Gelsenkirchen. . Die Kritik von Minister de Maizière an den „maßlosen“ Forderungen der Gewerkschaft ver.di waren es, die die rund 1800 Streikenden gestern in Gelsenkirchen besonders auf die Palme brachten. Drängte sich da doch der Vergleich mit der gerade beschlossenen Diätenerhöhung um 10% förmlich auf.
Da ist geballte Wut versammelt auf dem Neumarkt und sie verschafft sich lautstark Gehör. Buhrufe und schrille Pfiffe aus einem Meer von Trillerpfeifen unterstreichen auch akustisch, was die Stunde geschlagen hat. Die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sind auf der Straße und tragen ihre Forderungen in Plastik über der dicken Winterjacke: „Wir sind es wert“.
Es ist ziemlich kalt an diesem Streikmorgen. Gut, dass der Gelsenkirchener Musiker Norbert Sabatzki, alias Mr. Mambo, den Umstehenden mit dem Fußball-Song der Toten Hosen von 2012 so richtig einheizt. Da wippt auch Superman auf der Bühne mit. Er symbolisiert mit seinem Kostüm, was seine Kolleginnen auf Plakaten klarstellen: „Erzieherinnen sind Helden des Alltags“. Weil aber auch „Superhelden mehr Geld“ brauchen, stehen auch die Erzieherinnen Dienstag auf der Straße. 45 der 64 städtischen Kitas wurden bestreikt, waren ganz geschlossen oder nur mit Notgruppen am Start.
Stundenlohn von knapp über 10 Euro
Stellvertretend für ihre Kolleginnen war Petra Müller auf der Bühne, um der Forderung nach mehr Geld Nachdruck zu verleihen. 100 Euro mehr und anschließend 3,5%, das wollen auch die Erzieherinnen haben. Was unter dem Strich in der Entgeltgruppe 2 nur 157 Euro brutto mehr im Monat ausmachen würde: „Damit kämen die Kolleginnen und Kollegen endlich auf einen Stundenlohn von knapp über 10 Euro“, erklärt Petra Müller. Berufsanfängerinnen in den Kitas verdienen nur um die 1400 Euro im Monat. Die meisten von ihnen haben zu Anfang nur befristete Verträge und müssen lange auf eine Festanstellung warten.
Diätenerhöhung im Bundestag liefert den Rednern eine Steilvorlage
Was sind schon 157 Euro mehr im Monat gegenüber der Diäten-Erhöhung von über 800 Euro, die sich die „hohen Herren und Damen“ im Bundestag so eben selber bewilligt haben? Eine Steilvorlage für viele der Redner auf dem Podium, wie Lothar Jacksteit, der „solidarische Grüße“ der GEW überbrachte.
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Zehn Prozent mehr haben sich die Abgeordneten genehmigt, weist nicht nur Jacksteit die Kritik von Minister de Maizière an der „maßlosen Forderung“ der Gewerkschaft zurück. Und René Hiller, Sozialarbeiter im Jugendamt, erklärt, Deutschland verkomme zum Billiglohnland, weil die Reallöhne seit zwei Jahrzehnten nicht gestiegen seien. Mit 2000 Euro brutto müssen beispielsweise die Fahrer der Bogestra im Monat über die Runden kommen, klagte einer von ihnen.
Kein Anreiz für den Nachwuchs
Damit sei nicht viel Staat zu machen, monierten die Streikenden und ein Anreiz für den Nachwuchs sei das auch nicht. Das findet auch die ver.di-Jugend, die sich dem Warnstreik mit eigenen Forderungen angeschlossen hat. Für die Auszubildenden bei der Stadt spricht Steven und fordert 100 Euro mehr Lohn pro Monat und die unbefristete Übernahme nach der Ausbildung.
Kundgebung auf Neumarkt