Gelsenkirchen. Im Mai 1940 fallen die ersten Bomben auf Scholven. Es ist der Auftakt für über 150 Luftangriffe bis Kriegsende. 518 Opfer sterben allein bei den Bombardements am 6. November 1944. 1945 sind über 3000 zivile Opfer zu beklagen, von 93.028 Wohnungen sind 70.744 Wohnungen beschädigt - 12.021 schwer.

Der 20. Mai 1940 markiert für die Gelsenkirchener einen Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg. Todesnachrichten von der Front hatten manche Familie getroffen, auch hatte sich die Versorgungslage verschlechtert. Doch die Schlachten waren weit weg.

Die NS-Heere überrannten gerade Frankreich. Das große Morden wurde von den Deutschen noch als schneller Eroberungskrieg erlebt. Doch an diesem 20. Mai fallen die ersten Fliegerbomben auf Scholven. Der verheerende Krieg ist endgültig in der Stadt angekommen.

Über 150 Bombenangriffe

Bereits 8 Tage später fallen die nächsten Bomben im Norden. Die Industrie ist das Ziel – doch die Angriffe treffen vor allem die Zivilbevölkerung. Über 150 werden es bis Ende März 1945 sein, akribisch erfasst von den Behörden und dokumentiert auf der Gelsenzentrum-Internetseite. Der fürchterlichste Luftschlag trifft Gelsenkirchen am 6. November 1944. Die Altstadt und Bulmke-Hüllen leiden besonders. Um 14 Uhr bricht das Inferno los, ausgelöst von 738 Flugzeugen, die in mehreren Wellen anfliegen. „Die Bombardierung an jenem Montagnachmittag dauerte 48 Minuten. In dieser Zeit haben die Briten 6460 Spreng- und 167.131 Brandbomben abgeworfen, vornehmlich auf Alt-Gelsenkirchen“, so Andreas Jordan vom Gelsenzentrum, dem Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte. Die überall tobenden Brände konnten kaum gelöscht werden, da auch die Strom- und Wasserversorgung zusammengebrochen war.

„In den Stadtteilen Altstadt, Bulmke, Hüllen und Schalke war kaum ein Haus noch unzerstört. Straßenbahn- und Straßennetz waren mehrfach unterbrochen. 518 Menschen starben im Bombenhagel, weit über tausend Gelsenkirchener wurden verletzt“, hat das Institut für Stadtgeschichte (ISG) recherchiert.

Spätestens mit dem Jahreswechsel 1942/-43 gehört die drohende Gefahr aus der Luft zum Lebensalltag, laden immer mehr Fliegerstaffeln der Alliierten ihre tödliche Fracht ab. Sirenenalarm, Bomben, Feuer, Tod und Leid treffen die ganze Stadt. Besonders furchtbar wirken die Brandbomben.

Schwerste Verbrennungen

„Im Zweiten Weltkrieg waren die Phosphor-Kanister berüchtigt. Diese Phosphor-Brandbomben explodierten und verspritzten Phosphor, eine weiß-gelbliche klebrige, zäh anhaftende Masse mit Knoblauchgeruch. Selbst kleine Spritzer verursachten grausame, schlecht heilende Verbrennungen auf der Haut. Der verheerende Brand durch Phosphor-Bomben - bei der Verbrennung entwickelt der weiße Phosphor eine Temperatur bis 1300 Grad Celsius - war kaum zu löschen“, erinnert sich Marlies Niehues. Die Kriegserlebnisse der 2008 gestorbenen Gelsenkirchenerin sind auf der Gelsenzentrum-Seite festgehalten.

Die Industrie in Gelsenkirchen zu treffen, bedeutete, die Kriegswirtschaft der Nationalsozialisten zu treffen: Mitte Juni 1944 legten Bombenangriffe das Horster Hydrierwerk still. Die Wiederaufnahme der Produktion gelang laut ISG bis Kriegsende nicht. „Der Schalker Verein, wo man u.a. Granaten herstellte, wurde durch mehrere Bombardierungen im Herbst 1944 stark zerstört, ebenso wurden große Teile der Werksanlagen des Mannesmannröhrenwerkes Grillo-Funke zerstört.“ Nach Tagesangriffen am 9. bis 13. November 1944 musste auch auf Zeche Graf Bismarck die Förderung stillgelegt werden, Tage später traf es endgültig auch die Schachtanlagen 6 und 8 von Dahlbusch, die dortige Zentralkokerei und Consolidation. 1/4. E. Am 19. März schließlich wird das Hans-Sachs-Haus von Bomben zerstört. 81 Menschen sterben im Luftschutzkeller des Verwaltungs-Gebäudes. Am 8. April 1945 rücken amerikanische Truppen in Rotthausen ein, zwei Tage später übernehmen sie in der Stadt das Regiment. Der Frieden naht.