Gelsenkirchen. Der 6-jährige Fernando hat sich in den zwei Jahren in Gelsenkirchen vom traurigen Jungen, der keine Worte für seine Wünsche hatte, in ein fröhliches Kind verwandelt. Jetzt, wo er die deutsche Gebärdensprache gelernt hat, droht ihm und seiner Familie die Abschiebung. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt.
Wenn Gisela Walhorn über Fernando (6) spricht, dann gerät sie schnell ins Schwärmen. „Er hat sich zu einem fröhlichen, aufgeweckten Kind entwickelt“, sagt die Leiterin der Glückauf-Schule in Gelsenkirchen. „Mit seinem Freund Bastian kann er richtig aufdrehen. Es tut gut, wenn man die beiden beobachtet. Die können richtig Blödsinn machen.“
Dass die Schulleiterin so viele lobende Worte für den Sechsjährigen findet, hat einen ernsten Hintergrund. Fernandos Familie droht die Abschiebung, weil sie aus Serbien stammt und ihr Asylantrag vom Kreis Recklinghausen abgelehnt wurde.
Als Fernando Alimovic, von Geburt an taub, im Oktober 2011 in den Förderschulkindergarten der Schule kam, war er ein trauriges Kind. „Er konnte überhaupt nicht kommunizieren, auch nicht mit seinen Eltern, sondern nur zeigen“, erinnert sich die Leiterin.
Er wäre jetzt fit für die Schule
Im Kindergarten ist der Junge schnell integriert. Er lernt die Deutsche Gebärdensprache (DGS), kann prima mit den anderen kommunizieren. Als wir die Einrichtung an der Marler Straße 41 besuchen, „erzählt“ Fernando seinen Freunden Bastian und Kadir, dass seine Lieblingsmannschaft am Wochenende gewonnen hat: vier Finger seiner kleinen Hand streckt er ihnen entgegen. Kadir zeigt das Ergebnis „seiner“ Mannschaft: sechs Finger schnellen hoch. Im Förderkindergarten lernt Fernando täglich neue Gebärden und er hat begonnen, das Fingeralphabet zu lernen. Das hilft ihm, die Schriftsprache zu erlernen. Nachmittags besucht er die OGS. „Fernando ist fit für die Schule“, sagt Schulleiterin Walhorn. Nach den Sommerferien soll er in die erste Klasse der Glückauf-Schule eingeschult werden. Sein Freund Bastian wird in die gleiche Klasse gehen.
Für Fernando (6) wäre die Abschiebung schlimm. Denn in der Gehörlosen-Schule lernt er die Deutsche Gebärdensprache, die nicht identisch mit der Gebärdensprache in Serbien ist. „Wenn Fernando jetzt zurückgeht, fängt er ganz von vorne an. Das macht den Härtefall aus, denn für gehörlose Kinder ist es nicht zu leisten, dass sie zweisprachig aufwachsen“, sagt die Schulleiterin. Eine Kinderärztin bescheinigte, dass infolge der Abschiebung „eine dauerhafte Entwicklungsstörung nicht ausgeschlossen werden könne“. Fernando käme in ein Land, das ihm fremd ist, dessen Sprache er nicht beherrscht, in der er keine sozialen Kontakte hat. Ein Unterstützerkreis der Familie hofft nun auf die UN-Kinderrechtskonvention. Es gehe nicht um Recht und Ordnung, sondern um Mitgefühl.