Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener Grundschule an der Erzbahn hat 1989 den gemeinsamen Unterricht für Kinder mit und ohne Förderbedarf eingeführt. Im Unterricht gibt es ein Thema, an dem die Schüler auf ihrem Niveau arbeiten. Auch das Gebäude ist teilweise barrierefrei. Lehrer können an Hospitationen teilnehmen.
Es ist mucksmäuschen still in der Klasse, die Kinder grübeln über ihren Arbeitsblättern. Sie lassen sich nicht einmal vom Besuch der WAZ ablenken. Die Klasse 3 b in der Schule an der Erzbahn ist Klassen-Besuch schon längst gewöhnt. Schließlich ist die Grundschule in Bulmke-Hüllen als Vorreiterschule für den gemeinsamen Unterricht schon länger Anlaufstelle für Besucher.
Inklusion, also der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Förderbedarf, soll ab dem Sommer überall umgesetzt werden. In vielen Gelsenkirchener Schulen ist er aber schon seit langem Alltag. Eine davon ist die Grundschule an der Vandalenstraße, die als erste in Gelsenkirchen schon 1989 den Gemeinsamen Unterricht eingeführt hat.
Viele Stunden werden mit doppelter Besetzung unterrichtet
Ein bewährtes System, wie sowohl der Schulleiter Fridtjof Unger als auch die Sonderschulpädagogin Gudula Karl-Knyn meinen. „Behinderte Kinder gehören ganz selbstverständlich mit zur Gemeinschaft“, heißt es auch auf der Homepage. „Den Kindern wird von klein auf bewusst, dass es unterschiedliche Menschen gibt, alle gleich viel wert sind und gleich behandelt werden“, erklärt Gudula Karl-Knyn. Sie ließ sich vor acht Jahren von einer Förderschule an die Grundschule versetzen. In der 3 b ist sie eine der Klassenlehrerinnen. Weil sieben Kinder mit Förderbedarf in der Klasse sind, werden viele Stunden mit doppelter Besetzung unterrichtet.
Beim WAZ-Besuch sind neben der Sonderschullehrerin auch noch die Lehramtsanwärterin und eine Integrationshelferin mit in der Klasse. Diese absolviert hier ihr Freiwilliges Soziales Jahr und kümmert sich um einen kleinen Rollstuhlfahrer. Integrationshelfer können von den Eltern beantragt werden, wenn ihre Kinder besondere Unterstützung brauchen. Bewilligt werden sie nach Prüfung des Einzelfalls vor allem für Kinder mit Förderbedarf in der körperlichen und geistigen Entwicklung.
Der Gemeinsame Unterricht ist Bestandteil des Schulprogramms
Der Gemeinsame Unterricht ist Bestandteil des Schulprogramms der Grundschule. Im handlungsorientierten Unterricht gibt es ein gemeinsames Rahmenthema, an dem die Schüler auf ihrem jeweiligen Niveau arbeiten. Manchmal gibt es Diskussionen, weil die einen „leichte“ und die anderen „schwere“ Arbeitsblätter haben. „Das muss man den Kindern erklären“, sagt die Klassenlehrerin.
Wie der gemeinsame Schulalltag der Kindern aussieht, das vor allem wollen die Lehrer anderer Schulen bei der Hospitation erleben. „Wir zeigen, dass es funktionieren kann und nehmen den Kollegen die Ängste. Das ist vielleicht das wichtigste“, meint der Schulleiter. Und Gudula Karl-Knyn ergänzt, dass viele Kollegen in der Schule nie Kontakt zu Kindern mit Behinderung hatten. „Es gibt eine Hemmschwelle. Was kann ich so einem Kind zumuten? Darf ich mit ihm schimpfen? Die Lehrer sind immer ganz froh, wenn sie erleben, dass wir mit allen Schülern gleich umgehen.“
Grundschule an der Erzbahn wird ab den Osterferien umgebaut
248 Schüler werden in der Schule an der Erzbahn in elf Klassen unterrichtet, sieben davon mit gemeinsamem Unterricht. 29 Kinder mit Förderbedarf sind an der Schule. Unterrichtet werden die Kinder von 21 Lehrkräften, darunter drei Sonderpädagogen. Als Vorreiterschule ist die Grundschule in Bulmke-Hüllen eine von insgesamt vier in Gelsenkirchen, in denen sich Lehrer anderer Schulen zur Hospitation anmelden können. Auch Eltern hospitieren hier, wenn sie auf der Suche nach der richtigen Schule für ihr Kind sind.
Das Schulgebäude ist bereits jetzt teilweise barrierefrei, verfügt über einen nachträglich eingebauten Aufzug und eine Rampe am Nebeneingang. In den Osterferien zieht die Schule in ein dreistöckiges Containergebäude auf dem Schulgelände, damit das alte Schulgebäude energetisch saniert und barrierefrei für den Gemeinsamen Unterricht ausgebaut werden kann. Anschließend wird es hier eine Rampe auch am Haupteingang, spezielle Türen, unterfahrbare Waschbecken, Wickelräume und jeweils einen Gruppenraum für zwei Klassen geben. Rund ein Jahr sollen die Bauarbeiten dauern.