Gelsenkirchen. Ab 1944 war der Industriestandort in Bulmke verstärkt das Ziel alliierter Bomber. Das Werk Schalker Verein wurde vor allem im Februar 1945 schwer beschädigt. Insgesamt fielen im Zweiten Weltkrieg 1224 Sprengbomben auf die Werksanlagen.
Der Plan ist mit schwarzen Punkten übersät. 48,6 mal 126,1 cm ist die Karte groß. Sie zeigt das Werk Schalker Verein der Deutschen Eisenwerke, die Hallen und Gleisanlagen, Öfen und Rohstoffbunker – und jeder Punkt steht für einen Treffer. Im Deutschen Bergbaumuseum Bochum hat man unter Inventar-Nummer 070410059203 archiviert, was im August 1945 als Bilanz des Schreckens blieb.
Damals wurde die Übersicht der Bombenwürfe gefertigt. Der Gelsenkirchener Hermann Wirtz hat sie später für „sein“ Werk ausgewertet und zusammengezählt: Demnach fielen im Zweiten Weltkrieg „insgesamt 1224 Sprengbomben auf die Werksanlagen, von denen 219 Blindgänger waren, die nicht explodierten. Dazu richteten rund 6000 Stabbrandbomben erheblichen Schaden an“.
Der schwerste Angriff erfolgte am 27. Februar 1945
Allein beim Großangriff auf die Stadt am 6. November 1944 gab es 257 Bombentreffer und 57 Blindgänger. „Der schwerste Angriff erfolgte am 27. Februar 1945: 358 Sprengbomben explodierten und zerstörten, was bis dahin die Angriffe überstanden hatte oder notdürftig wieder hergerichtet worden war“, schrieb Harald Neumann im März 1985 in der WAZ. 40 Jahre nach Kriegsende hatte damals ein Reporter Hermann Wirtz in seiner Wohnung besucht, wo er die Bilder und Erinnerungen an den Schalker Verein verwahrte. Er rettete sie bei den zahlreichen Umzügen und Verlegungen im Laufe der Verkleinerung des Schalker Vereins vor der Vernichtung.
„Immer, wenn ich merkte, dass alte Unterlagen in den Container sollten, habe sich sie gesichtet und herausgeholt, was mir für die Geschichte des Schalker Vereins wichtig erschien,“ so der gelernte Elektriker Wirtz damals, der Anfang der 1950er-Jahre wieder beim Schalker Verein Arbeit fand. Das 1872 in Bulmke von Friedrich Grillo gegründete Hochofenwerk stand in der Wirtschaftswunderzeit vor seiner letzten großen Blüte. 1982 wurde die Roheisenproduktion schließlich von der Thyssen AG eingestellt.
Dauerziel wurde der Schalker Verein, in dem unter anderem auch Granaten hergestellt wurden, vor allem ab 1944. In den Jahren zuvor trafen nur wenige Bomben das Unternehmen. Auch wenn die NS-Kriegswirtschaft Hauptziel der alliierten Fliegerangriffe war, trafen die Bomben vor allem die Wohnhäuser. 52 % der Wohnungen waren am Kriegsende in Gelsenkirchen zerstört, aber nur 28 % der Industrieanlagen.
Zeitzeuge erlebte die Bombenangriffe als kleiner Junge in Ückendorf
„Auch viele Jahrzehnte später erinnere ich mich – auch mit vielen Schilderungen meiner Mutter – an diesen wohl schrecklichsten Tag in meinem Leben.
Die pausenlos heulenden Sirenen auf der Apotheke am Ückendorfer Platz verkündeten Unheil am 6. November. Wir wohnten an der Markgrafenstraße 9 und der Luftschutzkeller im gegenüberliegenden Haus galt als sicherer. Deshalb flüchteten meine Eltern und ich dorthin. Das Inferno begann. Rings herum gewaltige Einschläge. Doch Gott sei dank unsere Häuser blieben stehen und die dort wohnenden Menschen hatten die schweren Angriffe unverletzt überstanden. Wir eilten schnell in unsere Wohnung. Von der Gartenseite schauten wir durch die zerstörten Fenster hinüber zum Knappschaftskrankenhaus. Das Gebäude stand in hellen Flammen. Tage später kamen wieder Bomber am hellen Tag. Unter Sirenengeheul rannten wir los zum Stollen in der Straße Am Dördelmannshof wo Männer in Uniform bereits den Eingang versperrt hatten. Doch gegen den energischen Protest meiner Mutter konnten sie nichts ausrichten. Und so kamen wir in den Stollen und waren sicher. Nur in die Nähe des Zimmers vom Stollenkommandanten Baumgard durften wir unter keinen Umständen. So quetschten wir uns dicht aneinander.“
Heinz-Dieter Albert erlebte die Angriffe als Vierjähriger, heute lebt er in Buer. Von 1976 bis 2004 war er Bezirksvorsteher der BV West.