen Versprechen mit Blick auf die Eingliederungshilfe nicht nachkomme.
Und was wäre damit auch zu erreichen? Keine Befreiungsschläge jedenfalls. Georg Lunemann zeigt das Manko auf: „Diejenigen, die Standards – gerade im Sozialbereich – setzen, müssen auch spüren, was das kostet.“ Daher sei eine schnelle Entlastung bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen alternativlos.
Zu wenig Geld von Bund und Land
Die wegbrechenden Gewerbesteuern in Gelsenkirchen sind zum großen Teil nur durch Schlüsselzuweisungen der Landesregierung in Düsseldorf aufzufangen. „Bei uns tragen nur wenige Großbetriebe einen Großteil der Gewerbesteuereinnahmen und wenn eines Schwierigkeiten hat, wirkt sich das massiv auf unseren Haushalt aus“, erläutert Kämmerer Georg Lunemann.
Kassenkredite (derzeit rund 700 Mio. Euro) müssen dafür herangezogen werden, um Pflichtaufgaben – wie den Soli Ost – bezahlen zu können. „Das Problem ist die Dynamik, mit der die Schulden wachsen“, sagt Lunemann und verweist auf Aufgaben von Bund und Land, für die es aber noch zu wenig zusätzliches Geld geben würde (Konnexität).
Gelsenkirchen leiste sich eine relativ hohe Personalintensität
Und dann gibt es da noch in der RWI-Studie die Behauptung, Gelsenkirchen leiste sich seit Jahren eine relativ hohe Personalintensität. Das amüsiert den Kämmerer, gleichzeitig Personalchef der Stadt, so gar nicht: „Es geht dabei vor allem um die Reinigung von Straßen, Flächen und Gebäuden sowie um die Müllabfuhr.“ Diese Leistungen seien in vielen Kommunen in der Vergangenheit so ausgelagert worden, dass sie in der Statistik nicht mehr auftauchten. Aber auch die hohe Quote städtischer Kindertageseinrichtungen bedingt durch den Rückzug z.B. kirchlicher Träger führe notgedrungen zu einem hohen Personalbestand bei der Stadt.
Hinzu käme auch, dass nicht alle Zahlen, die der Studie zugrunde gelegt worden seien, richtig wären. „Das Landesamt für Statistik hat in der Gesamtverwaltung beispielsweise nicht die Stellen gezählt, sondern die Köpfe.“ Aber, sagt Georg Lunemann, das sei das Problem mit Gutachten: „Sie arbeiten mit den Zahlen, die sie kriegen können. Etwas mehr Seriosität bei der Interpretation dieser Daten würde aber auch Wissenschaftlern gut zu Gesicht stehen.“