Berlin. Demenz ist keine Krankheit, die nur alte Menschen trifft. Auch Junge weit unter 65 können an den typischen Erinnerungslücken leiden. Für sie ist es meist noch schlimmer: Ihr Körper ist noch fit, der Kopf weiß nur nichts mehr damit anzufangen.

Manchmal etwas zu vergessen, das gehört für ältere Menschen zum Alltag. Doch wenn das Gedächtnis häufiger versagt, die Orientierung verloren geht und sich die Persönlichkeit verändert, dann lautet die Diagnose oft: Demenz. Mehr als 50 Formen der Erkrankung gibt es. Laut Bundesfamilienministeriums leiden rund 1,4 Millionen Menschen in Deutschland daran - Tendenz steigend.

Fast immer sind Menschen ab 65 Jahren betroffen. Doch auch Jüngere können erkranken: "Diese Menschen fallen völlig aus dem Alltag", umschreibt es Prof. Richard Dodel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Siegen. Sie stehen meistens noch im Berufsleben, sind in feste Terminpläne eingebunden. Kollegen, Freunde und Familie denken nicht direkt an eine Krankheit, wenn sich das Verhalten auffällig ändert.

Persönlichkeitsveränderungen typisch für Demenz

Doch dieses Symptom ist charakteristisch für die Frontotemporale Demenz, kurz FTD. Wie bei allen Formen der Demenz sterben dabei Gehirnzellen, in diesem Fall im Stirnhirn (Frontalhirn) und im Schläfenlappen (Temporalhirn). "Fünf bis zehn Prozent aller Demenzkranken leiden an einer Form der FTD", erläutert Richard Dodel, Neurologie-Professor an der Philipps-Universität Marburg.

Symptome sind Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltens- und Sprachstörungen, sagt Prof. Dodel. Betroffene registrierten die Veränderung in der Regel nicht, für das Umfeld sind sie extrem belastend. "Es ist der gleiche Organismus, aber ein anderer Mensch", sagt Prof. Christian Haass, Demenzforscher im Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in München.

Bei der Alzheimer-Krankheit, an der zwei Drittel der Demenz-Betroffenen leiden, lassen die kognitiven Fähigkeiten nach. Zu den typischen Erinnerungslücken kommen Orientierungslosigkeit und Konzentrationsschwächen. Auch Alzheimer trifft vereinzelt jüngere Menschen. "Dabei handelt es sich immer um eine erbliche Veranlagung", sagt Haass. In allen Altersgruppen kann Demenz auch die Folge von anderen Krankheiten sein, etwa einer Durchblutungs- oder Schilddrüsenstörung und von Schlaganfällen. Ist die primäre Erkrankung behandelbar, bessert sich in der Regel auch die Demenz.

Betreuung ist wichtig

Alzheimer, FTD und die meisten anderen Arten der fortschreitenden Demenz sind jedoch nicht heilbar. Umso wichtiger ist daher die Betreuung. "Gerade bei jüngeren Betroffenen ist es schwierig, sich auf die Einschränkungen einzulassen", erklärt Sozialarbeiterin Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft (DalzG). Anders als bei Erkrankten im Ruhestand sind hier auch die Versorgung von Kindern oder die Regelung der Altersvorsorge ein Thema. Auch sind die Frühbetroffenen in der Regel körperlich fitter.

Auch interessant

Körperliche Fitness ist für Betreuer eine Herausforderung. Für die Betroffenen ist sie eine Chance: "Sport ist das Einzige, was man gegen Demenz machen kann", sagt Prof. Haass. "Es ist durch Tierversuche belegt, dass körperliche und geistige Betätigung die Demenz zwar nicht verhindert, aber den Verlauf hinauszögert."

Wenig Angebote für junge Demenzkranke

Geistige und körperliche Anregung sollte es für Patienten immer geben, auch in einem Heim. Bei aktiveren Jüngeren sind entsprechende Angebote schwerer zu finden. "Da kann man es mal in einer Behindertenwerkstatt versuchen", schlägt Saxl vor. Auch Wohneinrichtungen für psychisch Kranke hält sie bei Frontotemporaler Demenz für eine mögliche Alternative zum Altenpflegeheim.

Walking-Gruppen oder Tanzkurse helfen auch den pflegenden Angehörigen, weil sie den schwierigen Alltag auflockern. "Es gibt auch Urlaubsangebote speziell für Patienten und Betreuer, gemeinsam und getrennt", sagt Susanna Saxl. Solche Angebote sind wichtig, denn die Demenz wird immer schwerer. Sie selbst ist nicht tödlich. Aber sie begünstigt Sekundärerkrankungen, an denen auch Frühbetroffene schon innerhalb von drei Jahren sterben können. (dpa)