Gelsenkirchen. Im Gesundheitspark Nienhausen ist an der Ziegenmichel-Kinderburg ernten und essen nun ausdrücklich erlaubt. Für das Projekt arbeiten – zumindest für ein jahr – fünf Menschen mit Behinderung. Als erste Tat pflanzten sie Mittwoch fünf Obstbäume.

Lena gräbt den Sand um. Ihre Oma hat die Enkelin im Blick. An diesem Mittwochmorgen haben die beiden das gesamte Spielareal an der Kinderburg für sich. „Wir sind heute das erste Mal hier und haben das gerade für uns frisch entdeckt“, sagt die Gelsenkirchenerin. In der nahen Altstadt wohnt sie. Das Kinderland am Gesundheitspark gehörte bislang nicht zu ihren Familien-Spielorten. „Wir haben auch gerade hier unsere ersten Waffeln gegessen. Das ist durchaus schön und gelungen“, fällt die erste Wertung rundum positiv aus. Nicht nur Kuchen und deftige Mittagsgerichte gäb’s nebenan im Café mit der üppigen Außenterrasse, sondern auch bald Äpfel und Birnen oder Johannisbeeren direkt vom Ast und jetzt schon jede Menge Rosmarin und Salbei, Minze oder Dill aus dem Hochbeet. Nun ja, nichts, was man gleich wegfuttert – aber das wäre ausdrücklich erlaubt und erwünscht. Im Gesundheitspark Nienhausen entstehen rund um die Kinderburg „Essbare Gärten“.

Politik, Parkverwaltung und der Ziegenmichel-Verein als Träger diverser pädagogischer und integrativer Angebote haben das Projekt angeschoben, das Signalwirkung entfalten soll – vor allem für eine ganze Reihe neuer integrativer Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Fünf sind zum 1. April besetzt worden. Mike, Timon oder Selina werden mit Pädagogin Judith Schubert und Betreuungsassistent Roland Hesse dafür sorgen, dass es grünt, blüht und wächst. Ihre erste gemeinsame Tat: In großer Runde wurden Mittwoch fünf gespendete Obstbäume gepflanzt.

"Was hier umgesetzt wird, ist Inklusion pur"

In der Emscher-Werkstatt haben die Behinderten bislang gearbeitet. Den geschützten Raum der Werkstätten des Sozialwerks St. Georg haben sie nun verlassen und die fünf Außenarbeitsplätze beim Ziegenmichel besetzt – zumindest für ein Jahr. 15 weitere sollen in nächster Zeit stadtweit folgen. Die Projektidee wurde durch die Politik vorangetrieben. Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2013 wurden Mittel freigegeben. Die Stadt ist beteiligt, vor allem aber finanziert der Landschaftverband Westfalen Lippe (LWL) im Rahmen seines Projekts „Teilhabe an Arbeit — 1000 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen“ rund die Hälfte der Personalkosten.

„Ich glaube, was hier umgesetzt wird, ist Inklusion pur“, zeigt sich Lutz Dworzak überzeugt. Die Idee der „Essbaren Gärten“ hatte ihn wie auch Bezirksbürgermeister Joachim Gill in Andernach angesprochen. „Dort ist pflücken erlaubt.“ Was als Ernte überbleibt, soll zudem von den Ziegenmichel-Mitarbeitern verarbeitet und verkauft werden.

"Leute entdecken den Raum wieder für sich"

„Unser Auftrag heißt: Eingliederung ins Alltagsleben. Wenn wir diesen Auftrag ernst nehmen, sind wir genau auf solche Projekte angewiesen“, betont der stellvertretende Emscher Werkstatt-Leiter Jürgen Pokorny und ist überzeugt: „Von den Erfahrungen profitieren alle, die hier rumlaufen.“ Und: „Der schönste Fall für uns ist, wenn wir unsere Leute tatsächlich fest vermitteln können.“ Beim Ziegenmichel ist das gelungen. Drei sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in den Einrichtungen besetzten bereits Menschen mit Behinderung.

Die Spielflächen an der Kinderburg werden noch erweitert, die Kleinbahn fährt bald wieder. Kräuter- und Blumenwiesen wurden 2013 bereits im Park angelegt, Gemüsebeete sollen dieses Jahr dazu kommen – beschildert, damit alle wissen, was dort Leckeres wächst. Sachspenden wie Sträucher aus dem eigenen (Klein)-Garten sind übrigens durchaus willkommen. Im Gesundheitspark wird das Thema Gesundheit nun von der Sauna und dem Wellnessbereich bis zur gesunden Ernährung bespielt, der Park wird in Stücken angepasst. „So langsam kriegen wir den Ort wieder in den Griff“, findet „Ziegenmichel“ Michael Lorenz und weiß, dass noch Durchhaltevermögen gefragt ist. „Die Leute entdecken den Raum wieder für sich.“